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(Kultur)historische Betrachtungen zum Kuckuck
"Alles, was ich über den Kuckuck gehört habe", sagte Goethe, "gibt mir für diesen merkwürdigen Vogel ein großes Interesse. Er ist eine höchst problematische Natur, ein offenbares Geheimnis, das aber nichtsdestoweniger schwer zu lösen, weil es offenbar ist." Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe (8. Oktober 1827)
Der Vogel des Jahres 2008 wird in Volksliedern, in der Literatur, im Volks- und Aberglauben, in Sprichwörtern und Redewendungen und in der Musik in fast unüberschaubarem Maß thematisiert. Über die Biologie des Kuckucks rätselten die Menschen aber Jahrhunderte lang. So glaubte man aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit mit dem Sperber, der Kuckuck verwandle sich im Spätsommer in diesen Greifvogel und erklärte sich damit sein jährliches Verschwinden.
Der griechische Philosoph und Naturwissenschaftler Aristoteles referiert diese Ansicht - allerdings mit erheblichen Zweifeln - und auch der römische Naturwissenschaftler Plinius der Ältere greift sie auf. In den Zeiten, in denen man von dem Vogelzug noch nichts wusste, musste man erklären, wo die im Sommer beobachteten Vögel geblieben waren.
Noch Goethe diskutierte mit Eckermann am 8. Oktober 1827 dieses Phänomen: "Es gab eine Zeit", sagt Goethe, "wo das Studium der Naturgeschichte noch so weit zurück war, dass man die Meinung allgemein verbreitet fand, der Kuckuck sei nur im Sommer ein Kuckuck, im Winter aber ein Raubvogel." - "Diese Ansicht", erwidert Eckermann, "existiert im Volke auch jetzt noch."
Die Naturkunde hat sich schon früh und sehr intensiv mit dem Kuckuck beschäftigt. In allen Werken geht es dabei fast immer um die zwei hervorstechendsten Eigenschaften des Frühlingsboten: um seinen Ruf und um seine einmalige Fortpflanzungsweise. Dass der Kuckuck nicht selber Nester baut, sondern seine Eier in die Nester anderer Vögel legt und seine Jungen von diesen aufziehen lässt, weiß schon Aristoteles und beruft sich dabei auf direkte Beobachtungen. Als Wirtsvögel nennt er die Ringeltaube, eine Spötter- oder Grasmückenart, die Feldlerche und den Grünfink.
Auch dass der junge Kuckuck die Jungen seiner Wirtseltern aus dem Nest wirft, berichtet Aristoteles. Der antike Philosoph macht sich Gedanken über den Grund für das merkwürdige Brutverhalten: Er hält den Kuckuck für äußerst feige, weswegen er seine Jungen nicht verteidigen könne; das sei dem Vogel auch selbst bewusst und deswegen überlasse er die Aufzucht seiner Jungen anderen Vögeln. Plinius berichtet, dass der Kuckuck, ähnlich wie der Uhu, von anderen, auch von kleineren, Vögeln angegriffen werde, deswegen glaube der Vogel, er könne seine Nachkommenschaft nur durch Betrug sichern.
Ausführlich mit dieser Frage befasst sich im 18. Jahrhundert der Ornithologe Johann Heinrich Zorn (1698-1748), der protestantischer Pfarrer in der mittelfränkischen Grafschaft Pappenheim war. Zu seiner Zeit herrschte die Meinung, aufgrund der Beschaffenheit seines Körpers sei der Kuckuck zum Brüten nicht geeignet oder er könne zur Brutzeit nicht genügend geeignete Nahrung für seine Jungen herbeischaffen. Beide Ansichten widerlegt Zorn und schlägt stattdessen als Begründung den Charakter des männlichen Kuckucks vor, der immer hinter anderen Weibchen her und deswegen zu einer dauerhaften Paarbindung nicht bereit sei.
Seit den verschiedenen Filmaufnahmen, die in unserer Zeit gemacht wurden, wissen wir sehr genau, wie der junge Kuckuck es anstellt, dass er der einzige Zögling seiner Wirtseltern wird: Er wirft die Eier und Jungen der potentiellen Futterkonkurrenten aus dem Nest, indem er sie sich auf den Rücken lädt, sich an dem Nestrand hochstemmt und sie dann aus dem Nest stößt. Diesen Vorgang hat schon der englische Ornithologe Edward Jenner im Jahr 1787 beobachtet und beschrieben. Er entdeckte darüber hinaus, dass der junge Kuckuck in diesem Entwicklungsstadium, im Gegensatz zu allen anderen Jungvögeln, eine Kuhle in seinem Rücken hat, die für die Aufnahme der hinauszuwerfenden Opfer geradezu geschaffen scheint.
Das Familienleben des Kuckucks beschreibt im 19. Jahrhundert "Tiervater" Alfred Brehm in seiner gewohnt drastischen Art: "Während nun diese (die Männchen, Anm. d. Verf.) ein immerhin umgrenztes Gebiet behaupten und in der angegebenen Weise sich umhertreiben, achtet das Weibchen derartige Grenzen nicht, sondern schweift im Laufe des ganzen Sommers, beziehentlich so lange seine Legezeit währt, regellos durch verschiedene Gebiete der Männchen, bindet sich an keines von diesen, gibt sich vielmehr allen hin, welche ihm genehm sind, lässt sich nicht suchen, sondern zieht seinerseits auf Liebesabenteuer aus, und kümmert sich, nachdem seine Wünsche Befriedigung fanden, nicht mehr um den Liebhaber, welchen es eben begünstigt hatte. ... Diese Ungebundenheit und Unstätigkeit des Weibchens erklärt nach meinem Dafürhalten gewisse bis jetzt noch räthselhafte Vorkommnisse beim Legen der Eier auf das einfachste und befriedigendste."
Es sei "die Pflicht jedes vernünftigen Menschen", fährt Brehm fort, "dem Walde seinen Hüter, uns den Herold des Frühlings zu lassen, ihn zu schützen und zu pflegen, so viel wir dies im Stande sind, und blindem Wahne, dass dieser Vogel uns jemals Schaden bringen könnte, entgegenzutreten, wo, wann und gegen wen es immer sei.
Der Kuckuck im Volksglauben
Die schon erwähnte Popularität des Kuckucks drückt sich besonders im Volksglauben aus, wobei dieser sich an den unterschiedlichen Merkmalen des Vogels orientiert. So schrieb man ihm prophetische Kräfte zu. An der Anzahl seiner Rufe las man ab, wie viele Jahre man noch bis zur Hochzeit warten musste bzw. wie lange man noch zu leben hat, wie es in der folgenden Volksliedstrophe beschrieben ist:
Kuckuck über den Stock! / Wann krieg ich meinen Brautrock?
Kuckuck über den Hügel! / Wann krieg ich meinen Sterbekittel?
Nur um die noch verbleibenden Lebensjahre geht es in dem Volkslied "Ein Schäfermädchen weidete":
Sie setzte sich ins grüne Gras / Und sprach gedankenvoll:
Ich will doch einmal seh´n zum Spaß, / Wie lang´ ich leben soll.
Wohl bis zu hundert zählte sie, / Indes der Kuckuck immer schrie:
Kuckuck, Kuckuck, Kuckuck, Kuckuck.
Das älteste Zeugnis für diesen Glauben stammt aus dem 13. Jahrhundert: Caesarius von Heisterbach erzählt von einem Konvertiten, der, da er die Absicht hatte, Mönch zu werden, den Kuckuck nach der noch bleibenden Zahl seiner Jahre fragte. Als der Kuckuck 22 mal rief, besann er sich eines anderen, weil er sich nicht so lange kasteien wollte. Zwanzig Jahre wollte er noch das Leben genießen, um anschließend zwei Jahre Buße zu tun. Er starb aber bereits nach 20 Jahren, konnte seine Sünden also nicht mehr büßen und bewies mit seinem Schicksal gleichzeitig, dass man dem gottlosen Orakel nicht trauen könne.
Der Kuckuck in Redewendungen
Der oder die hört den Kuckuck nicht mehr rufen will sagen, dass die betreffende Person das nächste Frühjahr nicht mehr erleben wird. Mit dem Ausspruch Da hat er mir ein Kuckucksei ins Nest gelegt drückt man aus: Er hat mir ein zweifelhaftes Geschenk gemacht. Ein Kuckucksei nennt man das Kind eines anderen Vaters, das mit großgezogen werden muss. Wie der Kuckuck seine Eier in fremde Nester legen bedeutet sich vor etwas Unangenehmem drücken und es anderen zuschieben.
Du undankbarer Kuckuck sagt man zu Kindern, die ihren Eltern oder Erziehern gegenüber undankbar sind. In dieselbe Richtung geht der Ausdruck "Kuckucks Dank". Diese Bedeutung hat die Wendung schon in dem lateinischen Sprichwort: eandem mihi gratiam refers ut cuculus currucae (Du dankst mir so wie der Kuckuck der Grasmücke).
Seit dem 16. Jahrhundert bringt man den Kuckuck mit dem Teufel in Verbindung. Vielerorts sieht man in ihm auch den Teufel selbst. So kommt es, dass man oft vom Kuckuck spricht, wenn man den Teufel meint, sich aber vor dessen Nennung scheut: Der Kuckuck soll dich holen. Zum Kuckuck. Alles ist zum Kuckuck. Der Kuckuck ist los. In des Kuckucks Namen. Scher dich zum Kuckuck. Sich den Kuckuck um etwas scheren. Einen Laien unter Fachleuten nennt man Kuckuck unter Nachtigallen und mit dem alten Kuckucksgesang meint man die ständige Wiederholung schon bekannter Ausführungen.
Der Kuckuck in Volksliedern
Allein in der Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" finden sich sechs Lieder, die sich mit dem Kuckuck beschäftigen. Dabei taucht der Kuckuck auch in erotischen Situationen auf, wie in dem folgenden Gedicht, in dem der Liebhaber unter dem Gewand des Kuckucks erscheint:
Kukuk
Der Kukuk auf dem Birnbaum saß,
Kukuk, es mag schneien oder regnen, so wird er nicht nass.
Der Kukuk rief, wird nass.
Der Kukuk fliegt übers Nachbar sein Haus,
Kukuk, schön Schätzel, bist drinnen, komm zu mir heraus,
Der Kukuk, der Kukuk ist draus.
Ich steh dir nicht auf und lass dich nicht rein,
Kukuk, du möchst mir der rechte kukuk nicht seyn,
Der Kukuk, der Kukuk nicht seyn.
Der rechte Kukuk der bin ich ja schon,
Kukuk, bin ich doch meines Vaters sein einziger Sohn,
Des Kukuk, des Kukuk sein Sohn.
Sein einziger Sohn der bin ich ja schon.
Kukuk, zieh nur beim Schnürlein,
Geh rein zum Thürlein,
Geh selber herein,
Der Kukuk ist mein.
Auch in dem Lied "Warnung" aus derselben Sammlung erscheint der Liebhaber in der Gestalt des Kuckucks. Ein anderes Lied beschreibt das beliebte Motiv des Sangeswettstreits, in diesem Fall zwischen dem Kuckuck und der Nachtigall. Die Nachtigall macht dabei den Fehler, dem Kuckuck die Wahl des Kampfrichters zu überlassen. Der wählt den Esel. Dass dieser dann den Kuckuck zum Sieger erklärt, versteht sich von selbst. Dieses Gedicht wurde von Gustav Mahler im Jahr 1892 vertont. Seine letzte Strophe lautet:
Wohl sungen hast du Nachtigal,
Aber Kukuk singst gut Choral,
Und hältst den Takt fein innen;
Das sprech ich nach mein hohen Verstand,
Und kostets gleich ein ganzes Land,
So lass ich dichs gewinnen.
Auf die Vielweiberei - der beim Kuckuck eine Vielmännerei entspricht - spielt das folgende Gedicht an:
Lied des abgesetzten Sultan Selim im alten Serail, nachdem er sich der Kunst gewidmet
Der Guguck ist ein braver Mann,
Der sieben Weiber brauchen kann;
Die erste kehrt die Stube aus,
Die zweite wirft den Unflath ´naus;
Die dritte nimmt den Flederwisch,
Und kehrt des Guckuck seinen Tisch;
Die vierte bringt ihm Brod und Wein.
Die fünfte schenkt ihm fleißig ein;
Die sechste macht sein Bettlein warm,
Die siebente schläft in seinem Arm.
Auch außerhalb von "Des Knaben Wunderhorn" finden sich zahlreiche Lieder, die den Kuckuck zum Thema haben, insbesondere, wenn es um den Kuckuck als Frühlingsboten geht. Allbekannt sind die Kinderlieder Hoffmanns von Fallersleben: "Kuckuck, Kuckuck, ruft´s aus dem Wald" und "Der Kuckuck und der Esel". In zahlreichen weiteren Gedichten des Dichters unserer Nationalhymne finden wir den Kuckuck.
Der Kuckuck in Gedichten und in der Musik
In den verschiedensten Funktionen taucht er in Gedichten von Walther von der Vogelweide bis zu Walter Helmut Fritz, besonders zahlreich bei Ernst Moritz Arndt und Hermann Löns, auf.
Christian Fürchtegott Gellert lässt ihn zusammen mit dem Star in einer gereimten Fabel auftreten: Der Kuckuck befragt den aus der Stadt Zurückgekehrten, was denn die Leute so über den Gesang der Vögel sprächen. Der Star berichtet von der Nachtigall, die man am meisten schätze, dann von der Lerche, die an zweiter Stelle käme, und schließlich von der Amsel, die man auch hie und da lobe. Unruhig fragt der Kuckuck nach seiner eigenen Wertschätzung. "Keine Seele red´t von dir", ist die Antwort des Stars. Die gekränkte Eitelkeit reagiert so: "So will ich", fuhr er fort, "mich an dem Undank rächen / Und ewig von mir selber sprechen."
Beim Tonabstand zwischen den beiden Elementen des Kuckucksrufs handelt es sich in der Regel um eine kleine Terz, zum Beispiel f-d oder e-cis. Die Intervalle können aber auch größer sein und bis zur Quinte gehen. Beethoven gibt den Kukucksruf am Ende des zweiten Satzes seiner sechsten Sinfonie, der Pastorale, mit einer großen Terz wieder, der Ruf ist dort für die B-Klarinette mit den Tönen e-c gesetzt, er klingt also wie d-b. Camille Saint-Saens wählt in dem 9. Stück seines "Le carnaval des animaux" zur Wiedergabe der Kuckuckslaute zwei tiefere Töne als Beethoven (c-as).
Auch schon vor Beethoven fand der Kuckucksruf häufig Eingang in die Musik, auch bei Vivaldi und Mozart. Als Beispiel sei nur die "Sonata Cucù" von Johann Heinrich Schmelzer (ca. 1623-1680) genannt, der den Ruf mit den Tönen e-c notiert.
Karl Wilhelm Beichert
Literatur
- ARISTOTLE: HISTORY OF ANIMALS, Books 1-10, Loeb Classical Library (1965), London.
- BREHM, A. E. (1879): BREHMS TIERLEBEN, ALLGEMEINE KUNDE DES THIERREICHS, zweite Abtheilung - Vögel, erster Band. Leipzig.
- GATTIKER, E. und L. (1989): DIE VÖGEL IM VOLKSGLAUBEN. Wiesbaden.
- GAUGLER, A. (Auswahl und Zusammenstellung) (1998): IM ZAUBERREICH DER TIERE, LIEDER, GEDICHTE UND ERZÄHLUNGEN AUS ALTER ZEIT, Stuttgart.
- HAFFER, J.: ALTMEISTER DER FELD-ORNITHOLOGIE IN DEUTSCHLAND; in: Blätter aus dem Naumann-Museum 25, 2006, S. 1-55 .
- NAUMANN (O.J.;1900?): NATURGESCHICHTE DER VÖGEL MITTELEUROPAS, herausgegeben von C. HENNICKE, IV. Band. Gera-Untermhaus.
- PLINIUS SECUNDUS, C. (1986) : NATURALIS HISTORIAE LIBRI XXXVII, Liber X. Darmstadt
- RÖHRICH,L. (1994): LEXIKON DER SPRICHWÖRTLICHEN REDENSARTEN, Freiburg, Basel, Wien.
- VOIGT,A. (1996, Reprint von 1961): EXKURSIONSBUCH ZUM STUDIUM DER VOGELSTIMMEN, Heidelberg.