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Jetzt Informieren!„Zu nichts zu gebrauchen, als zum Singen“
Historische Betrachtungen zum Gartenrotschwanz
„Dieser so charakteristisch gezeichnete Vogel hat sich dem Menschen angeschlossen und zählt in Gärten, Kleingartensiedlungen und Parks zu den häufigsten Vögeln.“ So konnte Schälow noch 1960 in seinem Buch „Sang da nicht die Nachtigall?“ schreiben. Und ein gutes Jahrhundert früher stellte sich 1820 für Friedrich Naumann die Lage so dar: „Er gehört in den meisten Ländern unseres Erdteiles unter die gemeinen Vögel. So ist er auch in Deutschland allenthalben gemein; bloß solche Gegenden, die weder Bäume noch Buschwerk haben, im ganzen also doch nur unbedeutende Strecken, vermissen ihn.“
Heute jedoch sind „kontinuierliche Abnahme“, „Rückgänge zwischen 50 und 90 Prozent“, „Erholung und Stabilisierung auf niedrigem Niveau“ die Stichworte, die man zum Gartenrotschwanz lesen muss. Was ist geschehen? Eine ganze Reihe von Faktoren wird für den Rückgang verantwortlich gemacht. Neben der Zerstörung von Streuobstgebieten, dem Verlust von lückigen Altholzbeständen, von alten Parkbäumen, Korbweiden und Hecken – all das sind seine Lebensräume – kommt auch die Intensivierung der Wiesennutzung in Frage. Deren Düngung, die zu einem raschen Aufwuchs und zu einer frühen Mahd im Frühjahr führt, erzeugt eine Struktur, die vom Gartenrotschwanz gemieden wird. Hohe Vegetation ist seinem Nahrungserwerb auf dem Boden abträglich. Dies wurde in einer 2010 veröffentlichten Untersuchung eindrucksvoll nachgewiesen.
Freier Nahrungszugang ist wichtig
Demnach ist für die Bevorzugung des Jagdgebiets nicht die Quantität der Beute ausschlaggebend, sondern die gute Zugänglichkeit. So ist es für den Gartenrotschwanz nicht nur wichtig, potentielle Brutplätze zu erhalten, sondern mehr noch, spärlich bewachsene Flächen zu bewahren und eventuell neu zu schaffen. Daher ist weder eine besonders intensive Bewirtschaftung empfehlenswert – bei der regelmäßige Düngung zu hoher und dichter Vegetation führt –, noch eine besonders extensive Bewirtschaftung, bei der die Obstwiesen erst am Ende der Brutsaison gemäht werden. Der Gartenrotschwanz lebt hauptsächlich von Insekten, die er am Boden und in der Krautschicht aufnimmt, zuweilen auch in der Luft, dazu kommen Tausendfüßer, Asseln, Ringelwürmer, Schnecken und vor allem im Herbst auch Früchte.
Der auffällige Einbruch des Bestands vom Jahr 1968 auf 1969 gilt inzwischen als Folge einer Dürreperiode im Überwinterungsgebiet, der afrikanischen Sahelzone. Der Gartenrotschwanz ist also ein Weitstreckenzieher, er überquert die Sahara und überwintert im Savannengürtel Afrikas. Die Verweildauer bei uns ist sehr unterschiedlich. Manchmal sind schon in der ersten Märzdekade die ersten Vögel zu beobachten, in anderen Jahren sehen wir ihn erst ab Mitte April. Manche Rotschwänze verlassen uns schon im Juli und August, viele aber erst Anfang September, wobei schon bis Anfang November Exemplare beobachtet worden sind.
Gartenrotschwanz als Sommervariante des Rotkehlchens
In der Antike hielt man das Rotkehlchen und den Gartenrotschwanz für ein und denselben Vogel. Den Erithacus (das Rotkehlchen) bezeichnet Aristoteles (384–322 v.Chr.) als winterliche Variante des Phoenicurus (Rotschwanz). Plinius (23/24–79 n.Chr.) folgt dieser Ansicht und fügt noch hinzu, der Rotschwanz wechsle wie die Grasmücken Gestalt und Farbe zugleich.
Zurechtgerückt wird diese Meinung schon von dem englischen Naturkundler William Turner (um 1500 bis 1568). In seinem lateinischen, 1544 in Köln veröffentlichten Buch „Kurze und knappe Geschichte der vorzüglichen Vögel, deren bei Plinius und Aristoteles Erwähnung getan wird“ schreibt er: „Aristoteles und Plinius haben geschrieben, daß die zween vögel Erithacus und Phoenicurus, je einer in den andern verendert werde, und einer im Winter, der ander aber im Sommer gesehen werde. In welchem sie beyde viel mehr der Weydleuten sag dann jhrer Erfahrnuß vertrawet haben, und derhalben weit von der Warheit abgewichen sind: denn man siehet beyde vögel zu einer Zeit.“ (zitiert nach Gesner 1600).
Interessant ist, dass Conrad Gesner nur den Gartenrotschwanz, und diesen unter dem Namen Haußrötelein, nicht aber den Hausrotschwanz beschreibt. Die Abbildung in seinem Vogelbuch weist eindeutige Kennzeichen des Gartenrotschwanzes auf: „ ... hat zu oberst auf seinem Kopff einen runden weissen Flecken ... An seiner brust, am bauch und schwantz ist er rot ...“ Offensichtlich war der Hausrotschwanz um die Mitte des 16. Jahrhunderts in unseren Breiten noch nicht allgemein bekannt, denn er war früher ein Bewohner der Felsen des Hochgebirges und stieg erst später in die Niederungen herab, indem er die menschlichen Gebäude als Felsenersatz nahm. Im weiteren Textverlauf nennt Gesner allerdings einige Verhaltensweisen, die eher auf den Haus- als auf den Gartenrotschwanz zutreffen. Haus- und Gartenrotschwanz unterscheidet Aldrovandi (1600) schon richtig, verwirrt dann aber das Bild etwas, indem er noch weitere Rotschwänze beschreibt. Eindeutig unterschieden werden beide Arten dann in dem Büchlein des Herrn von Pernau (1702) und in Zedlers Universallexikon (1732 bis 1754).
Rotzagel und Saulocker
Der wissenschaftliche Name des Gartenrotschwanzes ist Phoenicurus phoenicurus. Das Wort kommt aus dem Griechischen. Phoinix bedeutet die Farbe Rot und uros ist von dem Substantiv urá (= Schwanz) abgeleitet, sodass der wissenschaftliche Name nichts anderes bezeichnet als das deutsche Wort Rotschwanz. Zahlreich sind die Namen in den verschiedenen Teilen unseres Landes; sie beziehen sich fast alle auf das Aussehen des Vogels; außer den schon genannten sind es: Waldrotschweifel (nach Schweif = Schwanz), Rotsterz (Sterz ebenfalls = Schwanz), Rotzagel (Zagel bedeutet im Mittelhochdeutschen ebenfalls Schwanz). Auf die Farben von Kehle und Brust beziehen sich die Bezeichnungen Schwarzkehlchen, Rotbrüstlein und Rotbäuchlein. Der zunächst überraschende Name Saulocker hängt mit dem Lockruf des Vogels zusammen, der dem schmatzenden Laut ähnelt, mit dem man früher Schweine gelockt hat.
Zahlreich sind die Verkleinerungsformen bei den Namen des Gartenrotschwanzes. Eine dezidierte Meinung dazu hat Oskar Heinroth (1871–1945), langjähriger Vorsitzender der Deutschen Ornithologengesellschaft, Leiter der Vogelwarte Rossitten und des Berliner Aquariums. In seinem großen Werk über die Vögel Mitteleuropas schreibt er in dem ersten, 1926 erschienenen Band über unseren Jahresvogel: „Wenn ich hier Rotschwanz und nicht Rotschwänzchen sage, wie es gefühlsduselige Leute gewöhnlich tun, so geschieht dies mit Absicht. Wenn wir ein Tier kennenlernen wollen, so müssen wir uns auch in seine Seele hineinversetzen, und ich glaube, wir könnten unserem Vogel keine größere Beleidigung antun, als wenn wir ihn mit einem kindlich klingenden Verkleinerungsworte bezeichnen wollten. Dieser herrische Geselle, der wütend nicht nur über jeden anderen Rotschwanz, sondern auch über andere Schmätzer, wie zum Beispiel das Rotkehlchen, herfällt, die in seine Gebiet kommen, und der ein prächtiges Beispiel mutigen Selbstbewußtseins darstellt, verdient wirklich nicht, daß man ihn mit einem Worte bezeichnet, das in seiner Endung etwas mit der Kleinkindersprache zu tun hat. Wenn ein Tier auch im Verhältnis zum Menschen sehr klein ist, so ist es deshalb noch lange nicht ein hilfloses Wesen, das so aufzufassen ist wie ein junges Tier.“
Schaden? „Sie thun keinen.“
Feinde der Rotschwänze waren in den vergangenen Jahrhunderten die Bienenzüchter. Noch in dem „Landwirtschaftlichen Ratgeber“, einer Beilage zum Reichsboten, liest man im Jahrgang 1903: „Welchen Schaden die dreisten Meisen, Fliegenschnäpper, Rotschwänze u. s. w. unseren Bienenständen thun, wird wohl jeder erfahrene Bienenzüchter selbst wissen.“ Als Abhilfe wird die akustische Vergrämung empfohlen: Mit Hilfe eines Blasrohrs sollte auf eine in der Nähe des Bienenstocks angebrachte Blechscheibe geschossen werden, und der entstehende Lärm sollte die angeblichen Schädlinge vertreiben. Aber schon Naumann verwies diese Schädlichkeit der Rotschwänze ins Reich der Fabel, indem er das Kapitel „Schaden“ kategorisch mit dem Satz: „Sie thun keinen.“ einleitet.
Anders war es mit dem Nutzen. Zu diesem rechnete man noch im 19. Jahrhundert ihr Fleisch, das man für „eine angenehme und wohlschmeckende Speise“ (Naumann) hielt. Aber schon zur genannten Zeit spielte dies als Grund für die Verfolgung in den meisten Teilen Deutschlands keine Rolle mehr. Dagegen schätzte man den Eifer des Gartenrotschwanzes im „Wegfangen vieler beschwerlicher und schädlicher Insekten“. Deshalb sei der Jahresvogel auch in den Wohnstuben der Landleute gehalten worden. Die Haltung im Käfig indes galt als schwierig, da der Gartenrotschwanz nach den Erfahrungen der Halter ein „zärtlicher“ (gemeint ist ein verzärtelter, schwer zu haltender) Vogel war. Trotzdem wurde er häufiger als der Hausrotschwanz im Bauer gehalten, weil er dort „fleißig und fast das ganze Jahr hindurch“ sang. Pernau (1702) sieht das so: „Das meiste, was von der Nachtigall ist gesagt worden, trifft auch bei diesen ein, und sind sie, wie die Nachtigall, zu nichts anders zu gebrauchen, als allein zum Singen.“ Allerdings sei er auch durch „seinen ewig wiederholten Lockton uit uit tak tak“ bisweilen lästig.
Seine Freunde schätzten neben seinem Gesang „die Zierlichkeit seiner Bewegungen, seiner Farbenschönheit und sauberen Haltung.“ So Alfred Brehm. Heinroth rühmt seine Geschicklichkeit beim Fliegen im Zimmer: „Läßt man einen solchen Vogel zum Freiflug ins Zimmer, und tobt er dann seinen Stallmut aus, so sieht man nur einen rötlichen Schatten an der Decke, unter dem Tisch, zwischen Stühlen hindurch, am Fenster vorbei, kurz überall im Zimmer herumsausen und versteht gar nicht, wie das Tier bei dieser rasenden Geschwindigkeit in dem engen Raum die Gegenstände so gut unterscheiden kann, daß es nicht anstößt. Es gibt kaum einen Vogel, der es einem Rotschwanz in dieser Hinsicht gleich tut.“
Brut in jedem denkbaren Hohlraum
Vielfältig und gelegentlich außergewöhnlich sind die Brutstätten des Nischen- und Höhlenbrüters Gartenrotschwanz: „Als [der Briefträger] vor dem letzten Briefkasten steht, sieht er ein Pappschild mit einer diktatorischen Aufschrift: „Nichts reinwerfen! Vogel brütet!“ In den nächsten Tagen trifft er auf seinem Dienstgang noch manchen Briefkasten an, der von Rotschwänzen ... besetzt ist, und einen Monat lang müssen er und die tierfreundlichen Besitzer sich gedulden, ehe sie wieder die Briefkästen benutzen können.“ (So zu lesen bei Schälow). Beobachtet wurden auch Bruten in Kehrichthaufen, aufgehängten Holzschuhen, Bahnsignalen, Geschützrohren, Wetterstationen. Sehr gern nimmt der Gartenrotschwanz auch das Angebot künstlicher Nisthöhlen an, in manchen Gebieten finden sich mehr als die Hälfte der Nester in solchen. Es finden sich aber auch Nester auf Dachbalken, unter Ziegeln, in natürlichen Baumhöhlen, hinter abgelöster Rinde, in Mauerlöchern, Felsspalten und Nischen von Grabsteinen, in Hohlräumen von Zaunpfählen, Hydranten, Holzstößen, Reisigbündeln, in Blumentöpfen, hinter Bretterverschalungen, geschlossenen Fensterläden, im Inneren von Gebäuden und sogar in alten Nestern von Schwalben, Drosseln oder Eichelhähern.
Von einem interessanten Erlebnis mit Gartenrotschwänzen berichtet Peter Baust, der Vorsitzende des NABU Mosbach. In einer Mauerritze seines Hauses, direkt vor dem Fenster der Tochter und gut einsehbar, brütete im Frühjahr 2007 ein Paar. Eines Tages, als die Jungen schon geschlüpft waren, lag das Weibchen tot im Garten. Das Männchen hatte nun allein fünf hungrige Schnäbel zu stopfen. Zweifel entstanden, ob der Witwer genügend Nahrung würde herbeischaffen können. Was war zu tun? Die besorgten menschlichen Gastgeber kauften Mehlwürmer und stellten sie aufs Fensterbrett. Unglaublich schnell entdeckte der Gartenrotschwanz die neue und bequeme Nahrungsquelle. Schnell war der Vorrat verbraucht und musste nachgekauft werden. Auf diese Weise brachte der Vogelvater alle fünf Jungen durch, die dann auch zur gegebenen Zeit ausflogen. Er selbst fraß immer nur die kleinsten Mehlwürmer, während er die großen, fetten seinen Jungen gönnte.
Benutzte Literatur
Für Mitteilungen per E-Mail dankt der Autor Peter Baust und Frank Laier, für solche per Telefon Hans Hoffmann.
Dr. Karl Wilhelm Beichert