In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Windenergie an Land: Tempo auf Kosten des Naturschutzes
NABU übt scharfe Kritik an neuem Raumordnungsverfahren
25. Januar 2023 – Im Bundestag wird derzeit die Änderung des Raumordnungsgesetzes diskutiert. Ein wichtiger Punkt dabei: Vorranggebiete für Windenergie an Land, also Areale, in denen bevorzugt Windkraftanlagen errichtet werden sollen. In diesen sogenannten Go-to-Gebieten sollen künftig Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfungen entfallen. Pläne, die der NABU scharf kritisiert. Und es geht dabei nicht nur um den fehlenden Artenschutz.
Die Regierung plant mit diesen Änderungen die Umsetzung einer Notverordnung des Rates der EU. Eine Verordnung, die gerade einmal einen Monat alt ist und mit der sich Abgeordnete und Verbände kaum gründlich befassen konnten. Hinzu kommt: Das geänderte Raumordnungsgesetz würde auch auf laufende Verfahren angewendet werden, also auf Anlagen und Gebiete, die sich bereits in der Planung befinden. Politik im Eiltempo.
Hintergrund: Artikel 6 der europäischen Notverordnung
Grundlage für den erneuten Vorstoß zur Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist Artikel 6 der europäischen Notverordnung (EU) 2022/2577 aus dem Dezember 2022. Diese wurde in einem Sonderverfahren ohne Beteiligung des EU-Parlamentes erlassen. Danach können Mitgliedsstaaten in ausgewiesenen Gebieten bei der Zulassung von Anlagen eine Ausnahme von der Pflicht zur Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfung vorsehen. Bedingung ist, dass bei der Ausweisung dieser Gebiete auf übergeordneter Ebene eine strategische Umweltprüfung stattgefunden hat.
Der Artenschutz wird zu dem Zeitpunkt jedoch gar nicht geprüft, sondern erst bei der Genehmigung. Hinzu kommt, dass solche strategischen Umweltprüfungen regelmäßig nicht auf dem jüngsten wissenschaftlichen Stand stattfinden. Wird Artikel 6 umgesetzt, entfällt aus Sicht des NABU eine artenschutzrechtliche Prüfung also gänzlich, weil sie weder auf Planungs- noch auf Genehmigungsebene vorgesehen ist.
Besagter Artikel 6 der Notverordnung ist außerdem auf alle Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien, der Energiespeicherung und Ausbau der Stromnetze anwendbar.
Naturschutzrecht gänzlich außer Kraft gesetzt
Entsprechend scharf fällt die Kritik von NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger aus: „Aktuell erleben wir eher die Jagd nach einem schnellen politischen Gewinn beim Klimaschutz.“ Aus seiner Sicht ignorieren die Notverordnung und ihre Umsetzung, dass Klimaschutz und der Schutz der Natur Verbündete sind. Der Fokus auf kurzfristige Erfolge richte langfristig Schaden an, ist der NABU-Präsident überzeugt: „Uns muss klar sein, wenn wir die Klimakrise nur durch die Schwächung des Naturschutzes angehen, wird uns die Biodiversitätskrise mit Insektensterben, stummem Frühling und verarmten Gewässern erwischen.“
Auch NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller warnt vor den Folgen: „Sollte die Regierung die Notverordnung umsetzen, dann werden in Windenergiegebieten künftig Anlagen genehmigt werden, ohne dass die Auswirkungen auf dort vorkommende Arten oder auf die Umwelt geprüft werden.“ Das Naturschutzrecht würde gänzlich außer Kraft gesetzt. Mögliche Schutzmaßnahmen zum Ausgleich dieser Nachteile hält Miller für eine halbherzige Ausrede: „Wer gar nicht geprüft hat, was es zu schützen gilt, kann auch keine sinnvollen Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen anordnen.“ Aus Sicht des NABU ist so kein effektiver Artenschutz möglich.
NABU fordert bessere Datengrundlage
Sollte es zur Umsetzung der Notverordnung kommen, fordert der NABU deswegen:
- Die Datengrundlage für Umweltverträglichkeitsprüfungen verbessern und digitalisieren
- verbindliche Regelungen für ausreichende Artenschutz-Prüfungen während der Raumplanung
- Schutzmaßnahmen Vorrang geben vor einem finanziellen Ausgleich
- Nachsteuern bei unvorhergesehenen Auswirkungen sicherstellen
Die Windenergie ist die bedeutendste und wirtschaftlichste erneuerbare Energiequelle im Strombereich. Allerdings ist auf eine naturverträgliche Standortwahl und auf die Minimierung von Beeinträchtigungen bei Bau und Betrieb zu achten. Mehr →
Die Bundesregierung will den Ausbau der Windenergie beschleunigen. Doch die geplanten neuen Regelungen bewirken das Gegenteil und schwächen zusätzlich den Artenschutz. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten im Auftrag des NABU. Mehr →
45 Klagen wurden wegen Fehlplanungen bei Windenergie zwischen 2010 und 2019 vom NABU auf den Weg gebracht. Nicht weil der Windenergieausbau aufgehalten werden soll, sondern weil immer wieder Vorhaben und Planungen eklatant gegen Naturschutzrecht verstoßen. Mehr →