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Jetzt Informieren!Rüttelnd in der Luft
Der Turmfalke ist Vogel des Jahres 2007
Lässt er sich blitzschnell zu Boden fallen, ist er in etwa einem von fünf Fällen erfolgreich - je nach Mäusejahr und persönlicher Geschicklichkeit. Weicht die Beute aus, wird abgebremst und erneut - jetzt niedriger über dem Boden - gerüttelt. Schon aus größerer Entfernung macht diese Jagdtechnik den Turmfalken unverwechselbar. Zwar versuchen sich bei günstigem Gegenwind manchmal auch Bussarde am Rüttelflug, doch keiner beherrscht diese Flug- und Fangtechnik so perfekt wie er.
Jeder siebte Falke ist Deutscher
Der Rüttelkünstler nutzt aber auch Techniken, die weniger energieaufwändig sind. In mäusearmen Jahren und besonders im Winter, wenn das Nahrungsangebot schmaler geworden ist, sieht man ihn oft von einer Sitzwarte aus nach Beute Ausschau halten. Von dort ist die Jagd zwar seltener erfolgreich, doch dafür stellt sich auch der Hunger erst später wieder ein. Mit dem Wechsel seiner Jagdtechnik optimiert der Turmfalke folglich seinen Energieaufwand.
Nach dem Mäusebussard ist der Turmfalke der häufigste Greifvogel in Mitteleuropa. Sein ausgedehntes Brutgebiet reicht von der nördlichen Taiga bis an den Rand der Sahara. Deutschland zählt zu seinen Verbreitungsschwerpunkten. Hier sind rund 50.000 der 350.000 europäischen Turmfalkenpaare zu Hause. Wir tragen darum eine besondere Verantwortung für ihren Fortbestand.
Vielfalt bevorzugt
Für NABU und LBV war das einer der Gründe, diesen faszinierenden Greifvogel zum Vogel des Jahres 2007 zu wählen. Nach dem Wanderfalken, der 1971 erster bundesweiter Jahresvogel überhaupt wurde, und dem Rotmilan 2000 war der Turmfalke der dritte gekürte Greif. Seine Bestände haben sich in den letzten 30 Jahren recht unterschiedlich entwickelt. Während sie in manchen Regionen weitgehend stabil geblieben sind, verzeichnen ehemals kleinbäuerlich strukturierte Gegenden wie etwa in Baden-Württemberg einen deutlichen Rückgang der Turmfalken.
Turmfalken sind recht anpassungsfähig und dadurch in unterschiedlichen Landschaften zu finden. Doch generell meiden sie sowohl dichte, geschlossene Wälder ebenso wie völlig baumlose Gebiete. Je vielfältiger also unsere Kulturlandschaft gestaltet ist, desto häufiger sind sie anzutreffen: Wo Feldgehölze die Landschaft gliedern, Wiesen und Weiden noch traditionell genutzt werden, wo am Ackerrand ein blühender Saum zu finden ist, und nicht Pflanzen- und Insektenschutzmittel bereits jegliche Vielfalt erfolgreich bekämpft haben, dort findet auch der Turmfalke alles was er braucht.
Landfalken und Stadtfalken
Zum Jagen ist er auf freie Flächen mit niedrigem Bewuchs angewiesen. Einen geradezu idealen Lebensraum bieten ihm Streuobstwiesen. Hier, oder an benachbarten Waldrändern, bezieht er gerne Quartier in ausgedienten Krähen- oder Elsternnestern. Gegenüber einem Brutplatz in der Stadt erspart ihm das längere Flugstrecken - was besonders dem Nachwuchs zugute kommt. So müssen die im Turm der Münchener Frauenkirche brütenden Turmfalken pro Maus mindestens sechs Flugkilometer zurücklegen. Wem das zu weit ist, der versucht sich öfters an der Jagd auf Spatzen oder andere Kleinvögel. In größeren Städten sind diese etwas häufiger auf dem Speisezettel der Falken zu finden als auf dem Lande, ebenso in schlechten Mäusejahren.
Schon im ersten Lebensjahr werden Turmfalken geschlechtsreif. Bei eindrucksvollen Flugspielen, begleitet von intensiven Rufreihen, finden die Paare zusammen. Da sie kein eigenes Nest bauen, sind Brutplätze rar und oft hart umkämpft. Heutzutage werden meist die Kunstfelsen der menschlichen Zivilisation besiedelt, also offene Nischen oder Löcher an Gebäuden. Einem erfolgreich bezogenen Quartier bleiben sie dann oft jahrelang treu. Zwischen Mitte April und Mitte Mai legt das Weibchen meist fünf oder sechs Eier. Während es rund vier Wochen brütet - und auch in der frühen Nestlingsphase der Jungen - schafft allein das Männchen die Nahrung herbei. Wiederum einen Monat nachdem die Küken geschlüpft sind, schwingt sich auch die neue Generation in die Lüfte.
Wintergäste aus dem Norden
Es sind nicht immer dieselben Vögel, die wir im Laufe eines Jahres bei Spaziergängen über die Felder zu sehen bekommen. Anhand von Ringfunden weiß man, dass Turmfalken sowohl Stand- als auch Zugvögel sein können. Ihr Zugverhalten ist im Wesentlichen vom Nahrungsangebot abhängig. Turmfalken aus Skandinavien und dem Nordosten Europas verlassen zum Ende des Sommers ihre Brutgebiete und sind dann auch bei uns zu Gast. Viele der nordischen Vögel ziehen aber auch über die hier Sesshaften hinweg in südlichere Gefilde.
In Deutschland sind Turmfalken entweder Standvögel, die das ganze Jahr hindurch am Ort verbleiben, oder aber Teilzieher, bei denen nur ein Teil der lokalen Population Wanderbewegungen durchführt. Solche Vögel verlassen uns ab September in klimatisch günstigere Gebiete, um zwischen Februar und Anfang April wieder zurückzukehren. Am stärksten ausgeprägt ist die Wanderneigung ist bei Jungvögeln, die sich ein neues Revier suchen müssen. In Städten überwintern am ehesten ältere Falkenmännchen.
Wohnungsnot beheben
Wie können wir Turmfalken helfen? Während wir ihnen das Leben zunehmend erschwert haben, machen sie es uns in diesem Punkt recht einfach. Denn meist herrscht schlicht und einfach Wohnungsnot, wenn Zugänge an Kirchtürmen verriegelt oder Altbauten bei Sanierungsarbeiten hermetisch verschlossen wurden. In solchen Fällen nehmen Turmfalken sehr gerne passende Nistkästen an. Da die Kästen den Jungvögeln die größte Sicherheit bieten, ist hier auch der Bruterfolg am höchsten.
Das Anbringen spezieller Turmfalkenkästen an Kirchen und anderen höheren Gebäuden zählt daher zu den effektivsten Hilfsmaßnahmen, die sich im Jahr des Turmfalken keine NABU-Gruppe entgehen lassen sollte. Nehmen Sie darum Kontakt mit Kirchengemeinden auf, um an geeigneten Stellen neue Brutmöglichkeiten zu schaffen - vielleicht auch gleich für andere schutzbedürftige Kirchenbesucher wie die Schleiereule oder Fledermäuse. Nutzen Sie den Turmfalken als einen "Türöffner" für Ihr Engagement im Artenschutz!
Sitzkrücken als Jagdhilfe
Auch was die Nahrung betrifft, kann Turmfalken schon mit einfachen Mitteln geholfen werden. Untersuchungen zeigen, dass für die Ernährungssituation meist die Erreichbarkeit der Beute entscheidend ist. Wo aber Sitzwarten in der Feldflur fehlen, sind die Vögel allein auf die kräftezehrende Flugjagd angewiesen. Mit einfach konstruierten "Sitzkrücken", die über eine größere Fläche verteilt errichtet werden, lassen sich auch strukturarme Ackerlandschaften als Jagdgebiet für Turmfalken erschließen. Besonders im Winter lässt sich beobachten, wie gerne solche Hilfen - übrigens nicht nur von Turmfalken - angenommen werden.
Doch entscheidend für die Zukunft der Falken wie auch anderer Vögel in der Agrarlandschaft wird sein, dass Äcker, Wiesen und Weideland künftig wieder naturverträglicher bewirtschaftet werden. Hier fordert der NABU eine Trendumkehr, die konsequent solche Nutzungsformen fördert, bei denen die Naturvielfalt erhalten bleibt. Konkret heißt dies nicht zuletzt: Für Landwirte muss es sich lohnen, auch Natur- und Umweltleistungen zu erbringen.
Markus Nipkow
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