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Der Eisvogel im Porträt
Unter den Füßen knirscht der Schnee, eine Eisdecke säumt das Ufer und das Schilf leuchtet im Goldorange der tief stehenden Wintersonne. Stockenten und Blesshühner dümpeln auf dem Fluss. Ein scharfes „tiit“ unterbricht plötzlich die Stille, etwas Buntes schießt mit schnellem Flügelschlag geradlinig und niedrig über das Wasser. So kurz verlaufen die meisten Begegnungen. Erst im Nachhinein realisiere ich: das war der Eisvogel! Wenig später entdecken wir ihn auf einem Ast sitzend, gut sperlingsgroß und schillernd bunt.
Ein Vogel mit festen Gewohnheiten
Meisterfischer, Königsfischer, blauer Blitz oder fliegender Edelstein wird er genannt, der Eisvogel ist einfach ein Vogel der Superlative. Obwohl er nirgends häufig und nicht leicht zu beobachten ist, ist er einer der bekanntesten Vertreter unserer Vogelwelt und das nicht erst seit der Bierwerbung im Fernsehen. Mehrere Faktoren sorgen für seine Popularität: Er ist der einzige Vertreter der Eisvogel-Familie in Mitteleuropa, seine Gefiederfärbung ist exotisch und unverwechselbar und er betreibt spektakulären Fischfang.
Nach einem Vorbeiflug lohnt die Nachsuche mit dem Fernglas. Nicht selten hat sich der Eisvogel auf einer der regelmäßig angeflogenen Sitzwarten nieder gelassen. Und tatsächlich: Kurz vor der Flussbiegung hockt er auf einem Erlenast direkt über dem Wasser. Gedrungen und etwas kugelig wirkt er, und man glaubt kaum, dass dieser kleine Vogel ein dynamischer Flieger und gewandter Jäger ist.
Reizvoll und bezaubernd ist seine Gefiederfärbung: Je nach Lichteinfall schimmern Flügel und Scheitel grünlichblau bis grün, über Rücken und Bürzel zieht ein azur- bis kobaltblauer Streifen. Damit erscheint der Eisvogel im Flug an Rücken und Schwanz am hellsten. Die Unterseite und Wangenflecken leuchten in warmem Orange-Braun, rein weiß sind die Kehle und Halsseitenflecken, die Beine rosarot. Der Schnabel der Männchen ist ganz schwarz, bei Weibchen hat der Unterschnabel eine rote Basis.
Aufgelöste Konturen
Trotz ihrer Buntheit sind Eisvögel nicht auffällig. Gerade die intensive Färbung verschafft dem Eisvogel beste Tarnung in seinem Lebensraum: Im ständigen Wechselspiel aus Licht und Schatten am Ufer lösen sich seine Konturen regelrecht auf und er ist mitunter schwer zu entdecken.
Typische Lebensräume sind fischreiche, von Bäumen gesäumte, nicht zu schnell fließende Flüsse und Bäche mit klarem Wasser und steilen Ufern. Als Flaggschiffart könnte kaum eine Art die Lebensgemeinschaft naturnaher Gewässer besser vertreten als der Eisvogel. Von seinem Lebensraum erwartet er zweierlei: Im Wasser reichlich Nahrung und über dem Wasserspiegel Steilufer als Brutplätze und Sitzwarten für die Jagd.
Mit einem silbernen Fischchen im Schnabel landet der Eisvogel vor mir auf einem Ast. Geschickt schlägt er den zappelnden Fisch dagegen und wendet ihn im Schnabel, so dass er ihn mit dem Kopf schlundwärts ausgerichtet schlucken kann. Kleine, vier bis fünf Zentimeter lange Süßwasserfische wie junge Bachforellen, Gründlinge, Elritzen, Plötzen, Rotfedern oder Stichlinge, seltener auch Insekten, kleine Frösche und Kaulquappen sind die Hauptnahrung. Für eine artenreiche Fischfauna braucht es unter der Wasseroberfläche eine gute Wasserqualität und strukturreiche Habitate für die Fischlarven.
Fischjagd per Fangstoß
Erbeutet werden Fische per Fangstoß. Dazu lauern Eisvögel auf Sitzwarten bis zu zwei Meter über der Wasseroberfläche oder schweben im Rüttelflug und stoßen dann Kopf voraus hinab. Sie tauchen bis zu einem Meter tief und greifen meist in weniger als einer Sekunde nach dem Eintauchen zu. Mit Beute im Schnabel starten Eisvögel mit abperlenden Wassertropfen durch oder bleiben erst kurz mit ausgebreiteten Flügeln auf der Wasseroberfläche liegen. Um die Beute optisch zu erkennen, brauchen Eisvögel klare Sicht, dann haben sie besten Jagderfolg. Im Trüben fischen sie nicht gerne und weniger erfolgreich.
Auch zur Körperpflege stürzen sich Eisvögel ins Wasser. Nach Fütterungen am Nest sieht man Badestürze zur Gefiederreinigung. Unverdaute Fischknochen würgen Eisvögel übrigens wie die Eulen als Gewölle aus.
Buddeln in der Steilwand
Der Nachwuchs wächst im Finstern auf. In Erd- und Sandwänden legen Eisvögel bis zu 90 Zentimeter lange, horizontale Röhren an. Und das mit vollem Körpereinsatz: Mit dem Schnabel wird gehackt und gegraben, mit den Füßen gescharrt und dem Schwanz die lose Erde geschoben. Je nach Material dauern die Arbeiten von wenigen Tagen bis zu einem Monat.
Weitläufige Verwandtschaft
Eisvögel sind Teil einer bunten Verwandtschaft. Zur Ordnung der Rackenvögel zählen in Europa neben dem Eisvogel die blau schimmernde Blauracke und der farbenfrohe Bienenfresser. Allen ist ein farbenprächtiges Gefieder, die gedrungene Gestalt, ein kräftiger Schnabel und das Brüten in Höhlen gemeinsam. Eisvögel kommen weltweit in knapp 100 Arten, meistens in tropischen Regionen vor. Für uns Mitteleuropäer ist der Eisvogel der einzige Vertreter – abgesehen von dem aus Australien stammenden Jägerliest, der wegen seiner an Gelächter erinnernden Stimme auch Lachender Hans genannt und häufig in unseren Tierparks gezeigt wird.
Die Röhre endet in einem Nestkessel, in dem sechs bis sieben weiße Eier auf dem Untergrund liegen. Die erste Brut beginnt Ende März, Zweit- und Drittbruten dauern bis in den August. 18 bis 23 Tage brüten beide Eltern und versorgen die Brut 23 bis 27 Tage. Dann fliegen die Jungen aus, stürzen gleich wie die Alten ins Wasser und beginnen nach wenigen Stunden zu jagen. Zweit- und Drittbruten erfolgen oft als „Schachtelbrut“. Per Arbeitsteilung versorgt so ein Paar zwei Bruten: während sie auf den Eiern von Brut Nummer drei sitzt, stopft er noch bei Nummer zwei die hungrigen Schnäbel.
Mitte Januar hat Väterchen Frost das Land fest im Griff. Nur eine Stelle am Seeufer ist noch nicht zugefroren. Dort wo das Wasser gut einen halben Meter tief ist steht ein Schild mit „Baden verboten“ und darauf sitzt heute ein Eisvogel. Er nutzt die einzige eisfreie Stelle zur Fischjagd. Frostwinter und Hochwasser sorgen für starke Bestandsschwankungen. In Extremwintern wie 1962/63 schrumpfen die Bestände auf unter ein Zehntel und erst nach einigen Jahren sind die Einbrüche ausgeglichen. Wer unter solch extrem wechselnden Lebensbedingungen lebt ist anfällig für Verluste und kompensiert diese mit viel Nachwuchs. Deshalb zieht jedes Paar pro Jahr sechs bis acht Junge groß. Denn 78 Prozent des Nachwuchses überlebt das erste Lebensjahr nicht.
Talsohle durchschritten
Für langfristige, europaweite Rückwärtstrends ist allerdings der Mensch verantwortlich: Mit Kanalisierung, Wasserbau, Uferverbauung und Verschmutzung nehmen wir Gewässern ihren natürlichen Lauf und dem Eisvogel Lebens- und Brutraum. Dramatische Bestandseinbrüche waren die Folge. Dank besserer Wasserqualität und eines ganzheitlicheren Gewässerschutzes ist die Talsohle des Bestandstiefs der 50er bis 70er Jahre durchschritten.
Dennoch sind Eisvögel nirgends häufig. Obwohl sie ganzjährig anwesend sind und nur bei Eislagen abwandern, sieht man die Einzelgänger selten. Nur während der Balz sind sie mit Verfolgungsflügen, lauten Rufen und Fischübergaben als Brautgeschenk auffälliger. Außerdem sorgt eine ausgeprägte Territorialität für konstanten Abstand zwischen den Revieren entlang eines Gewässers. Derzeit schätzt man den Bestand in Deutschland auf 5600 bis 8000 Brutpaare.
Trotzdem könnten mehr Eisvögel brüten, gäbe es mehr naturnahe Gewässer. Angesichts kanalisierter, begradigter und verbauter Fließgewässer ist uns die Vorstellung für natürliche Flussdynamik fast abhanden gekommen. Wo die gestaltende Kraft des Wassers wirken darf, wird ein Mosaik von Überschwemmungszonen, Prallhängen, Steilufern, Kiesbänken, Uferabbrüchen und seichten Buchten möglich – ein Paradies für Eisvögel. Flussniederungen und Talauen können ihre Funktion als Auffangraum bei Hochwasser nur erfüllen, wenn sie vor Verbauung bewahrt und Pufferzonen zur Umgebung geschaffen werden. Da momentan nur zehn Prozent unserer Gewässer als naturnah gelten, bietet sich noch ein enormes Potenzial, neue abwechslungs- und artenreiche Flusslandschaften zu gestalten.
Besucherlenkung am Brutplatz
An Brutplätzen geht es nicht ohne Besucherlenkung. Eisvögel sind zwar oft nicht scheu, aber am Brutplatz gegenüber Störungen oder der bloßen Anwesenheit von Menschen sehr empfindlich.
Man kann auch selbst Hand anlegen und Eisvögeln durch Abstechen kleine Steilufer schaffen oder Nistwände mit Brutröhren anlegen. Solche Angebote nimmt der Eisvogel gerne an – wenn der umgebende Lebensraum das bietet, was er braucht. So wie der Eisvogel, der eben mit schnurrendem Flug bachaufwärts startet. Seit einigen Tagen treibt er sich hier herum und ich hoffe, er entdeckt die Stelle am Ufer, an der das Frühjahrshochwasser eine Weide hat umstürzen lassen. Vielleicht sagt sie ihm zu und er beginnt dort für seine Familie zu graben.
Stefan Bosch
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