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Jetzt NABU-Mitglied werden!Bund und Länder einig: Keine pauschalen Abschüsse von Wölfen
Herdenschutz bleibt Voraussetzung für Entnahme einzelner Wölfe
07. Dezember 2023 – Die Umweltminister*innen der Länder haben auf ihrer 101. Konferenz in Münster die Vorschläge von Bundesumweltministerin Steffi Lemke über Regelungen der Entnahme von auffälligen Wölfen einstimmig angenommen. Ein Beschluss, der aus Sicht des NABU in die richtige Richtung geht, denn damit bleiben in Deutschland weiterhin pauschale Abschüsse von Wölfen verboten. Wie die neuen Regelungen allerdings in den Ländern angewandt werden, ist noch unklar.
„Die Vorschläge von Bundesumweltministerin Lemke können dabei helfen, schnellere Entscheidungen zu Wölfen mit wirklich problematischem Verhalten zu treffen. Es geht dabei aber nur um Wölfe, die den zumutbaren Herdenschutz überwunden haben. Pauschalen Abschüssen wurde von Bund und Ländern gemeinsam eine Abfuhr erteilt”, erklärte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Die meisten Wölfe werden von einem guten Herdenschutz abgehalten. Streitpunkt wird sicher die Bewertung der Zumutbarkeit von Herdenschutz sein – hier gehen die Auslegungen der Bundesländer jetzt schon auseinander. Trotzdem bleibt Herdenschutz das A und O. Die Weidetierhaltung muss hierbei und in ihrer generellen Arbeit unterstützt werden.“
Was genau beinhalten die neuen Regelungen?
Unterschieden werden können in Zukunft Gebiete mit oder ohne „erhöhtes Rissvorkommen“. In die Wertung fallen nur Risse, bei denen die Weidetiere zumindest durch den Grundschutz geschützt waren. In Gebieten ohne erhöhtes Rissvorkommen bleibt quasi alles wie bisher. Nur in Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen wurden die Handlungsmöglichkeiten gegenüber auffälligen Wölfen um folgende Punkte erweitert, die als „Schnellabschüsse“ betitelt werden:
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Eine Abschussgenehmigung ist schon nach einmaligem Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes möglich (bisher waren es mindestens zwei Überwindungen)
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Diese Genehmigung gilt für 21 Tage nach dem Rissereignis in einem Umkreis von 1.000 Meter um die betroffene Weide. Dies auch nur für einen Wolf, und nicht wie befürchtet, für alle Wölfe, die in diesem Zeitraum gesichtet werden
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Auf eine genetische Individualisierung des für den Riss verantwortlichen Wolfes vor der Abschussgenehmigung kann verzichtet werden, wenn die fachlichen Indizien den Wolf als Verursacher eindeutig feststellen (zum Beispiel das Rissbild). Wichtig hier: Die DNA am Riss soll trotzdem genommen werden, um nach einem Abschuss die DNA vergleichen und feststellen zu können, ob der richtige Wolf getroffen wurde.
„Schnellabschüsse“ bedeuten also keinesfalls, dass Wölfe ohne Überwindung von Herdenschutz getötet werden dürfen, oder gar eine allgemeine Jagd ausgerufen wird. Der NABU hält die Beschlüsse der UMK grundsätzlich für sinnvoll, sieht aber strukturelle und praktische Fallstricke in der Umsetzung. Den Ländern werden die essenziellen Auslegungen überlassen, wie zum Beispiel die Definition von „erhöhtem Rissvorkommen“, wie groß solche Gebiete angesetzt werden, und wahrscheinlich größter Knackpunkt: Was genau ist der „zumutbare Herdenschutz“?
Knackpunkt Zumutbarkeit im Herdenschutz
Auch der NABU hält es für richtig, dass einzelne Wölfe, die gelernt haben, den empfohlenen Herdenschutz zu überwinden, in letzter Konsequenz getötet werden. Das kommt zum Glück nur sehr selten vor, die meisten Wölfe halten sich an Herdenschutz.
Doch was ist nun genau der Herdenschutzstandard, der eine Entnahme rechtfertigt? Hier gehen die Ansichten in den Ländern auseinander, Bayern zum Beispiel sieht alles über Mindestschutz (90 cm Zäune) als nicht zumutbar an. Viele andere Bundesländer empfehlen 120 cm Zäune als zumutbar.
Warum die Zumutbarkeit im Herdenschutz so heikel ist, erklärt Marie Neuwald, Referentin für Wölfe und Beweidung: „Zumutbar ist nicht immer gleichbedeutend mit technisch möglich. Technische Lösungen im Herdenschutz lassen sich für alle Landschaftstypen finden. Sie bedeuten aber einen unterschiedlich hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Von daher kann es sinnvoll sein, in absoluten Extremlagen einen geringeren Herdenschutzstandard als zumutbar anzusetzen, als zum Beispiel im Flachland. Die Gefahr besteht jedoch, dass einzelne Bundesländer pauschal nur einen sehr niedrigen Herdenschutz als zumutbar klassifizieren, der nicht unbedingt eine wolfsabweisende Wirkung hat. Von daher wird auch nach der Einigung der Minister*innen auf der UMK in den einzelnen Ländern noch viel Diskussion bevorstehen.”
Neben dem Thema der Einzelentnahmen fordert der NABU Bund und Länder weiterhin dazu auf, ihre Rissstatistiken zu vereinheitlichen und um die Angabe zu ergänzen, ob und welcher Herdenschutz überwunden wurde. Nur so können sich alle Beteiligten und Interessierten ein Bild zur tatsächlichen Risslage und zum Wolfsverhalten machen.
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