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Jetzt Informieren!Ein Vogel zwitschert Platt
Der Gesang der Goldammer
Wir Menschen kennen das: Ostfriesen reden anders als Bayern, und Berliner haben manchmal auch sprachliche Schwierigkeiten, Rheinländer zu verstehen. Es gibt Vögel, denen geht es ganz ähnlich. Die Goldammer, vom Naturschutzbund NABU zum "Vogel des Jahres 1999" gekürt, ist so einer: Sie zwitschert im Dialekt.
Herr Goldammer zwitschert gerne und laut: Von einem etwas erhöhten Platz im Revier aus, der Fachmann spricht von einer "Singwarte", ist das Lied der Goldammer oft bis in den Spätsommer zu hören. Die Kollegen anderer Vogelarten haben zu diesem Zeitpunkt bereits längst die Lust am Singen, Revierverteidigen und Weibchen-Beindrucken verloren. Der Eselsbrücken textende Volksmund gibt hierzulande die Melodie Goldammer-Gesangs oft als "wie, wie, wie hab ich Dich lieb" wieder - auf den Britischen Inseln, auch dort gibt es Goldammern, etwas weniger gefühlvoll als "little bit of bread and no cheese!". Fachleute, sogenannte "Bioakustiker", eine spezielle Unterart der Biologen, beschreiben den Gesang als eine Folge von kurzen Lauten, abgeschlossen von 2-3 Schlußtönen (Endelementen).
Dabei ist die einfache Strophe der Goldammer beim genauen Zuhören sehr variabel. Abgesehen von dem dialektbestimmenden Ende der Strophe hört sich der erste Teil mit den sich wiederholenden Lauten bei fast jeder Goldammer anders an. Das klingt von wohlklingend, glockenhell bis zu schleifend, kratzend. Dazu kommt, dass die aneinander gereihten kurzen Laute auch noch variieren können (Lautstärkezunahme, Tonhöhenanstieg, oder Abnahme des Lautabstandes zum Ende hin). Manchmal wird der erste Laut von den folgenden zeitlich etwas abgesetzt gesungen. Es kommt sogar vor, dass das Lautmuster im Vortrag gewechselt wird. Und dann hat auch noch jede Goldammer ein bis vier Varianten dieses Strophenteiles im Repertoire. Wer traut der Goldammer schon diese Variabilität zu.
Die Strophen-Endelemente bestimmen, welchem Dialekt die Strophen zuzuordnen sind. In einer dänischen Untersuchung (1986) wurde die Bezeichnung der Endelemente und Dialekte festgelegt, die bis heute ihre Anwendung findet. Die Endelemente werden durch Buchstaben gekennzeichnet, deren Kombination dann die Dialektbezeichnung ergibt. Zur sicheren Bestimmung der Dialekte ist eine Tonaufzeichnung mit anschließender sonagraphischen Analyse erforderlich ist.
Durch Untersuchungen konnte in Dänemark, Norddeutschland, Ostsachsen und Österreich eine relativ kleinräumige Verteilung der bis zu 5 Dialekttypen nachgewiesen werden. Dies sollte Ansporn sein, jenes Schema durch weitere Untersuchungen auch in anderen Regionen nachzuweisen.
Die Sprachgrenzen lassen sich oft auf wenige hundert Meter genau bestimmen. Diese Grenzen bleiben stabil, wie Untersuchungen u.a. in Schleswig-Holstein gezeigt haben, da Goldammern wenig mobil sind und weil, wie Forschungen zeigen konnten, Goldammer-Weibchen die Männchen aus "ihrer" Sprachfamilie bevorzugen. Normalerweise singt Frau Goldammer zwar nicht, aber wenn Wissenschaftler Ihr genügend männliche Geschlechtshormone verabreichen, tut sie es doch und outet somit ihre Dialekt-Zugehörigkeit. Diese wird offensichtlich nicht etwa vererbt, sondern erlernt: Die Jungen hören in einer sensiblen Phase bereits im Nest den ortsüblichen Dialekt und erlernen ihn - wie das Kind eines nach Berlin verschlagenen rheinischen Paares, das zum Entsetzen seiner Eltern plötzlich anfängt zu berlinern. Und weil sie offensichtlich unter dem Einfluß beider Dialekte aufgewachsen sind, finden sich gelegentlich auch bei der Goldammer zweisprachige Individuen, die beide Dialekte beherrschen und somit hüben wie drüben der Sprachgrenze als Partner attraktiv sind - Multikulti bei Goldammers.