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Wie der Zaunkönig zu seinem Namen kam
Was ist die beste Ausbildung für junge Staatsmänner? Wenn sie sich erfahrenen alten Politikern anschließen, die bereit und fähig sind, zu delegieren. Dabei sollen die Jungen aber nicht versuchen, den Alten ihren Ruhm wegzuschnappen, denn zuerst müssen sie lernen richtig zu dienen, bevor sie herrschen können. So jedenfalls lautet die Lehre der Zaunkönig-Fabel des Äsop aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Der Zaunkönig nämlich ließ sich auf den Schultern des Adlers in die Lüfte tragen, dann, als dieser müde wurde, flog er selbst los, um den Adler noch an Höhe zu übertreffen. Die anderen Vögel aber ließen diesen Trick nicht gelten, sperrten ihn sogar in ein Mauseloch, aus dem er am Ende jedoch wieder entkam.
Uralte Fabel
Mindestens 2.500 Jahre alt ist also die Geschichte von der Königswahl der Vögel, die dem Zaunkönig bis heute anhaftet und die ihm auch seinen Namen gegeben hat - wenn nicht umgekehrt der Name die Geschichte provoziert hat.
Schon bei Aristoteles und bei Plutarch wird der Zaunkönig Basileus (= König) oder Basiliskos (= Königlein) genannt. Und diese Benennung war sehr nachhaltig. Immerhin findet sich der Königsname für den kleinen Kerl in so verschiedenen und weit voneinander entfernten Ländern wie Holland, Litauen, Polen, Schweiz, Frankreich und Italien. Sogar in Japan heißt der Zaunkönig "König der Vögel". Bei uns hat diese Überlieferung aus der Antike die altgermanische Namensform "wrendo" verdrängt, während sie sich im Englischen ("wren") gehalten hat. Die Geschichte selbst findet sich als Fabel, Märchen, Erzählung, als Erzähl-, Lehr- oder Lob-Gedicht in fast allen europäischen Nationalliteraturen.
Immer guter Laune
Die Menschen waren mit dem Vogelzwerg offensichtlich von Alters her sehr vertraut. Naumann schreibt dazu zu Beginn des 19. Jahrhunderts. "Dies kleine Vögelchen ist in unserm Vaterlande zu bekannt, dass eine Verwechslung mit irgend einem andern nicht denkbar ist." Im Gegensatz zur kleinen Gestalt steht seine kräftige Stimme. Um 1750 heißt es in Zedlers Universal-Lexikon darüber: "Dieser kleine Vogel hat eine so starcke Stimme, dass, wenn er anfanget zu singen, man ihn vor einen weit grössern Vogel halten sollte, als er in der That ist. Er ist seines angenehmen Gesangs wohl werth, gefangen und ernährt zu werden."
Auch dass der Zaunkönig zu Zeiten singt, in denen sonst kein anderer Vogel seinen Gesang ertönen lässt, nämlich auch im Winter, ist unseren Vorfahren aufgefallen. Sie nannten ihn deshalb auch Schneekönig. Auch hierüber hat sich Naumann geäußert: "Wenn selbst die treuesten aller Standvögel, unsere Sperlinge, unzufrieden mit zu strenger Kälte, ihr Gefieder sträuben, und ihr trauriges Aussehen Mißmuth und großes Unbehagen verräth, so ist der Zaunschlüpfer doch noch munter und pfeift sogar im Widerschein der Sonne, die Zäune und Holzstöße behaglich durchkriechend, sein Liedchen, als ob es bereits Frühling wäre."
Vergleich mit der Nachtigall
Bereits im 16. Jahrhundert schrieb der französische Naturforscher Pierre Belon: "Er ist ein Vogel, der niemals schwermüthig, sondern beständig zum Singen bereit ist, und zwar spät des Abends und früh am Morgen; und besonders zur Winterszeit, dann ist sein Gesang kaum weniger stolz, als der Nachtigall ihrer." Und richtig poetisch Graf Buffon 200 Jahre später: "Dieses ist die einzige sanfte und anmuthige Stimme, die sich in dieser Jahreszeit hören lässt, wo das Stillschweigen der Luftbewohner nur durch das unangenehme Gekrächze der Raben unterbrochen wird."
Die polygamen Neigungen unseres Jahresvogels waren schon Shakespeare bekannt. In seinem Drama "König Lear" tadelt dieser seine lieblosen Töchter und verteidigt mit bitterer Ironie die sexuelle Freizügigkeit:
"... Dein Vergehen?
War's Ehebruch?
Du sollst nicht sterben: Nicht für Ehebruch! Nein:
Das tut der Zaunkönig, die kleine goldne Fliege
Treibt's mir vor Augen."
Anders als viele seiner Singvogelkollegen hat man dem Zaunkönig in der Vergangenheit wohl nicht nachgestellt, um ihn zu essen. Die Portion war offensichtlich zu klein. Naumann dazu: "Weil der ganze Vogel nur drei Drachmen wiegt , so wird ihn niemand wegen seines wohlschmeckenden (!) Fleisches halber tödten wollen. Sein herrlicher Gesang erfreuet den Menschen, und der Landmann hört viel auf dieses Vögelchen, weil es in seiner Nähe wohnt, auch im Winter singt."
Billig im Unterhalt
Aber um ihn als Sänger im Käfig zu halten, versuchte man doch ihn zu fangen. Darüber heißt es bei dem Freiherrn Adam von Pernau: "Man muß einen besonders engen Vogelbauer dazu haben. Wenn man es (das Zaunköniglein) in der Stube fliegen lässet, wo man es jedoch gar leichte verlieret, ist es auch ganz angenehm; allein man habe es, wo man wolle, so will es nicht weniger wohl tractiret sein, als eine Nachtigall; hingegen frisst es nicht so viel, als dieselbe, und kostet also weniger zu unterhalten."
Nikolaus Bär schließlich, Kantor am Dom zu Bremen und Lehrer am Domgymnasium, beendet sein Lobgedicht über den Zaunkönig im Jahr 1703 mit den folgenden Versen:
Geh hin und rühme nun
Den König und sein Thun.
Sprich: Lebe, kleiner König,
Der Ehre hat nicht wenig.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Karl Wilhelm Beichert
Weitere Anekdoten und Gedichte, zwei Zaunkönig-Märchen der Gebrüder Grimm und Konrad Gesners Beschreibung "Von dem Zaunschlüpfflein" aus dem Jahr 1598 gibt es auf den Jahresvogelseiten.
Ausführliche fassung
Die genaueste Beschreibung des Zaunkönigs in der Antike stammt vom griechischen Arzt Aetius zur Zeit des Kaisers Justinian, der in seiner medizinischen Enzyklopädie in 16 Büchern schon auf die Kleinheit seiner Gestalt, seinen erhobenen Schwanz, die Kürze seiner Flügel und die erstaunliche Dynamik seines Gesangs hinweist. Mehr →
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