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Jetzt NABU-Mitglied werden!Scharfe Kritik an Pakt für Planungsbeschleunigung
Beschlüsse öffnen Tür für neue Ära der Naturzerstörung
6. November 2023 – Wissenschaftliche Ignoranz, massive Einschränkungen, völkerrechtswidrig: Der NABU sparte zuletzt nicht mit deutlicher Kritik an Maßnahmen des Pakts für Beschleunigung. Diese wurden am heutigen Montag von den Ministerpräsident*innen und Bundeskanzler beschlossen. Im Kern zielen die Maßnahmen vor allem auf die Einschränkung von Beteiligungsmöglichkeiten und eine Absenkung von Umweltstandards.
Der NABU unterstützt das grundsätzliche Ziel des Pakts, Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland zu beschleunigen, kritisiert aber aus Sicht des Naturschutzes die fehlende Qualität der Beschlüsse.
„Die Pläne zur Planungsbeschleunigung versprechen Geschwindigkeit durch den einseitigen Abbau von Umweltstandards. Damit werden viele Errungenschaften des Umweltschutzes der letzten Jahrzehnte aufs Spiel gesetzt. Die Vergiftung von Böden und Flüssen, das Waldsterben, der saure Regen und andere wirtschaftsbedingte Umweltbelastungen wurden durch naturschutzrechtliche Regelungen eingedämmt. Bundeskanzleramt und Landesregierungen wollen Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfungen abschaffen”, kritisiert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Geschwindigkeit werde aktuell vor allem in unterbesetzten Verwaltungen und Gerichten verloren und nicht durch das Abholzen von Wäldern gewonnen. „Das kostet Akzeptanz vor Ort und ebnet den Weg in eine neue Ära rücksichtsloser Naturzerstörung - auch zugunsten fossiler Infrastruktur”, so Krüger.
Zuvor hatte der NABU in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz sowie an die regierenden Ministerpräsident*innen der Bundesländer bereits vor der Absenkung von Umweltstandards gewarnt. Die Politik wolle Deutschland „schneller, moderner, sicherer“ gestalten. Doch die Ansätze von Bundesregierung und Landesregierungen würden aus Sicht des Umweltverbands das genaue Gegenteil bewirken. Sie würden Deutschland „verwundbarer, unsicherer und ungesünder“ machen.
„Es ist unstrittig, dass Deutschland angesichts vielfältiger Herausforderungen vor gewaltigen Transformationsaufgaben steht, die mit völlig neuer Dynamik und auch einem gesunden Pragmatismus angegangen werden müssen“, heißt es unter anderem in dem Brief mit Blick auf Baustellen wie Infrastruktur, Klima- und Ressourcenschutz. Der Entwurf des Pakts enthalte dazu auch einige begrüßenswerte Ansätze, loben NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger, Naturschutzjugend sowie alle NABU-Landesvorsitzenden.
Was steckt hinter dem „Deutschland-Pakt“ bzw. Pakt für Planungsbeschleunigung?
Der „Deutschland-Pakt“ geht auf einen Appell von Olaf Scholz im September 2023 zurück. Er hatte in einer Regierungserklärung an Vertreter*innen aller Parteien in Bund, Land und Kommunen appelliert, gemeinsam an der Modernisierung Deutschlands zu arbeiten. Der Pakt solle das Land schneller, moderner und sicherer machen. Neben Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung geht es auch um andere Themen, wie beispielsweise die Asyl- und Migrationspolitik.
Das Wort „Pakt“ fällt allerdings auch schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien (auf Seite 12). Dort ist die Rede noch von einem „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung mit den Ländern“.
Was heißt eigentlich „Planungsbeschleunigung“?
Ob es um eine Windkraftanlage, ein Haus oder ein Naturschutzprojekt geht: Es wird immer wieder kritisiert, dass Verfahren und Projekte in der Bundesrepublik zu lange dauern. Bemängelt werden dabei beispielsweise die schwerfällige Bürokratie, fehlende Digitalisierung, juristische Hürden, Formalitäten und viele andere Hemmnisse.
Deswegen arbeitet die Politik daran, diese Planungszeiten zu verkürzen, also diese zu beschleunigen.
Warum kritisiert der NABU die Ansätze zur „Planungsbeschleunigung“ so scharf?
Weil mehrere Maßnahmen Umwelt-, Klima- und Naturschutz aushöhlen würden. Beispielsweise sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen entfallen, es soll mehr Ausnahmen beim Artenschutz geben und auch Widerspruchs-Möglichkeiten sollen reduziert werden.
Das wäre eine Beschleunigung auf Kosten unserer Lebensgrundlagen. Außerdem werden Klagen von Naturschutzverbänden stets im Interesse der Öffentlichkeit und der Generationengerechtigkeit geführt. Sie stellen ein wichtiges Element von Rechtsstaatlichkeit dar.
Was sagen andere Verbände?
Umweltorganisationen wie BUND, Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, WWF sowie GLI und auch der Dachverband DNR (Deutscher Naturschutzring) schließen sich der Kritik an und sehen in den Vorschlägen zur Planungsbeschleunigung ebenso eine Gefahr für Umwelt und Rechtsstaat.
In einer gemeinsamen Mitteilung kritisieren die Verbände zudem, dass damit das eigentliche Problem der langsamen Genehmigungsverfahren in Deutschland nicht behoben wird.
Gibt es andere Vorschläge?
Ja. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, könnten Personal und Ressourcen in den betroffenen Behörden aufgestockt werden, schlagen die Umweltverbände vor. Außerdem könnte dort die Digitalisierung vorangebracht und Prozesse optimiert werden.
Befürchtung: entkernter Naturschutz
Doch bei den konkreten Ansätzen geht es offenbar vor allem um die Reduzierung von Rechtsschutzmöglichkeiten, also zum Beispiel Eilanträge oder Klagen. Und um weniger Öffentlichkeitsbeteiligung bei Natur- und Umweltschutz-Belangen insgesamt. Vor allem eingeschränkte Rechtsschutzmöglichkeiten hält der NABU geradezu für völkerrechtswidrig, wenn vielen Projekten ein überwiegendes oder gar überragendes Interesse beigemessen wird. „Wir müssen davon ausgehen, dass nach dem Vorbild des LNG-Beschleunigungsgesetzes, aber auch bekannt gewordenen Überlegungen des Bundesverkehrsministeriums in Bezug auf den Neubau von Fernstraßen künftig inflationär von dieser Kategorisierung Gebrauch gemacht werden würde.“
Aus Sicht des NABU würde damit wirksamer Rechtsschutz praktisch überall unmöglich, der Naturschutz entkernt. „Es steht zu befürchten, dass dies insbesondere dort zur Anwendung kommen würde, wo Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz besonders erwartbar sind.“
Kollektive Kritik von Umweltverbänden
Eine Kritik, die von anderen Umweltorganisationen geteilt wird. BUND, DUH, Greenpeace, GLI, WWF sowie der Dachverband DNR kritisieren die Vorschläge in einer gemeinsamen Mitteilung als „ernsthafte Gefahr für Umwelt und Rechtsstaat.“ Die Verfahrensbeschleunigung sehen die Verbände lediglich als Vorwand, um Umweltstandards und rechtliche Schritte zu beschränken „so massiv wie noch nie zuvor.“ Dabei sei der Schutz von Umweltstandards kein überflüssiger Luxus, sondern Existenzgrundlage.
Ansätze, die langsame Genehmigungspraxis in Deutschland zu beheben, sehen die Verbände hingegen woanders: in den Genehmigungsbehörden. Dort müssten Personal und Ressourcen aufgestockt werden, Prozesse optimiert und die Digitalisierung vorangebracht werden.
NABU bietet Mitarbeit an
Für eine wirklich nachhaltige Beschleunigung bietet der NABU seine Mitarbeit an: „Planungs- und Genehmigungsverfahren zu verbessern und zu beschleunigen kann kein einseitiges staatliches Vorhaben sein, sondern muss gesamtgesellschaftlich getragen werden. Hierfür übernehmen wir gerne Mitverantwortung.“
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