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Jetzt Informieren!„Der schönste in unseren Himmelsgegenden“
Historische Erkenntnisse und Missverständnisse rund um den Eisvogel
von Karl Wilhelm Beichert
„Dieser Vogel ist der schönste in unseren Himmelsgegenden, und es giebt keinen in Europa, den man an Reinheit, Reichtum und Glanz der Farben mit dem Eisvogel vergleichen könnte: die Farben haben die Schattirungen des Regenbogens, den Glanz des Schmelzes, die Pracht der Seide: der ganze mittlere Rücken mit dem obern Schwanz hat ein helles und glänzendes Blau, das gegen die Sonnenstrahlen wie ein Saphir spielt und den Glanz des Türkis hat; das Grüne vermischt sich auf den Flügeln mit dem Blau, und die meisten Federn haben eine meergrüne Spitze und Puncte; der Kopf und der Hals sind ebenso puncitert, mit hellern Flecken auf einem himmelblauen Grunde.“
Mit diesen schönen Sätzen beschreibt der französische Naturforscher Georges Louis Leclerc de Buffon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Vogel dieses Jahres.
Eine große Konfusion hinsichtlich des Eisvogels hat in der Antike der sonst zuverlässige Philosoph und Naturwissenschaftler Aristoteles (4. Jahrhundert vor Christus) angerichtet. Bei der Beschreibung des prächtigen Federkleids liegt er zwar richtig, aber alles, was darüber hinaus geht, wie das Brut- und sonstige Verhalten, passt nicht auf den Eisvogel, sodass man davon ausgehen muss, dass unter dem Namen „Alcyon“ (Griechisch: Eisvogel) in Wirklichkeit verschiedene Vogelarten beschrieben werden.
Eine Beschreibung, zwei Vögel?
Das erkannte im 13. Jahrhundert auch Albertus Magnus und zog daraus die Konsequenz, dass er die bei Aristoteles genannten Eigenschaften auf zwei Vögel verteilte, den Alcion und den Hispida, wobei mit dem Letzteren eindeutig unser Eisvogel gemeint ist. Der Schweizer Naturchronist Conrad Gesner (1516–1565) ist ihm 300 Jahre später dabei gefolgt und stellt in dem Kapitel „Von dem Vogel Alcyone“ die von Aristoteles und anderen antiken Autoren genannten Eigenschaften zusammen, die nicht auf den Eisvogel passen, wobei aber er sich auch nicht vorstellen kann, welcher Vogel wirklich mit diesem Namen gemeint ist. Unter dem Namen „Eyßvogel“ folgt dann die Beschreibung des Jahresvogels 2009.
Eine ganz traurige Geschichte ist es, mit der die Alten sich das Entstehen des Eisvogels erklärten. Sie soll hier dargestellt werden, wenn auch ihre Zuordnung zum Eisvogel aus den oben genannten Gründen nicht eindeutig ist. Der römische Dichter Ovid erzählt sie im 11. Buch seiner Metamorphosen:
Liebe über den Tod hinaus
König Ceyx tritt eine Schiffsreise in die Stadt Claros an, um das dortige Orakel Apollons über den Willen der Götter verschaffen zu befragen. Schon beim Abschied wird seine Frau Alcyone, Tochter des Windkönigs Aeolus, von bösen Ahnungen geplagt. Und in der Tat geht das Schiff während eines Seesturms unter und Ceyx ertrinkt, seine Leiche wird am Strand angespült. Wegen ihres unendlichen Kummers wird Alcyone in einen Eisvogel verwandelt. Als dieser sich auf der Leiche des Ceyx niederlässt und sie zu liebkosen beginnt, wird auch Ceyx zum Eisvogel, und beide sind ab sofort ein Beispiel für über den Tod hinaus dauernde eheliche Liebe, besonders von Seiten der Frau.
Beim deutschen Namen „Eisvogel“ lassen sich die Ableitungen des ersten Wortteils von Eis oder auch Eisen zwar mit dem blauen beziehungsweise orangenen Gefiederr in Verbindung bringen. Kinzelbach und Wember weisen aber auf Grund mehrerer überlieferter Beispiele aus dem Althochdeutschen nach, dass die betreffenden Ausdrücke „isaro“ beziehungsweise „isarno“ eigenständige Namen für diese in Europa einzigartige Vogelart darstellen, wobei diesem Namen wiederum das germanische „isan“ oder „eisan“ (= glänzen) zugrunde liegt.
Conrad Gesner dagegen ließ sich von dem Namen zu folgender Bemerkung verführen: „Der Eyßvogel ist gern allein, und hält sich zur Winterszeit bey den Bächen auff, welche mit Eyß überzogen sind, daher er auch seinen Namen empfangen.“ Gerade das Gegenteil ist der Fall: Zugefrorene Bäche verhindern das erfolgreiche Fischen, weswegen der Eisvogel zu solchen Zeiten oft an offene Wasserstellen abwandert.
Interessant sind Ovids Schlussbemerkungen zu dieser Geschichte: „Auch als Vögel löste sich ihre eheliche Liebe nicht auf. Sie paaren sich, werden Eltern und zur Winterszeit brütet Alcyone sieben Tage lang auf einem auf dem Meer hängenden Nest. Dann liegt das Meer ruhig da; Aeolus bewacht die Winde und hält sie vom Ausbrechen fern und verschafft seinen Enkeln eine ruhige See.“
Wie der Eisvogel zu seinen bunten Federn kam
Eine schöne Sage aus Frankreich erklärt die Farben des Eisvogels: Das Federkleid des Eisvogels war ursprünglich grau. So befand er sich auch in der Arche Noah. Nach der Taube schickte Noah auch den Eisvogel aus, um nach Land Ausschau halten zu lassen. Als wassererfahrener Vogel schien er sogar besser dafür geeignet als die Taube. Weil sich bei seinem Aufbruch ein Sturm erhob, musste er seinen Flug zum Himmel nehmen, um nicht von den sich aufbäumenden Wellen verschlungen zu werden. Dabei versenkte er sich in das Himmelblau, das bald auf seine Federn abfärbte.
Ganz hoch gestiegen, sah er die Sonne unter sich aufgehen, was ihn so faszinierte, dass er immer weiter auf sie zuflog. Von der immer größer werdenden Hitze fingen seine Bauchfedern Feuer, weshalb er schnell seinen Flug zur Sonne aufgab und sich in den Wasserfluten der Erde abkühlte. Weil Noah inzwischen Land gefunden hatte, fand der Eisvogel die Arche nicht mehr auf dem Wasser. Und deswegen sieht man ihn noch heute an den Flüssen entlang nach der Arche suchen und mit durchdringendem Ruf nach Noah rufen.
Schutz vor Blitzeinschlägen und Motten
In früheren Zeiten gab es recht merkwürdige Ansichten über den Eisvogel. So glaubte man, dass sich der aufgehängte Balg wie beim lebendigen Vogel weiter mausere. Tuchhändler sollen die Haut des Eisvogels zwischen ihre Tücher gelegt haben, weil dadurch Schaben und Motten vertrieben wurden. Ein Haus, in dem das Nest (!) aufbewahrt wurde, sollte vor Blitzeinschlägen sicher sein. Schließlich soll der tote Vogel, zu den Wertsachen gelegt, bewirken, dass diese sich vermehrten. Schon Gesner nennt diese Erzählungen „abergläubische Stück“. Aber noch im Jahr 1640 berichtet der Pater Athanasius Kircher von einem Eisvogelbalg, den er an der Decke seines Museums aufgehängt habe: „Obgleich alle Türen und Fenster verschlossen waren, so drehte doch der Vogel den Schnabel stets nach dem Winde. Dies habe ich selbst mit Bewunderung und Vergnügen drei Jahre lang beobachtet.“
An Ovids Sage um Alcyone und Ceyx orientiert sich auch der Philosoph Plutarch (etwa 45–125 nach Christus), wenn er beschreibt: „Das Weibchen des Eisvogels liebt seinen Partner so, dass es sich mit ihm nicht nur zu einer einzigen Jahreszeit vereinigt und seine Gesellschaft annimmt, und das nicht aus Maßlosigkeit (denn es verpaart sich überhaupt nicht mit einem anderen), sondern aus Liebe und Zuneigung. Wann aber das Männchen dann, aufgrund des vorangeschrittenen Alters, zu schwach und zu schwer geworden ist, um hinter ihr zu stehen, nimmt das Weibchen ihn auf seinen Rücken, trägt ihn herum und ernährt den alten Partner, ohne ihn jemals zu verlassen oder im Stich zu lassen; aber indem sie ihn auf die Schultern nimmt, nimmt sie ihn überall hin mit, wohin sie geht, sie kümmert sich um ihn und bleibt mit ihm zusammen bis zum Tod.“
Auf die „halkyonischen Tage“ bezieht sich auch Eugen Roth in dem folgenden Abschnitt aus seinem „Großen Tierleben“:
Man sagt, der Wahrheit nicht gemäß,
Daß einer wie ein Vogel äß!
Ganz falsch! Es dient der kleine Eis-,
Auch Martinsvogel, zum Beweis:
Äß, was er frisst, ein Mensch nur halb,
Verzehrte täglich er ein Kalb.
Wir sahn als Kinder ihn noch flitzen,
Gleich bunten Edelsteinen blitzen,
Im tiefen Winter oft am Bach.
Doch wird er seltner allgemach:
Bis wir ihn zeigen unserm Sohn,
Lebt er nur mehr im Lexikon.
Vorbei, wie man auch drüber klage,
Sind längst die halkyonischen Tage!
Der wissenschaftliche Name des Eisvogels, Alcedo atthis, stammt von dem schwedischen Systematiker Carl von Linné (1707–1778). Der erste Namensteil ist ein lateinisches Lehnwort aus dem Griechischen Alcyon, was dort den besagten Vogel bezeichnet. Atthis war der griechischen Sage nach eine Tochter des Königs von Attika, wobei der Zusammenhang mit der Benennung des Eisvogels nicht erkenntlich ist. Den Namen „Hispida“, unter dem Albertus Magnus den Eisvogel kennt, verwendet Linnè, um die europäische Subspezies zu kennzeichnen – so auch noch im heutigen ornithologischen Standardwerk Glutz-Bauer –, während Alfred Brehm (1829–1884) und viele vor ihm „Ispida“ sogar als zweiten wissenschaftlichen Namensteil verwenden.
Meeresruhe dank Eisvogelbrut
Weil die antiken Autoren der Meinung waren, der Eisvogel beginne seine Brut schon um die Wintersonnenwende, nannte man diese Zeit auch die „halkyonischen Tage“, an denen das Wetter, eben wegen des Brütens des Eisvogels, besonders ruhig und für die Seefahrt besonders geeignet gewesen sein soll (lat. dies quietis). Selbst der sonst so kritische Michel de Montaigne (1533–1592) scheint ernsthaft an die Geschichte geglaubt zu haben, wenn er schreibt: „Die Natur hat kein anderes Tier während des Brütens und der Hervorbringung der Jungen so geehrt; der ganze Ozean ist still und geglättet, ohne Wellen, Wind oder Regen, während der Eisvogel seine Jungen ausbrütet, was gerade während der Wintersonnenwende geschieht, sodass wir durch sein Vorrecht sieben Tage und sieben Nächte erlangen, worin wir ohne Gefahr segeln können.“
Benutzte Literatur:
- Albus, A.: Von seltenen Vögeln. – Frankfurt a.M. 2005.
- Albertus Magnus: Opera Omnia, Band XII, Animalium Libri XXVI. – Paris, Ausgabe von 1891.
- Alciatus, A.: Emblematum Libellus. – Darmstadt 1980.
- Bauer, H.-G., Bezzel, E., Fiedler, W.: Kompendium der Vögel Mitteleuropas. – Wiebelsheim 2005.
- Bergmann, H.-H., Helb, H.-W., Baumann, S.: Die Stimmen der Vögel Europas. – Wiebelsheim 2008.
- Brandenburg, H.: Im Herzen der Schüpfung. – Stuttgart und Berlin 1942.
- Brehm, A.: Die Vögel, Erster Band, Leipzig 1878.
- Brendel, F.W.: Erzählungen aus dem Leben der Vögel, Glogau o.J. (vermutlich um 1900).
- Capponi, F.: Ornithologia Latina. – Genua 1979.
- Gattiker, E. und L.: Die Vögel im Volksglauben. – Wiesbaden 1989.
- Gesner, K und Horst, G.: Vogel-Buch. – Frankfurt 1669.
- Glutz von Blotzheim, U.N., Bauer, K.M.: Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 9. – Wiesbaden 1980.
- Heinroth, O.: Aus dem Leben der Vögel. – Reihe „Verständliche Wissenschaft“. Berlin, Heidelberg und New York 1955.
- Hildegard von Bingen: Heilkraft der Natur – „Physica“. – Freiburg, Basel und Wien, Ausgabe von 1991.
- Hindermann, F.: Vögel in der Weltliteratur. – Zürich 1987.
- Hölzinger, J. und Mahler, U.: Die Vögel Baden-Württembergs. – Band 2.3: Nicht-Singvögel 3. Stuttgart 2001.
- Kinzelbach, R. und Hölzinger, J.: Die Vogelbücher aus dem dem Thesaurus Picturarum des Marcus zum Lamm (1544–1606). – Stuttgart 2000.
- Naumann, F., hrsg. Hennicke, C.R.: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas. – Gera-Untermhaus o.J. (1900?).
- Ovide: Les Métamorphoses, Tome III. – Paris, Ausgabe von 1962.
- Plutarco: Del Mangiare Carne, Trattati sugli animali. – Mailand 2001.
- Roth, E.: Großes Tierleben. – Hamburg 2006.
- Wember, V.: Die Namen der Vögel Europas. – Wiebelsheim 2005.
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