Die einzigartige Storchenfamilie im Nest. Hier war der Nachwuchs noch ganz klein, inzwischen aber ... - Foto: Jan Piecha
„Lina“ und „Ludger“ sind schon ausgeflogen
Weißstorch und Schwarzstörchin bekommen einzigartige Küken
UPDATE | 04. September 2023 – Neuigkeiten von den berühmtesten Störchen Niedersachsens: Die einzigartigen Küken eines Weißstorchs und einer Schwarzstörchin wurden inzwischen „Lina“ und „Ludger“ getauft. Ludger, nach der nahegelegene Ortschaft Lüder benannt, ist der größere, dunkle Jungvogel. Lina ist das kleinere, helle Jungtier. Lina bedeutet unter anderem „die Kleine“ und wird die NABU-Community auch an Gründerin Lina Hähnle erinnern.
„Beide sind mittlerweile ausgeflogen, halten sich aber noch, zusammen mit den Altvögeln, in der Nähe des Brutstandortes auf“, berichtet NABU-Mitarbeiter Joachim Neumann. „Sie machen einen munteren, gesunden Eindruck und werden vermutlich bald den Weg gen Süden antreten. Da es sich optisch um sehr auffällige Tiere handelt, hoffen wir, dass wir auch von den Zugwegen Rückmeldungen erhalten“, sagt er.
„Sie haben viel geübt für ihren weiten Flug“
Seit ihrer Geburt im Mai begeistern Ludger und Lina Vogelfans rund um die Welt. In der Facebook-Gruppe für „Aktuelle Storchennachrichten“ schrieb Petra Biermann Ende August, dass die kleine Familie noch in Lüder sei, aber viel unterwegs. „Allen geht es gut und sie haben viel geübt für ihren weiten Flug“, so Biermann.
In den Tagen davor beobachtete sie, wie Papa Heinrich und die Jungstörche das Fliegen übten. Der Weißstorch habe dem Nachwuchs allmählich weniger Futter gebracht, während die Jungvögel lernten, sich selbstständig zu ernähren. Und auch die Schwarzstörchin konnte Biermann beobachten, wie sie „gemeinsam mit Heinrich im Wald auf einer abgemähten Wiese“ stand.
Ein unwahrscheinliches Paar
26. Juli 2023 – Schwarzstörche und Weißstörche haben generell verschiedene Lebensweisen, sie bevorzugen unterschiedliche Lebensräume, Nistmaterialien und Beutetiere. Trotz dieser Hürden fand sich das Paar zusammen. Der stolze Vater ist der Wissenschaft bekannt – „Heinrich“ nistet seit 2019 in der Nähe der niedersächsischen Gemeinde Lüder, in vergangenen Jahren zusammen mit der Weißstörchin „Ilse“. Lokale Vogelexperten meinen laut NDR auch seine neue Partnerin zu erkennen: Zwar ist die Schwarzstörchin nicht beringt, dennoch meint der ehrenamtliche Schwarzstorchbetreuer Arne Torkler, es sei wahrscheinlich „Isis“. Sie war in vergangenen Jahren demnach durch erfolglose, teilweise auch aggressive Kontaktversuche zu Weißstörchen aufgefallen. Ihre Annäherungsversuche wies Heinrich auch dieses Jahr erstmal zurück. Als Partnerin „Ilse“ aus dem Überwinterungsquartier aber nicht zurückkehrte, zeigte sich der Weißstorch offenbar für eine neue Liebe bereit.
Auch nach dem Beginn des Nestbaus gab es anscheinend noch Reibungsverluste. Kaum schmückte die Schwarzstörchin den Horst mit Moos, entfernte der Weißstorch dieses wieder und ersetzte es mit Gras. Immerhin: Das Nest stand am Ende und wurde im April mit drei Eiern belegt, aus denen einen Monat später zwei Küken schlüpften – eins mit weißem Kopf und grauem Körper, das andere mit grauem Kopf und schwarzem Körper.
Die Verschiedenheiten der Eltern zeigten sich auch in Sachen Nahrungsbeschaffung für die Jungvögel: So brachte Papa Storch vorwiegend Mäuse und Insekten für die Kleinen, während Mama für Fische sorgte. Schwarzstörche sind nämlich Kulturflüchter, die normalerweise in ungestörten Wäldern brüten und ihre Nahrung in Bächen suchen, erklärt Kai-Michael Thomsen, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Storchenexperte des Michael-Otto-Instituts im NABU. Dagegen sind Weißstörche Kulturfolger, die sich dem Menschen angepasst haben und auf Wiesen und Weiden nach Nahrung suchen. Deshalb ist eine solche Paarung laut Thomsen ungewöhnlich in freier Natur.
Auch Schwarzstorchexperte Torkler hebt die Einzigartigkeit dieser Verbindung hervor: „Die Laune der Natur hat hier komplett zugeschlagen.“ Das Paar sei zwar durchaus eine Sensation. „Trotzdem macht man sich natürlich Gedanken. So soll es nicht sein. Der Schwarzstorch gehört für mich in den Wald und nicht auf den Mast, um dann Hybriden auszubrüten“, sagt er.
Immer weniger Schwarzstörche in Niedersachsen
Dass es trotzdem dazu kam, könnte ein isolierter Fall von ungewöhnlichem Paar-Verhalten bei dieser einen Störchin sein. Oder aber auch ein Hinweis darauf, dass etwas mit dem Schwarzstorch-Bestand nicht in Ordnung sei, so Torkler weiter. Insgesamt sei die Population der Schwarzstörche in Niedersachsen rückläufig. Klimawandel, fehlende Nahrung und Raubtiere machten den Vögeln zu schaffen. Wie Thomsen berichtet, ist die Bestandsentwicklung bei den Weißstörchen besser: in Westdeutschland positiv und im Osten stabil.
Spannend: Die Entwicklung der Jungvögel
Mit Blick auf die Zukunft der kleinen Storchenfamilie bleiben viele Fragen offen. „Falls ‚Ilse‘, das reguläre Weibchen, doch noch auftauchen sollte, könnte es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Weibchen kommen, bei der die kleinere Schwarzstörchin schlechte Chancen hätte“, sagt Waldemar Golnik vom NABU Uelzen. Auch die Frage, ob sie Küken fruchtbar sind, ist noch unklar. Thomsen verweist auf Beispiele von gemischten Bruten in Tierparks, die steril waren und sich nicht fortpflanzen konnten. Ob der Nachwuchs unfruchtbar ist, zeige sich frühestens in drei Jahren.
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