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Überwinterung und Zug
"In hiesiger Gegend ist er ein so gemeiner Raubvogel, dass ihn jedermann kennt", berichtet anno 1803 Johann Andreas Naumann, der Begründer der wissenschaftlichen Vogelkunde, über sein Vorkommen im Land Anhalt. Auf den fetten Ackerböden Mitteldeutschlands machte der Rotmilan damals reiche Beute: vor allem Mäuse und Feldhamster. Doch dann rückten die Menschen dem schönen Greifvogel zu Leibe. Insbesondere durch die industrialisierte Landwirtschaft, die Ausräumung unserer Kulturlandschaft und massiven Chemieeinsatz werden heute die Existenzgrundlagen des Rotmilans zerstört.
Dabei haben gerade wir Europäer eine besondere Verantwortung. Denn der Rotmilan kommt fast ausschließlich hier vor. Während in einigen europäischen Regionen - in der Schweiz, Österreich und Polen - die Bestände erfreulicherweise zunehmen, gehen sie in Deutschland seit einigen Jahren drastisch zurück. Das wirkt sich auf die Gesamtzahl aus, denn Deutschland ist der Kern seines Verbreitungsgebietes und beherbergt etwa 60 Prozent aller Rotmilane weltweit: Von höchstens noch 23.000 Paaren leben circa 12.000 hier.
Rotmilane sind Kulturfolger. Sie brauchen offene, reich strukturierte Landschaften - Wiesen, Felder, Waldränder, Seen - da sie ihre Nahrung aus der Luft suchen. Neben Nagetieren, Vögeln und Fischen mag der Rotmilan auch Aas und spielt dabei die Rolle der Müllabfuhr: Überfahrene Tiere an Landstraßen und Mähopfer auf den Wiesen sind ihm hochwillkommen auf dem Speiseplan. In den neuen Bundesländern lässt sich besonders deutlich erkennen, wie die Intensivlandwirtschaft dem Rotmilan schadet - zwei Drittel der "deutschen" Rotmilane leben nämlich hier: In den fruchtbaren Bördelandschaften stellte bis zur Wende der Feldhamster ihre Hauptnahrung dar. In den weitverbreiteten Luzernefeldern fanden früher reichlich Beute. Seit der Wende wird dieses Grünfutter kaum noch angebaut. Heute wird immer mehr Raps ausgesät, der extrem hoch mit Chemikalien belastet ist. Durch die Pestizide ging der Hamsterbestand stark zurück, zudem wächst Raps so schnell in die Höhe, dass Greifvögel in diesen Feldern keine Beute schlagen können. In Ostdeutschland sank die Zahl der Rotmilane durch Übernahme westlicher Anbaumethoden um 25 Prozent. Auch die so genannte Flurbereinigung ließ das Nahrungsangebot des Rotmilans weiter schrumpfen. Mit gerodeten Wildpflanzen, Büschen und Hecken auf "Reißbrettfeldern" verschwanden auch Vögel und Mäuse.
Der Ruf des Rotmilans - ein langgezogenes, trillerndes "uuu-wiuwiuwiuwiuuu" - klingt fast etwas melancholisch. Er ist eher selten zu hören, aber während der Balz Ende März und der Brutpflege von April bis Juni kann man ihn öfter vernehmen. Der fremdartig klingende Name "Milan" kommt übrigens aus dem Französischen. "Red Kite", roter Drachen, nennen ihn die Engländer. Und wie ein großer Spielzeugdrachen kreist der Rotmilan auch am Himmel, scheinbar schwerelos. Mit ausgebreiteten Schwingen misst der rötlichbraune Vogel bis zu 1,80 Meter. Im Volksmund heißt der Rotmilan auch "Gabelweihe". Den Namen verdankt er seinem auffälligsten Merkmal: einem langen rostroten, tief gegabelten Schwanz. Er ist mit Korn- und Wiesenweihe verwandt und gehört zur Familie der Habichtartigen. Rotmilane sind Zugvögel, im Herbst ziehen sie nach Südwesten, nach Frankreich, Spanien und Portugal. Zunehmend überwintern sie aber auch in Deutschland. Mülldeponien bieten ihnen ganzjährig Nahrung. Auch übernachten dort ganze Vogelschwärme - schlafend eine leichte Beute.
Viele Rotmilane sterben an Hochspannungsleitungen. Ein weiteres Problem ist die illegale Jagd; nicht nur in Südeuropa, sondern auch in der Bundesrepublik. Zwar erhielten die Greifvögel im deutschen Jagdrecht 1977 eine ganzjährige Schonzeit, doch Forderungen aus Jägerkreisen nach Wiederaufnahme der Jagd könnten schlimmstenfalls das Aus für den Rotmilan bedeuten.
Der Schlüssel zum Überleben des Rotmilans liegt jedoch vor allem in der Art der Landnutzung. Mit der Aktion "Landschaft schmeckt!" unterstützt der NABU eine naturverträgliche Landwirtschaft. Das kommt nicht nur dem Rotmilan zugute, denn seine Situation steht stellvertretend für viele Greifvögel. Jeder kann mit dem Kauf von Nahrungsmitteln aus ökologischem Anbau dazu beitragen, dass der Rotmilan auch in Zukunft weiter über unsere Wiesen und Felder kreist.