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Jetzt NABU-Mitglied werden!Verkehrsbereich verfehlt erneut Klimaziele
Entwurf für Klimaschutz-Sofortprogramm enttäuscht
03. November 2022 - Nach langem Ringen hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier eines Klimaschutz-Sofortprogramms für alle Sektoren vorgelegt. Einerseits kommt sie damit dem Koalitionsvertrag nach, andererseits greift der Entwurf viel zu kurz und enttäuscht in der Summe. Für den NABU gibt es an zahlreichen Stellen viel Spielraum für ambitioniertere Maßnahmen.
Beim Verkehr wird sogar offen anerkannt, dass alle bisher vorgelegten Maßnahmen nicht ausreichen werden, um die Ziellücke bis 2030 zu schließen. Während die Sektoren Energie, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Landnutzung mit den präsentierten Maßnahmen das Klimaziel für 2030 zumindest in der Theorie einhalten, wird die Lösung des Verkehrsproblems in das kommende Jahr verschoben.
Die gute Nachricht ist: Gemeinsam mit dem ersten Teil des Klimaschutz-Sofortprogramms, dem sogenannten Osterpaket, wird der Ausbau von Solarenergie und Windkraft beschleunigt. Und auch in diesem Eckpunktepapier finden sich vereinzelt richtige Ansätze: Zum Beispiel die Ankündigung, dass im Jahr 2023 klimaschädliche Subventionen abgebaut und mit einem klaren Zeitplan umgestaltet werden. Zudem bringt das sogenannte Eckpunktepapier den Klimaschutz wieder auf die politische Tagesordnung.
Und doch: Im Eckpunktepapier verweist die Bundesregierung auf zahlreiche ohnehin beschlossene oder laufende EU-Gesetzesvorhaben, anstatt zum Vorreiter zu werden und dem „Sofort“ im Programmtitel gerecht zu werden. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren und Deutschland ist meilenweit davon entfernt, international beispielgebend zu sein. Viele der Maßnahmen sind erst langfristig wirksam, obwohl kurzfristige Akut-Maßnahmen zur Verfügung stünden.
Zudem deutet das Papier an, wohin die Reise im kommenden Jahr gehen könnte: Es droht die Aufweichung der jahresscharfen sogenannten Sektorziele im Klimaschutzgesetz, also das jährliche Einsparungsziel eines jeden Sektors. Das wäre fatal: Dieser Mechanismus ist gemeinsam mit der Maßgabe, Sofortprogramme für Sektoren zu erlassen, die zentrale Errungenschaft des Klimaschutzgesetzes. Es könnte dann nicht mehr klar bestimmt werden, welche Minister*innen für ihre Sektoren in die Verantwortung für mehr Klimaschutzanstrengungen genommen werden müssen.
Die Bewertung im Einzelnen
Energie
Das Eckpunktepapier erwähnt mehrere Gesetze, die bereits im Sommer 2022 beschlossen worden sind. Aus Sicht des NABU muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien schneller vorangehen, sodass bereits 2035 eine hundertprozentige Stromversorgung aus naturverträglichen erneuerbaren Energien besteht. Neben der Ausweitung der Solardachpflicht müssen bestehende Abstandregeln sofort abgeschafft werden, damit ad hoc mehr Fläche für den Ausbau von Windkraft zur Verfügung steht. Dass der Ausbau von Windenergie nicht auf Kosten der Natur geschehen darf, ist ein zentrales Anliegen des NABU.
Im Eckpunktepapier wird nicht adressiert, dass weiterhin die Verbrennung von Primärholz über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wird. Dies sollte unmittelbar beendet werden, damit Wälder weiterhin Kohlenstoffdioxid binden können und so ihre CO₂-Senkenfunktion nicht weiter bedroht wird.
Gebäude
Neben dem Verkehrssektor stellt der Gebäudesektor die größte Herausforderung für den Klimaschutz in den kommenden Jahren dar. Deswegen ist nicht verständlich, warum das Eckpunktepapier zwar eine Solardachpflicht für gewerbliche Neubauten vorsieht, diese aber nicht mit einem klaren Datum versieht. Für den NABU muss Solarenergie auf jedes geeignete Dach kommen, das heißt verpflichtend auch bei Sanierungen und privaten Neubauten.
Ebenfalls fehlen in dem Papier Mindesteffizienzstandards für die energetisch schlechtesten Gebäude. Sie müssen schnell national eingeführt werden, ohne auf die europäische Regulierung zu warten. Das Ziel von 65 Prozent Erneuerbaren Energien bei neuen Heizungen ab 2024 ist ein richtiger Schritt weg von klimaschädlichen Öl- und Erdgasheizungen. Hier muss die Bundesregierung mit Wärmepumpen und Solarthermie konsequent auf kohlenstofffreies Heizen setzen. Holzheizungen sollten keine Förderung mehr erhalten.
Verkehr
Im Verkehr besteht ganz offensichtlich ein massiver Handlungsbedarf: Im Vergleich zu allen anderen Sektoren werden die Ziele für 2030 trotz eines extra Sofortprogramms in diesem Jahr und zahlreicher Maßnahmen nicht erreicht - wie das Eckpunktepapier ganz eindeutig festhält. Der NABU empfiehlt daher, endlich einen großen Wurf für den Verkehr anzugehen, anstatt sehr viele, ohnehin geplante Maßnahmen zu veranschlagen.
Es fehlen im Eckpunktepapier Aussagen zu einer Anpassung der Dienstwagenregulierung, die enorme klimapolitische Effekte hätte, da mehr als zwei Drittel der Neuzulassungen gewerblich sind. Die Kfz-Steuer wird ebenfalls nicht adressiert: Sie sollte im ersten Jahr nach Vorbild anderer europäischer Länder stärker nach CO₂-Emission differenzieren, um den tatsächlichen Klimaeffekt von Fahrzeugen in den Kaufpreis einzupreisen.
Eine wirksame Akutmaßnahme sind Geschwindigkeitsbegrenzungen. Sollten die jährlichen Ziele weiterhin verfehlt werden, muss die Möglichkeit geschaffen werden, Geschwindigkeitsbegrenzungen als vorübergehende verpflichtende Maßnahme einzuführen.
Landwirtschaft
Einer der wichtigsten Hebel zur Erreichung der Klimaziele im Bereich Landwirtschaft ist die Reduktion des Nutztierbestandes. Bedauerlicherweise wird dies im aktuellen Eckpunktepapier im Vergleich zu Vorgängerversionen nicht mehr erwähnt. Die vorgesehene Tierwohlkennzeichnung alleine reicht nicht aus, es bedarf einer flächengebundenen Tierhaltung. Der NABU fordert eine Obergrenze von 1,8 sogenannten Großvieheinheiten pro Hektar, dies entspricht ungefähr einer Kuh pro Hektar Betriebsfläche.
Alle Forderungen des NABU für ein Klimaschutz-Sofortprogramm finden Sie hier.
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