Jedes Jahr werden über 25 Millionen Zugvögel im Mittelmeerraum gefangen oder getötet. Mit einer Zugvogel-Patenschaft leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Zugvögel.
Jetzt Informieren!„Viel Emsigkeit und Muth“
Ansichten über den Turmfalken von der Antike bis zum 19. Jahrhundert
"Der Kirchenfalk ist ein ziemlich ansehnlicher Vogel mit lebhaften Augen, einem durchdringenden Blick, auch einem leichten und sichern Flug. In seiner Lebensart bezeigt er viel Emsigkeit und Muth. Seine Gemüthsart nähert sich den edeln und großmüthigen Vögeln." Mit diesen lobenden Worten beschreibt Jean Louis Leclerc de Buffon Mitte des 18. Jahrhunderts den Turmfalken.
Mit ähnlicher Sympathie betrachten die meisten Autoren der Vergangenheit diesen Greifvogel, so auch Conrad Gesner Mitte des 16. Jahrhunderts. Wer aber den Turmfalken in Gesners 1669 neu aufgelegtem Vogelbuch sucht, wird ihn unter diesem Namen nicht finden. Erfolg dagegen verspricht ein Nachschlagen unter dem lateinischen Namen Tinnunculus oder unter der heute nicht mehr existierenden Bezeichnung "Wannenweher".
Vom "Wannenweher" zum Turmfalk
Die Geschichte dieses deutschen Namens ist noch nicht ganz geklärt, er lässt sich aber nach Suolahti als "wanoweh" und "wanewehe" bereits in althochhochdeutschen Handschriften des 11. und 12. Jahrhunderts nachweisen. Dabei scheint das Grundwort "weho" - vielleicht mit Weihe verwandt - ein alter Greifvogelname zu sein.
Dass das Bestimmungswort von Wannen abzuleiten ist, die man dem Turmfalken als Nisthilfe an Häusern aufgehängt hat, ist eher unwahrscheinlich, da diese Sitte laut Grimm wenig verbreitet war. In der Fachsprache der Falkner bedeuten Wannen bestimmte Flügelfedern eines Falken, woraus sich eine für sich selbst sprechende Erklärung aus dem Verhalten des Turmfalken ergäbe: Gemeint ist das Rütteln, das rüttelnde Verweilen an einem Punkt in der Luft, also das "Wehen mit den Flügeln". Unsere neuhochdeutsche Bezeichnung "Turmfalke" scheint eine Bildung des 18. Jahrhunderts zu sein.
Weniger kompliziert ist der wissenschaftliche Name des Jahresvogels, also Falco tinnunculus. Das erste Wort bedeutet schon im Lateinischen Falke, ist dort abgeleitet von "falx", Sichel, und bezieht sich ursprünglich auf die krummen Krallen. "Tinnunculus" ist von dem lautmalenden Verb "tinnire" hergeleitet und bezieht sich auf Lautäußerungen des Turmfalken.
Unter allen Greifen die fruchtbarsten
Der Züricher Arzt und Zoologe Konrad Gesner (1516-1565) führt in seinem Vogelbuch neben wenigen eigenen Beobachtungen Stellen aus Aristoteles, Columella, Plinius, Aelian und Turner an. Er selbst weiß von der Häufigkeit des Turmfalken in seiner Heimat Schweiz, von der Ähnlichkeit seines Magens mit einem Kropf, von seinem Wohnort in der Nähe der Menschen, von seinem Nistplatz in Türmen und hohen Gebäuden, in hohlen Bäumen und in Mauern von Kirchen, ebenso von der Länge der Zeit, in der er seine Jungen ernährt, und von seiner Beliebtheit bei Menschen, weil er keinen Schaden anrichtet, dagegen durch das Vertilgen der Mäuse nützlich ist.
Aus der "Geschichte der Tiere" (Historia Animalium) des altgriechischen Philosophen und Naturforschers Aristoteles übernimmt Gesner die Erkenntnis, dass Turmfalken anders als andere Greifvögel zwar trinken, aber doch wenig, und dass sie unter allen Greifvögeln die fruchtbarsten sind.
Von dem römischen Agrarschriftsteller Columella (um 60 nach Christus) kennt Gesner ein altes Rezept, um Haustauben daran zu hindern, dass sie ihren Stall verlassen: "Oft nistet in Gebäuden eine Art Habicht - die Bauern nennen ihn titiunculus. Von den Jungen dieses Vogels stecken die Bauern je eines in einen Tontopf, verschließen ihn mit einem Deckel, solange der Vogel noch atmet, verkitten ihn mit Gips und setzen die Töpfe dann unter die Ecken des Taubenhauses. Dies weckt in den Tauben eine solche Anhänglichkeit an ihren Wohnort, dass sie ihn niemals verlassen." Ob das so stimmt, sei dahingestellt.
Turmfalken als Briefboten
Columellas Zeitgenosse, der römische Naturschriftsteller Plinius der Ältere, äußert sich im Anschluss an Aristoteles über die Fruchtbarkeit: "Die Natur hat vorsorglich für die Gattung der Vögel die Einrichtung getroffen, dass diejenigen, die fliehen müssen, fruchtbarer sind als die, die sich tapfer verteidigen können." Schließlich weiß Plinius noch von dem Brauch, Turmfalken wie Brieftauben als Boten zu benutzen, und nennt auch ein berühmtes Beispiel: Als Decimus Brutus während der römischen Bürgerkriege von Marcus Antonius in der Stadt Mutina eingeschlossen gewesen sei, habe er die Nachrichtensperre auf diese Weise überwunden.
Aelian schließlich, ein griechisch schreibender Schriftsteller des 2./3. nachchristlichen Jahrhunderts ("Über die Eigenheiten der Tiere"), beschreibt die heftige Liebe, die der Terzel für sein Weibchen empfindet: "Wenn das Weibchen seinen Gatten einmal unversehens verlässt, ist das Männchen todunglücklich und jammert, und es gleicht dabei aufs Haar einem unglücklich liebenden Menschen." Auch als Lehrmeister der menschlicher Ärzte kennt Aelian den Falken: Wenn des Falken Sehkraft nachlasse, pflücke er wilden Salat, drücke ihn über seinen Augen aus und gewinne auf diese Weise seine Sehkraft zurück. Die Menschen, die sich diese Beobachtung zunutze gemacht hätten, scheuten sich nicht, "Schüler der Vögel" genannt zu werden.
Diskussion um die Nützlichkeit
Noch in dem ersten Vogelbuch, das ich als Kind geschenkt bekam, einem Sammelbilderalbum, stand unter dem Bild zu jedem Vogel eine Abwägung des Nutzens gegenüber dem Schaden, den der jeweilige Vogel anrichtet. Für den Turmfalken findet man dort ein Verhältnis des Nutzens zum Schaden von 22 zu 5. Um diese prinzipielle "Nützlichkeit" des Turmfalken zu erkennen, bedurfte es im 19. Jahrhundert einer heftigen Diskussion. Grundsätzlich galten alle Greifvögel als bekämpfenswert. Eines der Argumente dafür war auch die Tatsache, dass sie auf andere Vögel Jagd machen.
Als Beispiel sei der von Brehm angeführte Otto von Krieger angeführt, der dem Turmfalken unerbittlich nachstellte, weil der nach eigenen Beobachtungen Lerchen, Bachstelzen und Rotkehlchen an seine Jungen verfütterte. Brehm bezeichnet Krieger deswegen als "jagd- und mordlustigen Schützen", der unter Naturforschern wohl kaum Anhänger finden werde.
Schon Friedrich Naumann, Vater der deutschen wissenschaftlichen Ornithologie, bezeichnet den Turmfalken als "sehr nützlich". Eugen von Homeyer führt dazu aus: "Die Röthelfalken gehören zu den allernützlichsten Vögeln, indem ihre Nahrung ausschließlich aus Mäusen, Käfern, Libellen, Heuschrecken etc. besteht. So viel ich mich im Freien bewegt und so oft ich unseren Thurmfalken beobachtet, habe ich noch nie gesehen, dass derselbe einen Vogel gefangen, ja verfolgt hat."
Seit 1888 unter besonderem Schutz
Das Freund-Feind-Denken wurde aber bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überwunden, als mit den ersten ökologischen Vogelschützern die Abkehr vom überkommenen Nützlichkeitsprinzip vollzogen wurde. Karl Theodor Liebe, 1878 Begründer des "Deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt", formuliert das neue Prinzip so: "Nützlich sowohl als schädlich ist von Haus aus kein Tier; ein jedes hat in dem großen Haushalt der Natur seinen Platz angewiesen erhalten, auf dem es sich seines Daseins freut und zur Erhaltung des großen, schönen Ganzen beiträgt. Da wirken auch die Räuber und Zerstörer durch ihre Tätigkeit nur zum Besten des Ganzen, indem sie in ihrer Weise die Harmonie des Ganzen erhalten und bewahren."
Dennoch wurde im Reichsvogelschutzgesetz vom 22. März 1888 als einziger Greifvogel der als Mäusejäger geschätzte Turmfalke mit unter Schutz gestellt. Zudem waren gesetzlicher Schutz und dessen konsequente Umsetzung lange zweierlei. Noch 1928 schimpft der Greifvogelfachmann Engelmann: "Es ist eine Kulturschande, daß dieses ebenso schöne wie überaus nützliche Fälkchen alljährlich zu Tausenden niedergeknallt, in Pfahleisen zermartert oder sonst umgebracht wird."
Poetisches zum Turmfalken
In der Belletristik finden sich nur vereinzelt Ausführungen zum Turmfalken. In einem enzyklopädischen Gedicht über die Namen, die Art und die Natur aller Vögel aus dem Jahr 1554 stehen die folgenden Verse (wieder abgedruckt in Suolahti):
Mit disen voglen ist auch hie
Der schnel und schreiend Wannen wyh.
Dieser nistet in den hulen,
Desgleichen thunt auch die Dulen.
In modernem Deutsch: "Mit den bisher genannten Vögeln kommt auch der Turmfalke herbei. Er nistet in den Höhlen, wie es auch die Dohlen tun." Und in einem an gleicher Stelle abgedruckten Gedicht von Hans Sachs finden wir die folgenden zwei Verse:
Rötelgeyer mit dem schaffickel
Thet sich mich hader sehr einwickeln.
Also "Der Turmfalke verstrickt sich in Streit mit dem Schaffickel". Mit "Schaffickel" ist auch eine Vogelart gemeint. Welche, ist nicht ganz klar. Es könnte sich aber um eine Eule oder um einen Kauz handeln.
Um auch ein Beispiel aus unserer Zeit anzuführen, seien noch ein paar Verse aus Eugen Roths "Großem Tierleben" zitiert:
Es haust in hohem Felsenkalke
Der Mauer-Mäuse-Rüttelfalke.
Als Turmfalk lebt er auch in Türmen
Und nährt sich notfalls von Gewürmen.
Er zählt"s zu seinen Vaterpflichten,
Die Jungen früh zu unterrichten:
Es will gelernt sein das Gerüttel.
Karl Wilhelm Beichert
Zitierte Literatur
- Älian (1985): Die tanzenden Pferde von Sybaris - Tiergeschichten, Leipzig.
- Aristotle: History of animals, Books 1-10. - Loeb Classical Library (1965), London.
- Alfred E. Brehm (1878): Die Vögel, Band 1-3 - 1. Band, Leipzig.
- Lucius Iunius Moderatus Columella (1982): Zwölf Bücher über Landwirtschaft, München und Zürich.
- Herrn von Buffons (1771): Naturgeschichte der Vögel. - Aus dem Französischen durch Christian Bernhard Otto, Berlin.
- Fritz Engelmann (1928, Reprint 1997): Die Raubvögel Europas; Naturgeschichte, Kulturgeschichte und Falknerei, Melsungen, Wiesbaden.
- Conrad Gesner: Vogelbuch - Hrsg. G. Horst (1669), Frankfurt a.M.
- Jacob und Wilhelm Grimm (1922): Deutsches Wörterbuch, Band 14 und Band 27. - Fotomechanischer Nachdruck 1991, Gütersloh.
- Marcus zum Lamm: Die Vogelbücher aus dem Thesaurus Picturarum. - Hrsg. R.K. Kinzelbach und J. Hölzinger (2000), Stuttgart.
- Friedrich Naumann (1899): Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, Band 1-12. - V. Band (Raubvögel), Gera-Untermhaus.
- Eugen Roth (1948/49): Großes Tierleben. - Neuausgabe 2006, Hamburg.
- C. Plinius Secundus (1986): Naturalis Historiae Libri XXXVII. - Band X, München und Zürich.
- Erwin Stresemann (1951, Reprint 1996): Die Entwicklung der Ornithologie. - Wiesbaden.
- Hugo Suolahti (2000): Die deutschen Vogelnamen, eine wortgeschichtliche Untersuchung. - Berlin und New York, 2. Aufl.
Mehr zum Turmfalken
Man muss kein Vogelkundler sein, um auf ihn aufmerksam zu werden: Über dem Feld oder einer Straßenböschung „rüttelt“ der schlanke Vogel am Himmel – mit raschem Flügelschlag und breit gefächertem Schwanz steht er punktgenau in der Luft. Seine Aufmerksamkeit gilt meist einer Wühlmaus. Mehr →
Der Turmfalke jagt und erbeutet auch Vögel am Boden, im Nest und manchmal auch im Flug. Wegen der geringen Stoßgeschwindigkeit hat die Flugjagd allerdings wenig Bedeutung. Trotzdem versucht er es bei kleineren und mittelgroßen Vögeln wie Schwalben, Staren, Amseln, Finken und Spatzen immer wieder. Mehr →