Typisch Feuchtgrünland: der Rotschenkel. Früher kam er zum Brüten regelmäßig ins „Häsener Luch“ - Foto: Hartmut Mletzko
Nasse Moore braucht das Land
Beitrag gegen die Klimakrise: NABU koordiniert neues EU-Moorschutzprojekt „LIFE Multi Peat“
02. Februar 2022 - Bis 2050 müssen wir weltweit jeden Quadratmeter Moor, der aktuell entwässert ist, restaurieren, ohne Ausnahme. Das fordert der NABU zum heutigen Internationalen Tag der Feuchtgebiete. Nur so lassen sich die Pariser Klimaziele einhalten. Das betrifft global zwar nur etwa zehn Prozent der Moore, in Deutschland aber 98 Prozent. In manchen Ländern Europas emittieren Moore mehr CO2 als die gesamte Industrie und der gesamte Verkehr zusammen. Den Schutz europäischer Moore hat sich der NABU besonders auf die Fahnen geschrieben und setzt in fünf europäischen Ländern das neue EU-geförderte Projekt „LIFE Multi Peat“ um.
Mithilfe von Maßnahmen zur Wiederherstellung eines naturnahen Gebietswasserhaushaltes sollen in den kommenden Jahren in Irland, Belgien, den Niederlanden, Polen und Deutschland insgesamt 689 Hektar Moore wiederbelebt werden. Es handelt sich um teilweise seit Jahrhunderten entwässerte und heute land- und forstwirtschaftlich genutzte Moore – Flächen, die mit oft 30 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr die meisten Treibhausgas-Emissionen verursachen. Um die Projektfortschritte messen zu können, werden die Maßnahmen von Anfang an von einem intensiven Monitoring begleitet.
„Wir gehen davon aus, dass wir die aktuell ausgestoßenen Treibhausgase auf allen Projektflächen um bis zu 50 Prozent senken können. Insgesamt können wir zum Projektende hin damit rechnen, 3.600 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr einzusparen. Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise.“
Letícia Jurema, NABU-Projektkoordinatorin „LIFE Multi Peat“
Neben der Wiederherstellung von Mooren auf den Projektflächen aller fünf Partnerländer, steht die EU-Agrar- und Klimapolitik im Fokus. Das Projekt demonstriert, dass eine landwirtschaftliche Nutzung wieder dauerhaft nasser Moore möglich und klimafreundlicher ist, mithilfe von Paludikultur. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine Wirtschaftsweise, durch die nasse Moore land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden können, zum Beispiel durch die Schilfernte für Reetdächer. Es wird vor allem auf der belgischen und deutschen Projektfläche um die Etablierung solcher Paludikultur-Lösungen gehen. Hier gibt es bislang viel theoretisches Wissen. Doch jetzt ist es Zeit, in die praktische Umsetzung zu gehen: In enger Zusammenarbeit mit Landwirt*innen soll erprobt werden, wie alle von nachhaltig bewirtschafteten Moorflächen profitieren können. Es braucht einen Paradigmenwechsel in der EU: von einer aktuellen Subventionierung von Moorzerstörung hin zu einer Förderung moorschonender Bewirtschaftung.
Wo einst Rotschenkel, Bekassinen und Kiebitze brüteten
Etwa zehn Kilometer südlich von der brandenburgischen Stadt Gransee befindet sich das „Häsener Luch“. Im Rahmen von „LIFE Multi Peat“ sollen auch 20 Hektar dieses Moores wieder zu einem natürlichen Moor und damit zum Kohlenstoffspeicher werden. Das Moor wurde seit Mitte des 18. Jahrhunderts entwässert, als in Preußen für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung zahlreiche planmäßige Trockenlegungen begannen. Aufgrund seines Artenreichtums wurden 1953 etwa 50 Hektar des Luchs unter Schutz gestellt. Damals brüteten hier zahlreiche Vogelarten des Feuchtgrünlands, wie zum Beispiel der Rotschenkel, die Bekassine, der Große Brachvogel und der Kiebitz. Außerdem blühten noch seltene Moorpflanzen wie Orchideen und Gemeines Fettkraut im „Häsener Luch“.
In den Folgejahren wurde das Gebiet noch tiefer entwässert. Außerdem kam es in weniger zugänglichen Bereichen zur Nutzungsaufgabe. Entwässerung und Verbuschung führten zu Habitatverlust. 2018 erwarb der NABU einen Teil des ungenutzten Gebiets. Mittelfristig soll sich hier wieder ein Brut- und Nahrungslebensraum für bedrohte Vogelarten entwickeln. Auch moortypische Vegetation wollen die Projektkoordinator*innen von „LIFE Multi Peat“ fördern.
-
-
Das „Häsener Luch“ liegt bei Gransee in Brandenburg. Auf einer Fläche von 20 Hektar sollen in den nächsten Jahren die Projektmaßnahmen stattfinden - Foto: Jonathan Etzold / NABU
-
Gern gesehener Gast: Ein Birkhuhn fliegt übers polnische Hochmoor „Torfowiska Orawsko-Nowotarskie“ - Foto: Tomasz Wilk
-
Das zum Teil degradierte polnische Hochmoor Torfowiska Orawsko-Nowotarskie soll im Rahmen von „LIFE Multi Peat“ wiedervernässt werden - Foto: Tomasz Wilk
-
Blick auf die irische Projektfläche: Die National University of Ireland ist einer von sieben Partnern im EU-Projekt „LIFE Multi Peat“ - Foto: Niall O'Brolchain
Auch rund um die Projektflächen in Irland, Belgien, den Niederlanden und Polen beginnen nun die Planungen der individuell zugeschnittenen Maßnahmen. Denn Moor ist nicht gleich Moor: Jede Fläche hat besondere Standortbedingungen, die von den Nationalen Projektkoordinator*innen berücksichtigt werden.
Projekte wie „LIFE Multi Peat“ lassen sich nur in Zusammenarbeit mit starken Partner*innen realisieren. Wie schon im Vorgängerprojekt LIFE Peat Restore, in dem unter anderem ein mehrere Tausend Hektar großes Moor in Estland wiedervernässt wurde, setzt der NABU bei „LIFE Multi Peat“ erneut auf die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partner*innen sowie Stakeholdern in Europa. Die Maßnahmen sollen in allen fünf Ländern bis 2026 abgeschlossen sein.
Das Projekt im Überblick
Projektname
LIFE Multi Peat
Länder
Irland, Belgien, Niederlande, Polen, Deutschland
Laufzeit
2021 bis 2026
Projektpartner
Natuurpunt, National University of Ireland, Natuurmonumenten, Eurosite, Klub Przyrodników, Ogólnopolskie Towarzystwo Ochrony Ptaków (OTOP), NABU
Gefördert durch
LIFE Climate Change Mitigation Programme
Mit dem NABU-Projekt LIFE Peat Restore haben wir in fünf EU-Ländern auf über 5.300 Hektar Moor wiederhergestellt: Hier entstehen nun wieder gesunde Lebensräume, die langfristig Kohlenstoff binden. Intakte Moore: Essentiell für den Natur- und Klimaschutz sind! Mehr →
Wie funktioniert das eigentlich, ein Moor wiederherstellen? Das zeigen fünf EU-Moorschutzprojekte in einer gemeinsamen Publikation: Das Handbuch „Peatlands across Europe: Innovation and Inspiration“ gibt klare Handlungsempfehlungen für Wirtschaft, Politik und Praxis. Mehr →
Moore, Wälder, Flüsse und Co. sind unser Leben! Dann müssen wir sie auch so behandeln. Diese UN-Dekade ist ein letzter Weckruf zum Schutz und zur Wiederbelebung von degradierten Ökosystemen weltweit. Noch lassen sich Klimakrise und Artensterben aufhalten. Mehr →
Helfen Sie uns dabei, weltweit Moore zu schützen und zu erhalten – für Artenvielfalt und Klimaschutz! Mehr →