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Weitere historische Ansichten über den Mauersegler
Für die Wissenschaftler der Vergangenheit war der Mauersegler von Anfang an wegen seiner markanten Gestalt und seiner luftigen Lebensweise interessant. Im Bereich der Kulturgeschichte und Volkskunde verhinderte die Tatsache, dass er lange Zeit als Schwalbenart angesehen wurde, eine eigenständige Traditionsbildung. Schon der griechische Universalgelehrte Aristoteles weist im vierten Jahrhundert vor Christus auf seine Ähnlichkeit mit den Schwalben hin, und im ersten nachchristlichen Jahrhundert konstatiert der römische Naturkundler Plinius der Ältere lapidar, der Mauersegler sei "von der Art der Schwalben".
Diese Zuordnung hat sich in der wissenschaftlichen Literatur lange gehalten. Noch in der von Bernhard Christian Otto besorgten deutschen Ausgabe der "Naturgeschichte der Vögel" des französischen Grafen Buffon wird unser Jahresvogel als "schwarze Mauerschwalbe" bezeichnet. Wegen des Charmes der falschen Einordnung sei die Stelle bei Buffon hier zitiert: "Die Vögel dieser Art sind wahre Schwalben und in mancher Hinsicht, wenn ich mich so ausdrücken darf, sind sie es mehr als die Schwalben selbst; denn sie haben nicht nur die vornehmsten Eigenschaften, welche dieses Geschlecht kenntlich machen, sondern sie haben sie auch so überflüssig, ... sie haben einen höhern und schnellern Flug als selbst diese Vögel, die schon so leicht fliegen; sie fliegen aus Noth (Notwendigkeit), denn von sich selbst setzen sie sich nie auf die Erde."
Eigene Familie dank kurzen Oberarms
Erst Friedrich Naumann berichtet in seiner "Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas" (1820-1844) von Bestrebungen - wohl seines Mitarbeiters Christian Friedrich Nitzsch -, die Segler von den Schwalben zu trennen und sie in einer eigenen Gattung zusammenzufassen. Zweifelnd weist er allerdings auf ausländische Arten hin, die seiner Meinung nach Übergangsformen zwischen den beiden Gattungen darstellen. Nitzsch (1782-1837), nach Stresemann einer der "genauesten, umsichtigsten und einfallsreichsten Morphologen", hatte schon festgestellt: "Außer den Kolibris dürfte keine Vogelfamilie eine so ungewöhnlich lange Hand und einen so kurzen Oberarm haben", und damit den Hinweis für die Verwandtschaft gegeben, den wir auch heute noch für richtig halten.
Dass der Mauersegler wegen seiner hervorragenden Flugeigenschaften keine besonders ausgebildeten Füße braucht, darauf hat schon Aristoteles hingewiesen: "Bei den Vögeln gibt es einige mit schlechten Füßen, diese werden deswegen Apodes (Fußlose) genannt. " (Nach diesem Ausdruck nennt der Wissenschaftler die ganze Familie Apodidae.) Und Plinius meint umgekehrt, dass die Mauersegler sehr viel fliegen, weil sie ihre Füße nicht benutzen können: "Die übrigen Vogelarten setzen sich oder stehen; diese dagegen haben nur Ruhe im Nest: entweder schweben sie in der Luft oder sie liegen." Bei Friedrich II. wird der Mauersegler unter die Vögel eingeordnet, die ihre Beute im Flug fangen und hinunterschlingen. Tatsächlich können sie sich wegen ihrer kurzen Füße horizontal nur mühevoll kriechend fortbewegen.
Überragendes Flugverhalten
Besonders schön wird das überragende Flugverhalten des Mauerseglers von dem französischen Naturforscher Jean-Henri Fabre dargestellt, der dabei teilweise auf Sätze von Buffon zurückgreift:
"Wie räumen die Mauersegler unter den Insekten der Dämmerung auf, wenn ihre aufgeregten Scharen endlos im Kreis hin- und herfliegen, in der Heiterkeit des rötlichen Abendhimmels, wenn die Sonne untergeht! Was für ein Ungestüm im Flug! Was für überraschende Wendungen im Raum! Welche Lebhaftigkeit! Einige flattern aufs Geratewohl hin und her, sie lassen sich sanft in die Luft hinabsinken, nur aus dem Vergnügen heraus, dann die Flügel zu üben; andere beschreiben Kreise, auf unbestimmte Zeit durchkreuzt von neuen Kreisen; wieder andere erheben sich in große Höhen, schweben einen Moment, ohne die Flügel zu bewegen, dann schlagen sie mit ihnen in hastiger Bewegung, oder sie lassen sich aus der große Höhe herabfallen, wie ein verwundeter Vogel; andere folgen dem Lauf einer Straße; sie wetteifern miteinander in der Schnelligkeit, um als erste am entgegengesetzten Ende anzukommen, um von dort an den Ausgangspunkt zurückzukehren und das Spiel von neuem zu beginnen; andere, ohne aufzuhören zu schreien, wirbeln im Schwarm um ein hohes Gebäude herum. Was für einer ist dieser da, der so eilig hat heranzukommen? Mit drei Flügelschlägen fliegt er vorüber und in einem Augenblick verliert er sich im Dunst der Ferne. Welches Ungestüm, meine Freunde! Was für ein reißender Flug! " (aus: Los auxiliares, erschienen 1873; Übersetzung vom Verfasser).
Bei uns wurden die Mauersegler laut dem Zeugnis des "Großen Universallexikons" von Zedler (1732) nicht gegessen, wohl aber in der Medizin verwendet. Sein Fleisch wurde verordnet gegen die "schwere Noth", zur Stärkung der Sehkraft, gegen das Lendenweh und wegen seiner diuretischen Wirkung. Der Zusammenhang zwischen Heilwirkung und Eigenschaften des lebenden Vogels wurde in dieser Medizin oft sehr einfach gesehen. Und so mag eine ebenfalls in dem Lexikon übermittelte Beobachtung für die Meinung verantwortlich sein, die Sehkraft könne durch ein aus dem Mauersegler gewonnenes Heilmittel gestärkt werden: "Denn er hat ein dermaßen scharffes Gesichte (ein so gutes Sehvermögen), dass er sie (die Mücken, Fliegen und andere Ungeziefer) auf tausend Schritte erblicken kann) ". Darüber hinaus wurde sein Nest als "wider die bösen Hälse so gut, als ein ander Schwalben-Nest" angesehen.
"Ein ganz moderner Vogel, der nie Zeit hat"
Drei Lebensbilder hat Hermann Löns vom Mauersegler zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfasst. "Der Mauersegler" (in: Aus Forst und Flur; Unterkapitel darin: Nachbarn), "Die Großstadtschwalbe" (in: Was da kreucht und fleucht) und "Der Vogel Wupp" (in: Der zweckmäßige Meyer). Es handelt sich jeweils um einfühlsame Studien, in denen der naturbegeisterte Journalist dem eigenartigen Wesen des Seglers gerecht zu werden versucht.
Besonders das letzte der drei Essays ist originell, weil der Mauersegler hier mit rastlosen Geschäftsleuten verglichen wird, die es an einem Ort nicht lange aushalten und die nie Zeit haben. Die Einleitung: "Es war am Vormittag des ersten Augustes, als mir so war, als wenn mir so wäre. Mir war so zumute, wie dem Müller, der des Hochwassers wegen seine Mühle liegen lassen muss, und der nun nicht einschlafen kann, weil er das gewohnte Rauschen und Klappern nicht mehr hört. Ich fühlte, dass irgendein Ton, ein Geräusch, ein Lärm in meiner Umgebung nicht mehr vorhanden war, konnte aber nicht dahinter kommen, um was es sich handelte. ... Und dann musste ich lachen, dass ich nicht daran gedacht hatte, dass es der erste August war, denn da oben am blauen Himmel war das nicht da, was ich dort gewöhnt war: Der Vogel Wupp war fort. "
Der Vogel Wupp ist natürlich der Mauersegler, denn "wupp ist er da, und wupp ist er fort. ... Er ist ein ganz moderner Vogel; er hat nie Zeit. Nicht fünf Minuten kann er ruhig sitzen. Von Rechts wegen müsste er aus Amerika stammen, aus Neuyork oder Chikago, wo das Leben des Menschen auch im Tempo Wupp geht."
Karl Wilhelm Beichert