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Jetzt NABU-Mitglied werden!Schwer enttäuschend für Klima- und Naturschutz
Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses
30. März 2023 - Unterm Strich sind die Ergebnisse des Koalitionsausschusses eine herbe Enttäuschung, insbesondere für den Klimaschutz. Hier finden Sie die verschiedenen Maßnahmen im Überblick:
Klimaschutzgesetz
Beim Klimaschutzgesetz sind viele der Worthülsen aus dem Koalitionsvertrag geblieben und führen erneut zu Diskussionen. Die verbindlichen Sektorziele (zur Einsparung von CO₂-Emissionen) etwa für den Verkehr- oder Gebäudebereich im Klimaschutzgesetz wurden gestrichen. Damit wäre es künftig möglich, nicht erreichte Einsparungsziele eines Sektors in einem anderen auszugleichen.
Zudem wird das Klimaschutzgesetz überarbeitet. Das bedeutet im Klartext: abgeschwächt. Die jährliche Überprüfung, ob die Ziele eingehalten wurden, fällt weg. Ebenso hat die Regierung die Sanktionen abgeschafft für Sektoren, die die nationalen Klimaschutzvorgaben verpassen. Das Ergebnis: Klimaschutz wird unter der Ampel-Koalition wieder völlig unverbindlich, bisher erreichte Erfolge werden weggekürzt.
Besonders bitter: Monatelang hieß es, dass die aufgeweichten Sektorenziele durch ein schlagkräftiges Klimaschutz-Sofortprogramm ausgeglichen werden soll. Mit dem Beschluss des Koalitionsausschusses wird das im Koalitionsvertrag versprochene Klimaschutz-Sofortprogramm nun abgeräumt.
Verkehr
Der Verkehrssektor ist einer der entscheidenden Schlüsselbereiche, in dem die Weichen für effektiven Klimaschutz gestellt werden müssen. Doch genau in diesem Bereich wurde beschlossen, dass eine noch zu verhandelnde Zahl an Autobahnausbau-Projekten beschleunigt werden soll. 144 Projekte liegen zur Auswahl vor. Dies ist ein katastrophales Ergebnis. Stattdessen hätten Projekte gestrichen werden müssen, um zum Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität beizutragen. Nun aber werden weiterhin alle Projekte des Bundesverkehrswegeplans gebaut – und etliche davon noch beschleunigt. Die Folgen dieser Entscheidung: noch mehr CO₂-Emissionen, versiegelte Flächen sowie zerschnittene und zerstörte Lebensräume.
Wie endlich mehr Klimaschutz im Verkehr stattfinden kann, war der zentrale Streitpunkt der Koalition. Die Einigung ist ein Minimalkonsens: Beschlossen wurden keine Maßnahmen, die Emissionen unmittelbar nennenswert reduzieren, sondern nur Kleinstmaßnahmen, die schon im Koalitionsvertrag vereinbart waren. Weder der CO₂-Aufschlag in der Lkw-Maut noch die kleinteiligen Anreize für mehr E-Mobilität werden die Wende bringen. Effektive Maßnahmen im Verkehrsbereich gegen die Klima- und Naturkrise sehen anders aus.
Planungsbeschleunigung
Die Ampel sieht in schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren einen zentralen Beitrag zur Modernisierung des Landes. Die Planungsverfahren für alle großen Infrastrukturprojekte sollen gestrafft und schneller vorangetrieben werden. Ein überragendes öffentliches Interesse an bestimmten Straßenbauvorhaben gesetzlich festzuschreiben, ist unnötig. Schon nach geltender Rechtslage beachten Behörden und Gerichte die besondere Bedeutung von Vorhaben und beseitigen bei Bedarf Engpässe. Mit dem Argument eines angeblichen „überragenden öffentlichen Interesses“ werden hier Prioritäten bei der Verkehrsinfrastruktur gesetzt. Das torpediert den bereits laufenden Prozess zum Infrastrukturkonsens, der eine Verständigung über die Prioritäten bei der Bundesverkehrswegeplanung zum Ziel hat.
Es ist weiter enttäuschend, dass man sich darauf geeinigt hat, den Vorschlag aus einem Gesetzesentwurf des Verkehrsministeriums durchzuwinken, demzufolge marode Brücken im Zuge ihrer Instandsetzung um weitere Fahrspuren erweitert werden können, ohne dass es einer Planfeststellung bedarf. Hier wird ignoriert oder billigend in Kauf genommen, dass dieser Ausbau dem anschließenden Ausbau der dazugehörigen Straßen dient. Die erwiesene Tatsache, dass durch den Ausbau von Straßen mehr Verkehr entsteht, scheint trotz der Klimaschutzverpflichtungen keine Rolle zu spielen.
Gebäudeenergiegesetz
Bereits im März 2022 hat die Ampelkoalition beschlossen, dass ab 2024 „möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll“. Die Einführung dieses Kriteriums für neue Heizungen kommt nun im April ins Kabinett - das begrüßen wir. Sehr problematisch ist aber der sogenannte technologieoffene Ansatz, der dabei verfolgt werden soll und die Interpretation der FDP, nach der auch Erfüllungsoptionen mit grünem und blauem Wasserstoff sowie Biomasse herangezogen werden können. Außerdem sollen laut FDP auch fossile Heizungen weiterhin zugelassen werden, die Wasserstoff- oder Grüne-Gase-ready sind, wenn ein Transformationsplan für das Gasnetz vorliegt. Es ist ein Skandal, wie die FDP hier Deutungshoheit beansprucht und Verhandlungsmasse für die nächsten Monate aufbaut, die jenseits aller abgestimmten Ergebnisse aus dem Koalitionsausschuss liegt.
Energieeffizienzgesetz
Das Energieeffizienzgesetz wird als nationale Umsetzung der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) auf den Weg gebracht, wenn diese schriftlich vorliegt. Der Prozess soll unmittelbar gestartet werden und Planungssicherheit schaffen, was wir befürworten.
Erneuerbare Energien
Für den Ausbau der Windenergie sollen Länder, Kommunen und Unternehmen mehr Handlungsspielräume bekommen. Die Regionalplanung soll nicht mehr so maßgeblich sein wie bisher. Kommunen sollen auch dann Flächen für Windenergie ausweisen können, wenn die regionalen Planungen in ihrem Gebiet keine Windflächen vorgesehen haben. Dies ist in seiner Allgemeinheit kritisch zu bewerten, weil dadurch die Steuerungswirkung durch die übergeordneten Flächenplanung massiv entkräftet wird. Sollte es sich nur auf eine Ausweisung innerhalb von Gewerbe- und Industriegebieten beziehen, dann ist der Ansatz eher zu begrüßen, weil in vorbelastete Gebiete hereingegangen wird.
Änderung bei der Privilegierung
Zusätzlich soll eine „flächenspezifische Außenbereichsprivilegierung für bestimmte besonders geeignete Flächen“ eingeführt werden. Auf diesen Flächen sollen künftig Windenergieanlagen für die Belieferung der benachbarten Unternehmen errichtet werden können, ebenso soll auch der Eigenverbrauch ermöglicht werden. Diese weitere Kategorie könnte für zusätzliche Unsicherheiten sorgen und verwässert die Steuerungswirkung der Flächenausweisung auf Länderebene. Daher sollte davon Abstand genommen werden.
Erneuerbare Energien an Straßen- und Schienenwegen
Bundesstraßen und Autobahnen sollen künftig stärker von erneuerbaren Energien flankiert werden. An Autobahnen sind vor allem mehr Solarparks vorgesehen, an Bundesstraßen mehr Windenergieanlagen. Bei neuen Autobahnen soll verpflichtend die Möglichkeit zum Bau von Solaranlagen in deren Randbereichen genutzt werden. Auch an Bahnstrecken sollen mehr Solaranlagen entstehen. Die Fokussierung auf Flächen entlang von Straßen und Schienenwegen ist grundsätzlich sinnvoll, da somit die erneuerbaren Energien auf bereits vorbelasteten Standorten gebündelt werden können.
Verstetigung der EU-Notfallverordnung
Die angekündigte Verstetigung der EU-Notfallverordnung ist höchst kritisch zu sehen, denn in ihrer jetzigen Ausgestaltung wird die Artenschutzprüfung praktisch abgeschafft. Das liegt daran, dass die strategische Umweltprüfung (SUP) nicht angepasst wird und gleichzeitig nur unvollständige und veraltete Daten zu Artenvorkommen in den Behörden vorliegen. Überraschend ist dabei auch, dass die Regelung verlängert werden soll, weil sie sich bewährt haben soll – dabei ist sie erst seit Jahresbeginn in Kraft.
Anpassung des Immissionsschutzgesetzes
Der beschleunigte Ausbau von Industrie- und Windenergieanlagen sowie Elektrolyseure für Wasserstoff durch die Anpassung des Immissionsschutzgesetzes muss kritisch begleitet werden. Dem Naturschutz klar entgegenstehende Vorhaben wie dem Ausbau von Bioenergieindustrieanlagen darf kein Vorschub geleistet werden. Es darf zudem nicht zu weiteren Abstrichen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und den Umweltprüfungen kommen.
Naturschutz
Für den Naturschutz bringt der Koalitionsausschuss einige wenn auch vage Ankündigungen: Ein Flächenbedarfsgesetz und der Aufbau eines landesweiten Biotopverbunds soll Deutschland dem international vereinbarten Ziel näher bringen, künftig 30 Prozent von Land und Meer unter Schutz zu stellen. Ob sich hier ein echter Aufbruch verbirgt, wird davon abhängen, ob die Regierung in den nächsten Monaten den Mut hat, der Natur endlich mehr Platz einzuräumen und dafür auch andere Nutzungsinteressen zurückzustellen.
Wenn sich hier nichts bewegt ist zu befürchten, dass die neben dem Klimaschutz „zweite große ökologische Aufgabe unserer Zeit und dieser Koalition“, wie es zu Beginn des Kapitels heißt, nämlich der Erhalt der biologischen Vielfalt, weiter auf die lange Bank geschoben wird.
Dass der Ausgleich von Naturschäden, die durch Infrastrukturprojekte entstehen, künftig flexibler gehandhabt werden soll, kann nur dann ein Fortschritt sein, wenn weiterhin ein räumlicher Zusammenhang und eine möglichst reale Kompensation der Eingriffe sichergestellt wird. Ein finanzieller „Ablasshandel“ wäre inakzeptabel und Rückschritt statt Fortschritt. Naturschutz braucht reale Maßnahmen in der Fläche, um wirksam zu sein.
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