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Der Kormoran ist Vogel des Jahres 2010
Kormoran-Materialien | Der Kormoran braucht Freunde
Die Dame scheint nicht abgeneigt. Er wirft sich in Schale und „flaggt“, den Kopf in den Nacken gelegt, die Flügel halb angelegt nach hinten gerichtet, den gefächerten Schwanz nach oben gestellt. Das hat doch bisher noch jedes Jahr geklappt...
Frühlingsgefühle
Na also, sie will. Er legt die Flügel an und hält sie am Nacken fest, schon ist‘s geschehen. Dann werden wir uns mal ums Nest kümmern. Der Frühling zieht ins Land und eh man sich versieht, liegen drei bis vier hellblaue Eier im Nest. Nur nicht kalt werden lassen, jetzt wird gebrütet. Er und sie wechseln sich ab und nach vier Wochen schlüpfen die Kleinen. Die Flaumballen entwickeln schnell Appetit: Mehr Fisch!
Kein Problem. Wenn jemand Fische fangen kann, dann der „Vogel des Jahres 2010“. Genommen wird, was vor den gekrümmten Schnabel kommt und bei drei nicht im Versteck ist. Ideal sind Fische von bis 10 bis 20 Zentimetern Länge, die lassen sich dann gleich unter Wasser runterschlucken. Größere Beute macht schon mehr Mühe und ergibt sich während der bis zu einer Minute langen Tauchgänge nicht gleich. Der Kormoran muss nach oben und den sperrigen Fisch über der Wasseroberfläche bearbeiten.
So entsteht übrigens eines der zahlreichen Kormoran-Missverständnisse. Angler und Fischer schwören Stein und Bein, dass Herr und Frau Kormoran ständig Riesenfische fressen. Sie haben es doch selbst gesehen – aber halt die vielen kleinen Beutefische unter Wasser nicht.
Schwere Knochen
Die Flügel angelegt, kommt der Kormoran im Wasser gut voran. Die vergleichsweise schweren, weil luftarmen Knochen und das sich vollsaugende Gefieder lassen ihn schnell untertauchen, meist nur einen bis drei Meter tief, im Meer geht es auch mehr als 30 Meter runter. Als Selbstversorger braucht der Kormoran täglich rund 300 Gramm Fisch, wartet Nachwuchs im Nest, muss er gut ein Pfund heranschaffen. Nach dem Tauchen gilt es aber erst einmal, mit ausgebreiteten Flügeln das Federkleid wieder abtrocknen zu lassen.
Junge Kormorane sind echte Nesthocker. Zwar sind sie nach zwei Monaten flügge, sie lassen sich aber weitere drei Monate von den Eltern füttern. Kein Wunder also, dass Kormorane meist nur einmal im Jahr Nachwuchs großziehen. Flügge Jungkormorane haben noch ein graues Federkleid. Erwachsene, Männlein wie Weiblein, sind an Brust und Hals schwarz gefärbt, die Flügelfedern sind braun mit grün-metallischem Glanz und schwarzen Außenrändern. Der Kopf ist zur Paarungszeit erstaunlich bunt, mit rot-gelben Wangen, einem weißen Federkranz und – natürlich ganzjährig – tief smaragdgrünen Augen.
Dass Herr und Frau Kormoran bei uns Nachwuchs aufziehen, an der Küste, an der Mecklenburgischen Seenplatte oder am Oberrhein, war lange keine Selbstverständlichkeit. Grüne Augen hin oder her, als lästige Fischfresser wurden Kormorane Jahrhunderte lang radikal verfolgt. Um 1900 schließlich waren sie in Deutschland praktisch ausgerottet. Von den Niederlanden und Polen kommend breiteten sie sich später wieder etwas aus, wurden erneut verfolgt und 1980 gab es nur noch einige hundert Paare, in der alten Bundesrepublik weniger als hundert.
Fluch des Erfolgs
Als 1979 ein vollständiges Verfolgungsverbot erlassen wurde, zeigten die Kormorane, was in ihnen steckt. Dank des guten Nahrungsangebotes vermehrten sie sich schnell, besiedelten alte verwaiste Brutplätze wieder und ließen sich sogar in Regionen nieder, wo man seit Menschengedenken keine brütenden Kormorane mehr gesehen hatte. Heute gibt es in Deutschland rund 24.000 Brutpaare, davon mehr als die Hälfte in den großen Küsten-Kolonien.
Für Naturschützer war dies bis zu diesem Punkt eine großartige Erfolgsgeschichte. Doch schon bald häuften sich die Klagen von Anglern und Fischern, der Kormoran fresse ihnen in Flüssen, Seen und Teichen die Fische weg. Bei den Politikern fanden sie Gehör. Fast alle Bundesländer haben inzwischen Kormoran-Verordnungen erlassen, die Abschuss und Vertreibung der Vögel erlauben.
Abschuss von Wintergästen
Derzeit werden bei uns jährlich 15.000 Kormorane getötet. Dem fallen auch in großer Zahl Wintergäste zum Opfer, die aus Nord- und Osteuropa zu uns kommen. Mit der Wahl zum „Vogel des Jahres 2010“ wollen der NABU und sein bayerischen Partner LBV für das Überlebensrecht des Kormorans werben und das Thema in die Öffentlichkeit tragen.
Dass der Kormoran kein pflegeleichter Vogel des Jahres sein würde, war von vornherein klar. Schließlich führen Angler und Fischer die Auseinandersetzung seit Jahren hoch emotional. Und tatsächlich waren die Reaktionen äußerst heftig. Die Wahl des Kormorans sei „ein Schlag in das Gesicht aller Demokraten und wirklichen Naturschützer“ schimpften die beiden großen Fischerei- und Anglerverbände VdSF und DAV in einer Pressemitteilung. NABU und LBV bewegten sich damit „außerhalb jeglicher Vernunft“. Außerdem habe der Kormoran nicht „das Recht, andere Arten auszurotten, nur weil er Federn hat“.
Die wahren Naturschützer
Fischer und Angler versuchen also ähnlich wie manchmal Jäger oder Landwirte ihre Eigeninteressen zu kaschieren und sich als die „wahren Naturschützer“ darzustellen. Bei NABU und LBV dagegen „höre der Naturschutz an der Wasseroberfläche auf“, tönt es immer wieder. Man versucht das eine Wildtier, den Kormoran, gegen andere Wildtiere, vor allem Aal und Äsche, auszuspielen. Dass Aal und Äsche viel mehr an naturfernen Lebensräumen leiden, der Aal zudem am Glasaalfang und die Äsche an Gewässer-Erwärmung, wird beiseitegeschoben. Außerdem ist Gewässerrenaturierung eine aufwändige Sache und Kormorane abschießen viel einfacher.
Zweifellos ist der Kormoran für Fischer und Angler Nahrungskonkurrent. Ob und in welchem Ausmaß Kormorane den Anglern an Bächen und Flüssen Fische abjagen, kann dabei weitgehend außer Acht gelassen werden. Die Angler können nur abschöpfen, was die Natur an Überschuss anbietet; Kormorane, Eisvögel und Fischotter haben hier angestammte Rechte.
Kniffliger sieht es bei Teichwirtschaften aus. Die Teichwirte wollen ihr Eigentum schützen, auch gegen Herr und Frau Kormoran. Passive Abwehr durch Überspannen von kleinen Teichen ist weitgehend unumstritten. An größeren Teichen dagegen, so sagen die Betreiber, sei etwa die Aufzucht kleiner Satzfische kaum mehr möglich. Sie fordern ein „Kormoranmanagement“ und meinen damit Abschüsse oder die Zerstörung von Brutkolonien im großen Stil.
Dabei haben die Kormorantötungen im bisherigen Umfang bundesweit betrachtet kaum Auswirkungen auf den Gesamtbestand und damit auch den Fraßdruck nicht dauerhaft verringert. Der Abschuss von 15.000 Kormoranen pro Jahr ist demnach ein völlig sinnloses Schlachten. Der NABU will den „Vogel des Jahres 2010“ deshalb auch nutzen, um mit Fischern und Teichwirten konstruktiv nach Alternativen zu suchen, von akustischer Vergrämung, über Renaturierungen bis hin zu Einbeziehung extensiver Teichwirtschaften in eine landwirtschaftliche Grundförderung.
Helge May
Kormoran-Materialien
- Das Infopaket zum Kormoran: Für nur zwei Euro plus Versandkosten bietet der NABU-Natur-Shop ein Infoset zum Vogel des Jahres 2010 an. Enthalten sind die 34-seitige Jahresvogelbroschüre, ein A2-Poster, ein Aufkleber und eine Postkarte. Bestellnummer: 57777-2.
- Wer lacht, hat mehr vom Leben: Der Cartoonist Fred Fuchs hat für den NABU drei lustige Kormoran-Postkarten gezeichnet. Sie sollen für den Kormoran werben und helfen, die Kormoran-Debatte zu entspannen. 15 Postkarten – fünf mal drei – kosten beim NABU-Natur-Shop nur 1,50 Euro plus Versandkosten. Bestellnummer: 1933. Adresse: Am Eisenwerk 13, 30519 Hannover, Tel. 0180-5333038.
- Zeitgleich mit der Pressevorstellung des Kormorans haben alle NABU-Gruppen einen Jahresvogel-Aktionsleitfaden samt DVD erhalten. Wer noch Bedarf hat, kann den Aktionsleitfaden auch im NABU-Verbandsnetz herunterladen oder im dortigen Online-Shop Leitfaden plus DVD kostenlos anfordern.