Jedes Jahr werden über 25 Millionen Zugvögel im Mittelmeerraum gefangen oder getötet. Mit einer Zugvogel-Patenschaft leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer Zugvögel.
Jetzt Informieren!Kleiner Vogel, gewaltige Stimme
Die Nachtigall im Porträt
Wer zum ersten Mal die legendäre Sängerin im Gebüsch oder im Baum entdeckt, ist vielleicht enttäuscht von ihrem schlichten Aussehen. Männchen wie Weibchen der Nachtigall sind bräunlich gefärbt, nur die Unterseite ist graubraun und geht an Kehle und Bauch in Grauweiß über. Die Nachtigall bewegt sich am Boden hüpfend fort, ähnlich einem Rotkehlchen. Der Schwanz wird oft angehoben getragen und immer wieder langsam auf und ab bewegt.
Keine Vorkommen in raueren Lagen
Die Nachtigall ist auf milde Frühjahrs- und Sommertemperaturen angewiesen. In höheren, raueren Lagen der Mittelgebirge, an der Nord- und Ostseeküste und in weiten Teilen Bayerns taucht sie daher als Brutvogel nur vereinzelt auf. Im Nordosten Deutschlands und weiter bis Westsibirien brütet statt der Nachtigall ihre robustere Zwillingsart, der Sprosser. In den Randzonen der Verbreitungsgebiete kommen Sprosser und Nachtigall auch nebeneinander vor. Nachtigallen gehören zur Familie der Drosselvögel; neben dem Sprosser ist das Blaukehlchen sind ihr nächster Verwandter. Darüber hinaus ist die Nachtigall mit Rot-, Braun- und Schwarzkehlchen, Steinschmätzer, Haus- und Gartenrotschwanz verwandt.
Ab Mitte August zieht die Nachtigall einzeln und nachts gen Süden. Ihr Überwinterungsgebiet erstreckt sich von Senegal und Guinea bis Somalia, Kenia und Nordtansania. Die Alpen, das Mittelmeer und die Sahara bilden für sie keine Hindernisse. Die Savannen südlich der Sahara erreicht sie ab Anfang September, danach verlangsamt sich der Zug ins Winterquartier. Mit etwas mehr Tempo fliegt die Nachtigall im März wieder zurück in die Brutgebiete. In Deutschland erscheinen die ersten Nachtigallen ab Anfang April.
Werbung und Brutgeschäft
Nach der Ankunft bei uns besetzt das Nachtigallenmännchen sofort ein Revier und beginnt zu singen. Die Weibchen treffen ein paar Tage später ein, vermutlich dient der Nachtgesang der Männchen zum Anlocken der nächtlich ziehenden Weibchen.
Das Nachtigallennest liegt sehr versteckt im Halbschatten, meistens direkt auf dem Boden oder dicht darüber in der Krautschicht. Das Nest ist geformt wie ein tiefer Napf, gebaut wird es aus Falllaub, Krautstängeln - vor allem Brennnesseln -, Grashalmen, feinen Zweigen und Wurzeln. Die Mulde wird mit feinem Material glatt ausgelegt.
Das Weibchen bebrütet die Eier für rund zwei Wochen und wird dabei in den ersten Tagen häufig vom Männchen besucht und gefüttert. Nach dem Schlüpfen werden die Nestlinge von beiden Eltern gefüttert, bis sie nach etwa elf Tagen - noch nicht voll flugfähig, wie die meisten Bodenbrüter - das Nest verlassen. Ein kühles, nasses Frühjahr kann zu Brutverlusten bis zu 90 Prozent führen.
Die Nachtigall hüpft suchend unter Sträucher und in schüttere Krautbestände und pickt Beutetiere vom Boden auf. Sie stürzt sich aber auch von Warten aus auf Bodenbeute oder springt hoch, um Beute aufzunehmen. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Insekten und deren Larven. Im Spätsommer frisst sie zusätzlich Beeren und saftige Früchte, wie Johannis- und Holunderbeeren.
Der Gesang: „Angenehme Abwechslung und hinreißende Harmonie“
Die Nachtigall ist wohl die bekannteste Sängerin unserer Vogelwelt. Ihr Gesang sei „so ausgezeichnet eigen, es herrscht darin eine so angenehme Abwechslung und eine so hinreißende Harmonie, wie wir sie in keinem anderen Vogelgesange wiederfinden“, heißt es schon in der „Naturgeschichte der Vögel Deutschlands“. Berühmte Komponisten haben sich von der Meistersängerin inspirieren lassen und ihren Gesang in Kompositionen nachempfunden: Ludwig van Beethoven etwa in seiner 6. Sinfonie, Johann Strauß in der „Nachtigallen-Polka“ und Igor Strawinsky im „Lied der Nachtigall“.
Der Gesang dient dem Anlocken von Weibchen, aber auch der Verständigung zwischen Reviernachbarn. Eine Nachtigall beantwortet die Strophe eines Nachbarn entweder unverzüglich oder verzögert mit einer möglichst ähnlichen Strophe. Das schnelle Kontern hat offensichtlich die Funktion eines Drohsignals.
Bis zu 260 unterschiedliche Strophentypen beherrscht die Nachtigall - die sie aber ungeachtet ihres Namens nicht nur nachts vorträgt. Die meisten der zwei bis vier Sekunden langen Strophen beginnen mit leisen Anfangstönen, die oft die Imitation eines Vogelrufes enthalten. Darauf folgen laute, rhythmisch wiederholte Silben, die klangvoll, aber auch schnarrend oder ratternd klingen können und als „Nachtigallenschlag“ bekannt sind.
Wehmütige Pfeiftöne in der Nacht
Besonders typisch sind die nachts zu hörenden Pfeifstrophen: Die Nachtigall trägt dabei eine oft lange Serie von gedehnten, reinen Pfeiftönen vor, die einen weichen, wehmütigen Charakter haben können. Es entsteht der Eindruck eines Schluchzens. Innerhalb einer Stunde kann ein Nachtigallenmännchen mehr als 400 Strophen nacheinander vortragen.
Es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen, aber offenbar auch einen größeren Grundbestand an gemeinsamen Strophentypen. Nachtigallen ahmen angebotene Strophenmuster in eigenen Versionen nach. Darüber hinaus entwickeln sie jedoch auch losgelöst von der Vorgabe individuelle Strophentypen. „Und damit niemand daran zweifle, dass solches aus der Kunst komme, so haben sie nicht all einen gleichen Gesang, sondern eine jegliche ihren besonderen“, schrieb bereits im Jahr 1555 der Vogelkunde-Pionier Conrad Gesner. Zweijährige Nachtigallen haben ein größeres Repertoire als einjährige, die neuen Strophen haben sie aber, wie experimentell geklärt werden konnte, schon in den ersten Lebenstagen erlernt.
Lebensraumwahl: Laub muss sein
Es gibt viele Kriterien, die bei der Lebensraumwahl der Nachtigall eine Rolle spielen. Zentrales Element ist jedoch die Vegetationsstruktur des Geländes: Reicher Unterwuchs und eine Bodenschicht aus verrottendem Laub müssen vorhanden sein, damit sich eine Nachtigall ansiedelt. Der Unterwuchs kann aus dicht schließendem Gebüsch, Hecken oder jungem Baumaufwuchs mit einer dichten Kraut- und Staudenschicht bestehen, eine Pflanzendecke, die dem Vogel Nahrung, Versteckmöglichkeiten und einen schattigen Platz für ihr bodennahes Nest bietet.
Ein derartig beschaffenes Unterholz findet die eifrige Sängerin an Waldrändern, die von dichtem Buschwerk und einer Krautschicht begrenzt sind, und in naturnahen Laub- oder Mischwäldern. Voraussetzung ist, dass die Bäume nicht zu dicht stehen und den Aufwuchs von Sträuchern und Kräutern verhindern. Untersuchungen in England ergaben, dass die Nachtigall Gebiete mit fünf bis acht Jahre altem Unterholz bevorzugt. Werden Gebüsch oder junge Bäume älter, so verkahlen sie unten und verhindern durch den Lichtabschluss einen Krautaufwuchs. Durch die natürliche Entwicklung gehen so die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nachtigallenbrut verloren. Ein hervorragender Lebensraum für die Nachtigall sind deshalb Auwälder; die Verjüngung des Unterholzes wird hier durch regelmäßige Überschwemmungen, aber auch durch Eis- und Frostbildung geregelt.
Welche Größe das Revier haben muss, hängt in erster Linie von seiner Qualität ab; bei reichlich vorhandenen Sträuchern und ergiebigem Nahrungsangebot, kann eine Fläche von 1300 Quadratmetern ausreichen. Sind die Bedingungen weniger günstig, benötigt die Nachtigall bis zu 20.000 Quadratmeter, um ihren Nahrungsbedarf zu decken. Die Reviere der Erstansiedler werden oft durch die Ankunft weiterer Nachtigallen verkleinert. Bei hoher Siedlungsdichte müssen sich die spät eintreffenden, meist einjährigen Männchen am Rande des Gebietes unter weniger optimalen Bedingungen ansiedeln.
Mehr Natur wagen
„Vor etwa 50 Jahren konnte man bei einem Spaziergange um die Promenade der Stadt an einem Mai-Abende 15 bis 20 Nachtigallen schlagen hören, jetzt vielleicht drei bis vier. Früher gab es viel weniger Wohnhäuser und viel mehr größere Gärten an den Promenaden, namentlich aber waren früher die Promenaden mit dichten Gebüschen etwas wild und waldähnlich gehalten, während jetzt jeder Busch ängstlich von dem trockenen Laube des Vorjahres befreit und ausgeharkt und die Rasenflächen schön blank und kurz frisiert werden.“ Was hier ein Naturfreund bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beklagte, ist leider heute mehr denn je Realität.
Zum Verwechseln ähnlich: Der Sprosser
Der Sprosser brütet in Deutschland in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, im Nordosten von Brandenburg und am Rande Berlins. Diese Gebiete begrenzt südwestlich eine Zone, in der Sprosser und Nachtigall gemeinsam brüten. Jedes Jahr werden einzelne Männchen jedoch auch außerhalb des bisherigen Verbreitungsgebietes gehört; der Sprosser breitet sich offensichtlich langsam Richtung Westen aus.
Nachtigall und Sprosser sind sehr nahe verwandt und einander zum Verwechseln ähnlich; sie sind sogenannte Zwillingsarten. Häufig lässt nur die Kombination vieler Einzelmerkmale eine einwandfreie Bestimmung zu. Typisch für den Sprosser sind seine dunklere Färbung, die gemusterten Unterschwanzdecken und die graubraune Brustfleckung.
Nachtigall und Sprosser bewohnen ähnliche Lebensräume. Wo beide Arten vorkommen, besetzt der Sprosser die feuchteren Stellen. Ihre Reviere überlappen sich nicht, ein Revier wird also gegen ein Individuum der anderen Art genauso abgegrenzt wie gegenüber den Individuen der eigenen Art. Ihre Gesänge haben viele Gemeinsamkeiten; in Gebieten, in denen beide Vögel brüten, übernimmt der Sprosser manchmal ganze Nachtigallenstrophen oder längere Gesangspassagen; der umgekehrte Fall wurde bisher nur in zweimal beobachtet. Der Anteil der Mischsänger kann bis zur Hälfte einer Sprosserpopulation betragen, besonders in Gebieten, wo weniger Sprosser als Nachtigallen brüten.
Große Friedhöfe, Parkanlagen und großzügige Privatgärten gehörten noch Anfang unseres Jahrhunderts zum gewöhnlichen Lebensraum der Nachtigall. Erst mit dem Einzug drastischer Pflegemaßnahmen für Friedhöfe und Parkanlagen schwanden die Lebensräume für die lebhafte Sängerin. In Zeiten, in denen die peinlich genau gepflegten Friedhöfe und öffentlichen Gartenanlagen keine verwilderten Bereiche mit dichtem Gebüsch, reichem Unterwuchs, einer Laubschicht und Brennnesseln besitzen dürfen, ist dort auch für die Nachtigall kein Raum mehr. "Mehr Natur wagen" bedeutet nicht nur einen Gewinn für Pflanzen und Tiere, sondern auch für den Menschen, der statt sterilen Rasenflächen bunte Blumenwiesen und Schmetterlinge erleben kann.
Einen ersten drastischen Rückgang der Nachtigall gab es bereits im vorvorigen Jahrhundert, anders als heute allerdings klimatisch bedingt. Mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts trat in Nordwesteuropa eine Klimaveränderung ein, die relativ kühle Sommer mit sich brachte. Erst Mitte der dreißiger Jahre wurden die Sommer wieder wärmer und die Nachtigall konnte sich in ihren ehemaligen Brutgebieten wieder ansiedeln. In Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, im Norden von Niedersachsen und südwärts bis Nordrhein-Westfalen war dagegen bereits in den fünfziger Jahren wieder ein Bestands- und Arealrückgang zu verzeichnen.
Auwälder schützen
Die klimatischen Bedingungen für die Nachtigall sind heute eher gut, doch die besiedelbare Fläche nimmt stetig ab. So gehört auch die Nachtigall zu den Tieren, die von einer schleichenden Lebensraumvernichtung betroffen sind. Voraussetzung für einen dauerhaften Schutz der Nachtigall ist, dass die Maßnahmen zur Renaturierung von Flüssen und Bächen erweitert und verstärkt werden und eine Verdrängung der natürlichen Auwälder durch Pappelforste verhindert wird. Flüsse und Bäche brauchen mehr Raum zur natürlichen Entwicklung, damit sich natürliche Flussläufe mit Steilufern, Mäandern, Seitenarmen und Kiesbänken bilden können. Auwälder als natürliche Schutzstreifen tragen außerdem dazu bei, die Flüsse vor Überdüngung und Pestiziden zu bewahren, die von unmittelbar benachbarten landwirtschaftlichen Flächen eingetragen werden.
Auwälder gehören in Deutschland zu den seltensten Ökosystemen überhaupt, denn seit Mitte des letzten Jahrhunderts wurden praktisch alle großen Flüsse begradigt, vertieft und eingedeicht. Nur Reste dieses Landschaftstyps sind an den Altwässern des Oberrheins, an Isar, Inn und Donau, und vor allem an den Flüssen der neuen Bundesländer, an Elbe, Havel und Oder, verblieben. Die letzten intakten Gebiete gilt es heute zu schützen und zu erweitern.
Noch steht die Nachtigall nicht auf der Roten Liste der bundesweit vom Aussterben bedrohten Vogelarten. Doch so viel wie es scheint, sind die geschätzten 95.000 Brutpaare in Deutschland auch nicht. Zum Vergleich: Wirklich häufige Vögel wie etwa die Kohlmeise bringen es auf rund zehn Millionen Paare. Nachtigallen konzentrieren sich mehr und mehr auf wenige Lebensräume wie Auwälder, Waldränder und Feldgehölze - und auch diese Habitate sind bedroht. Regional wird die Nachtigall bereits in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern als gefährdet eingestuft. Tun wir jetzt etwas, bevor es für eine Umkehr zu spät ist.
Barbara Wagner
Kurzporträt mit Gesangsaufnahme
Ein schlichtes Äußeres, aber eine gewaltige Stimme - das sind die Hauptkennzeichen der Nachtigall. Sie ist etwa 16 bis 17 Zentimeter groß. Auf der Oberseite ist ihr Gefieder rötlichbraun mit kastanienbraunem Oberschwanz. Mehr →
Verwandte Themen
Wer weiß, in welchem Teil des Lebensraums Vögel gewöhnlich singen, kann sie leichter finden, wenn man sie direkt beobachten will. Jede Vogelart bevorzugt für sich typische Singplätze. Wer sie kennt, hat mehr Freude am Vogelgesang und weiß besser, wie er die Sänger schützen kann. Mehr →
Besonders in Frühjahr und Sommer können Frühaufsteher*innen am Morgen ein wahres Vogelstimmenkonzert erleben. Doch nicht jeder Vogel stimmt zur gleichen Zeit ein. An der Vogeluhr können Sie ablesen, wie viele Minuten vor Sonnenaufgang die Vögel mit ihrem Gesang beginnen. Mehr →
Bei uns Menschen geht es meist romantisch zu bei der Paarbildung, denn Mann und Frau möchten beide umworben werden. In der Tierwelt ist es etwas einseitiger. Da wird auch beworben, allerdings müssen hier häufig nur die Männchen hart arbeiten, wenn die Balzzeit beginnt. Mehr →
Weißdorn, Vogelbeere oder Wilder Wein: Wer Vögeln in seinem Garten einen reich gedeckten Tisch bieten möchte, pflanzt am besten heimische Gehölze oder Stauden. Welche eignen sich besonders und worauf muss man beim Pflanzen achten? Mehr →
Spielerisch lädt der Vogeltrainer dazu ein, häufige Vogelarten besser kennenzulernen. Quizfragen und Bilderrätsel sorgen für Abwechslung beim Lernen und im Vogelkarussell wird Ihr Punktestand gespeichert. Erfahren Sie mehr über unsere Vogelwelt! Mehr →