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Der Uhu war in früheren Zeiten nicht sehr beliebt
Den Uhu kennt jeder, zumindest aus dem Kinderlied "Die Vogelhochzeit": "Der Uhu, der Uhu, der macht die Fensterläden zu." Aber kaum jemand hat ihn je in freier Natur gesehen oder gehört. In welchem Umfang er in der Vergangenheit vorkam, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Zur Zeit vergrößert sich sein Bestand aber wieder, eine Erfolgsgeschichte des Naturschutzes nach Jahrhunderten der Verfolgung, die vielerorts mit der Ausrottung endete. In Niedersachsen wurde das Weibchen des letzten Uhupaares 1937 bei Osterode im Harz geschossen, das dazu gehörige Männchen lebte noch bis 1965.
Gern gesehen wurde die größte bei uns vorkommende Eule früher nicht. Wegen seiner nächtlichen Lebensweise galt der Uhu als Vogel der Unterwelt, als Trauer- und Totenvogel. Sein Erscheinen bedeutete Krieg, Hungersnot, Krankheit und Tod. So bei den abergläubischen und von der Vogelschau überzeugten Römern, bei denen mehrmals, nachdem sich ein Uhu gezeigt hatte, die Stadt entsühnt werden musste. Diese Einschätzung kommt auch im vierten Buch von Vergils "Aeneis" zum Ausdruck, an der Stelle, wo die karthagische Königin Dido von Aeneas verlassen wird und sich zum Selbstmord entschließt: "Allein auf dem First des Tempels sitzend singt ein Uhu immer wieder sein Totenlied und stößt lange, weinende Rufe aus." [Übers. v. Verf.]
Zur Strafe Umwandlung in einen Uhu
Und Ovid erzählt im fünften Buch seiner Metamorphosen, wie der Frevler Ascalaphus zur Strafe in einen Uhu verwandelt wird: "Da seufzte die Königin des Erebus [der Unterwelt, Proserpina], verwandelte den Zeugen in einen unheiligen Vogel, besprengte ihm das Haupt mit Wasser vom Phlegeton [einem der Unterweltflüsse] und versah es mit einem Schnabel, Flaumfedern und großen Augen. Er verliert sein Wesen, wird in gelbbraune Flügel gehüllt, schwillt am Kopf an, die Nägel wachsen in die Länge und biegen sich zurück; kaum kann er die Federn, die ihm an den untätigen Augen wuchsen, bewegen. So wird er ein hässlicher Vogel, der Vorbote künftiger Trauer, der scheue Uhu, ein böses Vorzeichen für die Sterblichen."
Des Uhus in einsamer Nacht unheimlich klingender, in seinem Namen nachgebildeter Ruf soll der Auslöser für die Sage von dem wilden Jäger und dem wilden Heer gewesen sein. Aber auch rationalere Gründe gab es, dem diesjährigen Jahresvogel gram zu sein: Man hielt ihn, wie der Vater der deutschen Ornithologie, Friedrich Naumann, berichtet, für einen großen Jagdschädling. Junge Rehe und sogar Hirschkälber würden ihm zum Opfer fallen. "Eine unglaubliche Menge" von Hasen, Rebhühnern und anderem nutzbarem Wildbret schleppe das Männchen zur Versorgung des Weibchens und der Jungen herbei. Alfred Brehm berichtet von einem Bauern, der von den um einen Uhuhorst herumliegenden Fleischresten seine Familie wochenlang ernähren konnte. Deswegen wurde seine Verfolgung auch vom Staat gefördert: In manchen Ländern gab es nach Naumann 12 bis 16 Groschen für ein Paar abgelieferte Fänge.
Uhus als Lockvögel für die Krähenjagd
Darüber hinaus konnte ein Jäger einen lebenden Uhu ganz gut für die Jagd auf andere Vögel brauchen, insbesondere auf Krähen. Diese nämlich "hassen" den Uhu "von ganzem Herzen", und wenn er am Tag von ihnen erblickt wird, ist er Aggressionen und Angriffen ausgesetzt. Jäger setzten ihn deswegen auf einen Pflock und bauten in der Nähe eine "Krähenhütte", eine in die Erde eingegrabene Tarnvorrichtung, von der aus sie dann auf die Vögel schießen konnten, die zur Bekämpfung des Uhus herankamen. Dabei war es wichtig, den Uhu selbst sehen zu können, denn an seinen "Gebehrden und Posituren" (Naumann) konnte man schon erkennen, ob Greifvögel oder Krähen im Anzug waren.
Wie so etwas vonstatten ging, beschreibt der Journalist, Schriftsteller und Dichter Hermann Löns um 1900 in sehr schön in zwei Erzählungen: in "In der Krähenhütte" aus dem Sammelband "Mein grünes Buch" und in "Vor dem Uhu" aus "Ho Rüd"hoh". Als Vögel, die sich zum Hassen auf den Uhu einfanden, nennt Löns den Turmfalken, den Raubwürger, den Roten Milan, den Mäusebussard, den Eichelhäher und den Habicht, schließlich und in erster Linie Krähen, die eigentlichen Ziele der Unternehmung. Löns hatte eine solche Hütte, ein geräumiges, überdachtes Erdloch, in der Nähe des Steinhuder Meers. Bei den von ihm geschilderten Ansitzen fielen seinem Gewehr außer den Krähen auch Habichte zum Opfer. Woher er den Uhu hatte, den er vertraulich "Hans" nannte, erfahren wir leider nicht.
Für diesen Zweck der Krähenjagd benutzte man in aller Regel aus dem Nest geholte Junguhus, weil diese leichter an das Ausgestelltwerden zu gewöhnen waren. Von dieser Methode stammt auch die Redewendung "der Uhu auf der Krähenhütte sein", was bedeutet, sich in exponierter Stellung zu befinden und von allen Seiten angegriffen zu werden. Reichskanzler Bismarck gebrauchte den Ausdruck einmal von sich selbst, als er sich in Bedrängnis befand. Dabei war die Aushorstung der Uhujungen nicht immer einfach, sie wurden teilweise unter Lebensgefahr "aus den Spalten schroffer Felsen und alten Gemäuers" (Naumann) herausgeholt. Wenn man dabei "Stangen und Krätzer" (Zedlers Universallexikon von 1732) benutzen konnte, war es etwas einfacher.
Eiersammler und Abschussprämien für Uhus
Dass bei dieser Art von Verfolgung der Bestand des mächtigen Vogels nicht unbeeinträchtigt bleiben würde, hat schon Naumann 1818 vorausgesehen: "Dies ansehnliche Schießgeld und der hohe Preis, in welchem die Jungen stehen, sind auch die Ursache, dass die Anzahl der Uhus von Jahr zu Jahr vermindert wird, so dass wir sie in Deutschland bald unter die seltenen Vögel werden rechnen müssen." Für einen Junguhu bekam man nämlich in der Heimat Naumanns, in der Umgebung Köthens (Sachsen-Anhalt), den stolzen Preis von zehn Reichstalern. Im Schwäbischen bekam man 20 bis 30 Mark für ein Tier. Der "Vogelhans" von Lauffen an der Eyach war ein bekannter Uhulieferant. Einen schwunghaften Handel mit Uhus betrieb in Ulm der "Uhuschaible". Und die Tierfirma Mohr verkaufte im Jahr 1914 nicht weniger als 83 Uhujunge in alle Welt.
Dazu kamen die Eiersammler, denen es nicht nur um den Erwerb seltener Vogeleier ging, sondern viel trivialer auch um das Essen. Uhueier sind durchschnittlich sechs auf fünf Zentimeter groß. Ein Hauptlehrer namens Brodersen berichtet aus der Gegend von Urach: "Viele Fremde kamen und fragten in der Gegend nach den Nestern des Schuhu. Sie und Einheimische gingen in die Schuhueier." Der Lammwirt von Bietenhausen hat nach eigenen Aussagen in den 1880er Jahren öfter ein in der Nähe gelegenes Uhunest geplündert und die Eier in seiner Küche zubereitet.
Uhu-Gedichte von Brentano bis James Krüss
Auf frühere Häufigkeit deutet auch die Selbstverständlichkeit hin, mit der der Uhu in volkstümlichen Texten erwähnt wird, wenn davon vielleicht auch ein Teil seinem markanten Namen mit der doppelten Nennung des dunkelsten Vokals unserer Sprache geschuldet wird. Einige Beispiele seien hier zum Schluss aufgeführt. In der in Heidelberg zusammengestellten Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" von Achim von Arnim und Clemens Brentano findet sich ein Gedichtzyklus, in dem zu jedem Buchstaben des Alphabets ein Vogel mit der entsprechenden Initiale aufgeführt wird, und zum U eben der Uhu:
"Der Uhu sieht gar ernsthaft aus, als hätt er hoch studiert,
Geht nicht aus seiner Höl heraus, bis Nacht und finster wird,
All Dunkelheit ist ihm ganz hell, doch sieht er nichts bei Tag,
Drum ist er auch ein solch Gesell, den nie kein Vogel mag."
Und der Dichter der deutschen Nationalhymne, Hoffmann von Fallersleben, hat für seine "Kinderlieder" auch ein Uhugedicht gemacht:
Warum fliegt doch der Uhu in finsterer Nacht?
Ich möchte wohl wissen, was dann er noch macht?
Er könnte wie andere Leute ja ruhn,
Er fände bei Tage genug auch zu thun.
»Wie ein Dieb muß ich leben in finsterer Nacht,
Dann geh' ich mit Frau und mit Kind auf die Jagd.
Des Tages erlaubt es die Sonne ja nicht,
Drum scheuen der Dieb und der Uhu das Licht.«
Verliebtheit in das U war auch das Motiv von James Krüss, der gern mit Lauten spielte, über den Uhu (und über die Unken und den Marabu) ein Gedicht zu machen:
Der Uhu und die Unken
Ein u-Gedicht
Sieben dumme Unken munkeln:
Unke punke u ru ru,
In dem Brunnen, in dem dunkeln,
Sitzt ein schwarzer Marabu.
Uhu Schuhu hört sie munkeln,
Unke punke u ru ru,
Und lugt runter in den dunkeln
Brunnen mit den Augen gluh.
Doch nach einer Viertelstunde,
Unke punke u ru ru,
Brummt er: Auf dem Brunnengrunde
Ist kein schwarzer Marabu.
Nur die runden Brunnensteine,
Unke punke u ru ru,
Malen in dem fahlen Scheine
Schatten wie ein Marabu!
Klatsch und Tratsch und Unkenmunkeln,
Unke punke u ru ru,
Wuchern immer nur im Dunkeln.
Besser ist, man hört nicht zu!
Den Naturwissenschaftlern der Antike, Aristoteles und Plinius, war der Uhu wohlbekannt. Plinius setzt sich mit seiner Unheil bringenden Wirkung auseinander und weist aufklärerisch darauf hin, dass sich ein Uhu schon mehrfach auf Häusern niedergelassen habe, ohne dass dann darin jemand gestorben sei. Die in den Jahren 1347 bis 1350 entstandene erste deutschsprachige Naturgeschichte des Konrad von Megenberg - Friedrich II. und Albertus Magnus schrieben in Latein - gibt den konkreten Beobachtungen eine spirituelle Bedeutung. Konrad wusste von dem Aufenthaltsort des Uhus in Kirchen, die der Nachtvogel durch seinen Kot verschmutze. Dadurch wurde er für ihn zum Sinnbild von Geistlichen, die fette Pfründe von ihren Kirchen haben, diese aber mit ihren Sünden verunreinigen.
Uhu-Herzen als Zaubermittel
Auch andere Wirkungen des Uhus kannte Konrad. So berichtet er von der Zauberwirkung des Uhuherzens: Wenn man es einer schlafenden Frau an die linke Seite lege, dann sage sie alles, was sie getan habe. Sein Mark, auf trübe oder blinde Augen gestrichen, mache diese wieder sehend. Andere schreiben diese Wirkung den zu Asche verbrannten Uhuaugen zu. Und der islamische Denker und Arzt Avicenna (980-1037) spricht dem Uhufleisch, seinem Blut oder der Brühe, in der sein Fleisch gekocht wurde, lindernde Wirkung bei Asthma zu.
Karl Wilhelm Beichert
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