Jedes Jahr werden über 25 Millionen Zugvögel im Mittelmeerraum gefangen oder getötet. Mit einer Zugvogel-Patenschaft leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Zugvögel.
Jetzt Informieren!Vorbote von Caesars Ermordung
Historische Betrachtungen zum Zaunkönig
Was ist die beste Ausbildung für junge Staatsmänner? Wenn sie sich erfahrenen alten Männern anschließen, die bereit und fähig sind zu delegieren, etwa wie der römische Politiker L. Cornelius Sulla. Dabei sollen die Jungen aber nicht versuchen, den Alten ihren Ruhm wegzuschnappen, denn zuerst müssen sie lernen richtig zu dienen, bevor sie herrschen können. Sie sollen sich jedenfalls nicht so benehmen wie der Zaunkönig bei dem griechischen Fabeldichter Äsop, der sich auf den Schultern des Adlers in die Lüfte tragen ließ, dann, als dieser müde wurde, selbst losflog und den Adler noch an Höhe übertraf.
Mit Äsop geht diese Geschichte mindestens bis ins 6. Jahrhundert vor Christus zurück - so sagt es jedenfalls der Philosoph Plutarch (um 46 bis 125 n.Chr.). Sie haftet dem Zaunkönig bis heute an und gibt dem Jahresvogel 2004 auch seinen Namen. Schon beim griechischen Philosophen und Naturwissenschaftler Aristoteles (384 bis 322 v.Chr.) und eben bei Plutarch wird er Basileus (= König) oder Basiliskos (= Königlein) genannt.
Streit mit dem Adler um die Königskrone
Auch Plinius der Ältere weist im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung darauf hin, dass Streit herrsche zwischen dem Zaunkönig und dem Adler, weil der Erstere König genannt werde, eine Würde, die der Adler für sich beanspruche. Dass es sich bei dem "Königlein" wirklich um den Zaunkönig und nicht um ein Goldhähnchen handelt, das heutzutage den wissenschaftlichen Namen Regulus (= Königlein) trägt, geht schon aus der Beschreibung des Aristoteles hervor, der die ökologische Nische, die Veranlagung und die Verhaltensweisen eines Vogels beschreibt, die nur zum Zaunkönig, nicht aber zu einem der Goldhähnchen passen.
Die genaueste Beschreibung des Zaunkönigs in der Antike stammt von dem griechischen Arzt Aetius von Amida zur Zeit des Kaisers Justinian (6. Jh. n.Chr.), der in seiner medizinischen Enzyklopädie in 16 Büchern schon auf die Kleinheit seiner Gestalt, seinen erhobenen Schwanz, die Kürze seiner Flügel und die erstaunliche Dynamik seines Gesangs hinweist. Darüber hinaus unterscheidet er ihn von den Goldhähnchen. Bei den vielen Vorzeichen, die Caesars Ermordung ankündigten, hat nach Sueton (2. Jhdt. n.Chr.) auch der Zaunkönig eine Rolle gespielt. Am Tag vor den Iden des März 44 vor Christus flog demnach ein "Königlein" mit einem Lorbeerzweigchen in die Kurie des Pompeius, wurde von verschiedenen Vögeln aus dem nahe gelegenen Hain verfolgt und ebendort zerrissen - eine tierische Präfiguration des menschlichen Geschehens am folgenden Tag, für die die Römer besonders empfänglich waren.
Es wäre sicher reizvoll, den Weg der Äsopischen Fabel vom Zaunkönig durch die europäischen Sprachen und Literaturen zu verfolgen. Immerhin findet sich der Königsname für den kleinen Kerl in so verschiedenen und weit voneinander entfernten Ländern wie Holland, Litauen, Polen, Schweiz, Frankreich und Italien (jeweils ältere Namensformen).
Die gleiche Fabel von Äsop bei zu den Gebrüdern Grimm
In Deutschland fand die Geschichte sogar Aufnahme in den dritten Band der Grimm'schen "Kinder- und Hausmärchen". Hier fliegt der Zaunkönig mit Unterstützung des Adlers so hoch, "dass er Gott auf seinem Stuhle sitzen sehen konnte." Aber die Vögel sind mit diesem Ausgang der Königswahl nicht einverstanden und stellen eine neue Bedingung: Derjenige sollte König sein, "der am tiefsten in die Erde fallen könnte." Der Zaunkönig, damals noch ohne Namen, schlüpfte in ein Mauseloch und beanspruchte erneut die Königswürde.
Einen durch seine Listen an die Macht gekommenen König wollten die Vögel aber immer noch nicht und beschlossen, den Usurpator in seinem Loch gefangen zu halten und ihn auszuhungern. Die Eule wurde als Wache aufgestellt. Sie kämpfte die ganze Nacht mit dem Schlaf, bis sie gegen Morgen unterlag und einschlief. Der König der Vögel nutzte dies zum Entwischen und die Eule durfte sich fortan tags nicht mehr sehen lassen. Auch der Zaunkönig versteckt sich, weil er denkt, es ginge ihm an den Kragen, wenn er erwischt würde. Deshalb schlüpft er in den Zäunen herum, und wenn er sich ganz sicher fühlt, ruft er: "König bün ick!"
Das "kurtzweilig gedicht von namen, art und natur aller vögel", erschienen 1554 in Straßburg, kennt diese Motive ebenfalls (ins Neuhochdeutsche übersetzt vom Verfasser):
Jetzt seid fleißig und hört noch mehr:
Der Vogelkönig kommt daher.
Obwohl er der Mäusekönig wird genannt,
Ist er der König im Vogelland.
Auch wenn man ihm einen schändlichen Namen gibt,
Sich König zu nennen ihm beliebt.
Wenn manche ihn schmählich Zaunschlüpfer nennen,
Will er unter diesem Namen sich nicht kennen.
Verachtung von noch stärkrer Art
Hat den folgenden Namen ihm nicht erspart:
Dass er der Regenvogel sei,
sagt man von ihm, mit Spott dabei.
"Die Eule hielt die Wacht..."
In dem 1700 erschienenen Lehrgedicht "Regillicinium" - Gesang über das Königlein - von Nikolaus Bär (1639-1714) erscheint die Geschichte in lateinischen und deutschen Reimen, wobei der Zaunkönig selbst als Erzähler fungiert:
Die Eule hielt die Wacht,
Und nahm mich da in Acht,
Dass ich zu meinem Frommen
Ihr sollte nicht entkommen.
Sie wollten mich vergraben,
Minerva wollts nicht haben.
Der Wächter, wie ein Bloch,
Sich stellte vor das Loch.
Als der fing an zu schlafen,
Da musste man ihn strafen.
Die Eul vom Vogel-Orden
Ist ausgebannet worden.
In einem Gedicht von Ludwig Heinrich von Nicolai (1737-1820) schließlich, einem Dichters der Aufklärung, mit dem Titel "Wie der Zaunschlüpfer König ward" lauten die beiden letzten Strophen:
Turr! da flog die ganze Schar,
Aber unterm Flügelpaar
König Adlers saß versteckt
Herr Zaunschlüpfer unentdeckt.
Als der Adler endlich doch
Matt war, flog Zaunkönig noch,
Höher noch ein ganzes Stück,
Kam als König dann zurück.
Freiwilliger Trohnverzicht im Märchen
Und im walisischen Märchen "Wie der Zaunkönig für ein halbe Stunde der König der Vögel wurde" zeigt sich der Zaunkönig einsichtig und verzichtet freiwillig auf den Thron:
"Freunde", rief er, tut mir leid, dass ich euch geärgert habe. Ehrlich gesagt, ich wollte ja eigentlich gar nicht König werden, ich wollte nur dem stolzen Herrn Adler zeigen, der mich so von oben herab behandelt hat, dass ich nicht dumm bin, wenn ich auch nicht so stark bin wie er. Aber der Adler ist ja wirklich viel besser zum König geeignet als ich, und deshalb trete ich von meinem Amt zurück und überlasse meinen Königsthron dem Adler."
Das fanden alle Vögel eine sehr vernünftige Rede, und sie klatschten Beifall. Der Adler nahm das Angebot des Zaunkönigs an, wenn auch sehr unwirsch, denn er ärgerte sich noch immer, dass der ihn hereingelegt hatte. Jeder war zufrieden - nicht zuletzt der Zaunkönig. Denn wenn nun auch der Adler für alle Zeiten der König der Vögel bleiben würde, so konnte doch der Zaunkönig seinen Kindern und Enkeln erzählen, auch er sei einmal König gewesen, wenn auch nur für eine halbe Stunde.
Bei der Frage, was denn nun zuerst da gewesen ist, die Fabel als Verursacher des Namens oder der Name als Verursacher der Fabel, könnte man die Ansicht vertreten, es handle sich hierbei um dasselbe Problem wie bei dem Huhn und dem Ei. Es spricht allerdings einiges dafür, dem Namen die Priorität zuzubilligen, denn die Art seiner Entstehung lässt sich auch bei anderen Namen feststellen: Der Volksmund bezeichnet oft Dinge oder Lebewesen scherzhaft oder satirisch nach dem Gegenteil ihrer Haupteigenschaften. Auf diese Weise kam der Zaunkönig, den man lange Zeit für den kleinsten unserer heimischen Vögel gehalten hat, zu seinem zweiten Namensteil.
Spottnamen für den kleinen Vogel
Eine ähnliche Verfahrensweise liegt vor, wenn unser Jahresvogel in Mecklenburg und Niedersachsen als Grot-Jochen (Groß-Joachim) bezeichnet wurde, oder wenn es bei dem französischen Ornithologen-Grafen Buffon heißt: "Endlich ist ihm der Name Ochse, den er in vielen Provinzen hat, wegen seiner entgegengesetzten Größe, da er äusserst klein ist, beygelegt worden." Daneben gibt es aber auch Bezeichnungen, die die wirkliche Größe des Vogels bezeichnen: Das Wort Däumling findet sich im Westfälischen und Niederländischen, auch im Schwedischen und Dänischen. Zitzerl - eigentlich: kleines Stückchen - findet sich in Österreich ebenso wie Zwergvogerl.
In Wirklichkeit ist der Zaunkönig nicht unser kleinster Vogel, das Sommer- und das Wintergoldhähnchen sind noch kleiner. Da sie aber viel versteckter leben und weniger auffallen, wird diese Eigenschaft auch heute noch gemeinhin dem Zaunkönig zugesprochen. Im Gegensatz zu der Kleinheit seiner Gestalt steht seine kräftige Stimme. Mitte des 18. Jahrhunderts heißt es in Zedlers Universal-Lexikon darüber: "Dieser kleine Vogel hat eine so starcke Stimme, dass, wenn er anfanget zu singen, welches mehrenteils bey Aenderung des Wetters zu geschehen pfleget, man ihn vor einen weit grössern Vogel halten sollte, als er in der That ist. Er ist seines angenehmen Gesangs wohl werth, gefangen und ernährt zu werden."
Fröhlicher Zaunköniggesang auch im Winter
Auch dass der Zaunkönig zu Zeiten singt, in denen sonst kein anderer Vogel seinen Gesang ertönen lässt, nämlich auch im Winter, ist den Menschen der Vergangenheit schon aufgefallen. Sie nannten ihn deshalb auch Schneekönig. Hierüber schreibt der Vater der deutschen Ornithologie, Friedrich Naumann, zu Beginn des 19. Jahrhunderts: "Wenn selbst die treuesten aller Standvögel, unsere Sperlinge, unzufrieden mit zu strenger Kälte, ihr Gefieder sträuben, und ihr trauriges Aussehen Mißmuth und großes Unbehagen verräth, so ist der Zaunschlüpfer doch noch munter und pfeift sogar im Widerschein der Sonne, die Zäune und Holzstöße behaglich durchkriechend, sein Liedchen, als ob es bereits Frühling wäre." Die Redewendung: "Er freut sich wie ein Schneekönig." bezieht sich auf diese Verhaltensweise. Dass das Sträuben des Gefieders, wie hier bei den Sperlingen beobachtet, nicht aus "Missmut", sondern aus Gründen der Wärmeisolation stattfindet, war Naumann noch nicht bekannt.
Und schon im 16. Jahrhundert schrieb der französische Naturforscher Pierre Belon: "Er ist ein Vogel, der niemals schwermüthig, sondern beständig zum Singen bereit ist, und zwar spät des Abends und früh am Morgen; und besonders zur Winterszeit, dann ist sein Gesang kaum weniger stolz, als der Nachtigall ihrer." Und poetisch klingt die Beschreibung Buffons Ende des 18. Jahrhunderts: "Dieses ist die einzige sanfte und anmuthige Stimme, die sich in dieser Jahreszeit hören lässt, wo das Stillschweigen der Luftbewohner nur durch das unangenehme Gekrächze der Raben unterbrochen wird."
Heute wird die lange zeitliche Ausdehnung des Zaunköniggesangs auch mit den polygynen Neigungen des Männchens in Verbindung gebracht. Diese waren schon Shakespeare bekannt. Denn in seinem Drama "König Lear" tadelt die Titelfigur im vierten Akt seine lieblosen Töchter und verteidigt mit bitterer Ironie die sexuelle Freizügigkeit:
"... Dein Vergehen?
War's Ehebruch?
Du sollst nicht sterben: Nicht für Ehebruch! Nein:
Das tut der Zaunkönig, die kleine goldne Fliege
Treibt's mir vor Augen."
Anders als viele seiner Singvogelkollegen hat man dem Zaunkönig in der Vergangenheit wohl nicht nachgestellt, um ihn zu essen. Die Portion war offensichtlich zu klein. Naumann dazu: "Weil der ganze Vogel nur drei Drachmen wiegt (eine Drachme ist so viel wie ein Quentchen oder ein Viertellot; Anmerkung des Verfassers), so wird ihn niemand wegen seines wohlschmeckenden (!) Fleisches halber tödten wollen. - Sein herrlicher Gesang erfreuet den Menschen, und der Landmann hört viel auf dieses Vögelchen, weil es in seiner Nähe wohnt, auch im Winter singt."
Zaunkönig-Fang mit Mehlwürmern als Köder
Aber, wie schon in Zedlers Lexikon erwähnt, um ihn als Sänger im Käfig zu halten, versuchte man doch ihn zu fangen. Als Methode wird in dem genannten Lexikon vorgeschlagen: "Wer nun dergleichen zu fangen verlanget, der kan im Mertz, da sie streichen, gar leicht dazu kommen, wenn er nur einen sehr engen Meisen-Schlag nimmt, und, wie bey einer Nachtigall, deren Geschlecht das das Schnee- oder Zaunköniglein ist, einen Mehl-Wurm hineinstecket, so denn selbiges darauf zutreibet. Denn man trifft sie diesen Monat in allen Stauden an."
Über die Haltung des Zaunkönigs heißt es eben dort: "Man muß einen besonders engen Vogelbauer dazu haben. Wenn man es (das Zaunköniglein) in der Stube fliegen lässet, wo man es jedoch gar leichte verlieret, ist es auch ganz angenehm; allein man habe es, wo man wolle, so will es nicht weniger wohl tractiret sein, als eine Nachtigall; hingegen frisst es nicht so viel, als dieselbe, und kostet also weniger zu unterhalten." Eher symbolischen Wert besaß der Zaunkönig in einem fränkischen Landstrich, wo ein Adliger jährlich an Martini einen Zaunkönig abliefern musste, um dadurch seinem Lehensherrn gegenüber sein Lehen anzuerkennen.
Heilwirkung gegen Nieren- und Blasenteine
In der Medizin schreibt schon der antike Arzt Aetius seinem Fleisch, eingesalzen oder roh gegessen, heilsame Wirkung gegen den Nieren- und Blasenstein zu. Der Züricher Arzt und Biologe Konrad Gesner kannte im 16. Jahrhundert einige Leute, die davon ganz gesund geworden sind (Gesners Text "Von dem Zaunschlüpfflein..."). Nach Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) taugt sein Fleisch für die Heilkunst nicht, "weil er klein ist". Doch ergibt sein Körper ohne den Kopf und Eingeweide, zu Pulver verbrannt, einen guten Zusatz zu Heilpflanzen: "Und dieses Pulver gib anderen guten Pflanzen bei, von denen irgendwelche Salben gemacht werden, und keine Pflanze ist dadurch gegen Krankheiten köstlicher."
Nikolaus Bär, Subkantor am Dom zu Bremen und Unterlehrer am Domgymnasium, beendet sein Lobgedicht über den Zaunkönig mit den folgenden Versen:
Geh hin und rühme nun
Den König und sein Thun,
Der Artzenei kann geben
Und herrschet wohl daneben:
Sprich: Lebe, kleiner König,
Der Ehre hat nicht wenig.
Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei denn in der Sprache der Musik. Denn Bär hat ihm abschließend eine Komposition gewidmet, in der der folgende Satz vertont ist: "Wie (Wenn) du auf mich schaust, mich vielleicht sogar verachtest, weil ich kleiner bin als die Kleinsten, was beneidest du mich (dann) um die Ehre, mit der das Schicksal mich beglückte und mich zum König wählte, und mich zum König wählte."
Karl Wilhelm Beichert
Mehr zum Zaunkönig
Der Zaunkönig ist ein „Vogel von Welt“, der sein Brutgebiet von Nordamerika über die Behringstraße westwärts auf weite Teile Asiens, Europas und Nordafrika ausgedehnt hat. In Mitteleuropa ist der Vogel das ganze Jahr über anzutreffen. Mehr →
Der erste Eindruck vom Zaunkönig ist oft ein flüchtiger. Fast mäusegleich huscht er in unmittelbarer Bodennähe von einem Versteck zum nächsten. Seine kompakte Gestalt und seine runden Flügel sind perfekt an das Leben und die Fortbewegung im dichten Gestrüpp angepasst. Mehr →