Übergriffe von Wölfen auf Menschen in Europa und Nordamerika (2002-2020)
Studie zu Wolfsangriffen
Wolfsangriffe nach wie vor sehr unwahrscheinlich
19. April 2021 - Wie groß ist die Gefahr eines Wolfsangriffes wirklich? Bereits im Jahr 2002 veröffentlichte das Team um Dr. John Linnell vom Norwegischen Institut für Naturforschung (NINA) eine bis dahin einmalige Studie, die die historischen Übergriffe von Wölfen auf Menschen recherchierte und somit eine verlässliche Übersicht lieferte. Die Ergebnisse zeigten schon damals, dass es zwar Angriffe durch Wölfe gab, die Wahrscheinlichkeit dafür jedoch sehr gering war. Zwischen 1950 und 2002 wurden in Europa (ausgenommen Russland) und Nordamerika 68 Menschen von Wölfen verletzt, in acht Fällen tödlich. Bei über der Hälfte der Angriffe war Tollwut die Ursache.
Diese Studie ist nun fast 20 Jahre alt: In Mitteleuropa konnte sich in der Zwischenzeit die Wolfspopulation langsam erholen und wieder Fuß fassen. Doch bedeutet der Zuwachs an Wölfen auch automatisch, dass sich Angriffe durch Wölfe auf Menschen häufen? Um das herauszufinden, beauftragten die Verbände NABU, IFAW und WWF das NINA-Institut, die damalige Studie zu wiederholen und dabei weltweit nach Vorfällen zu suchen.
Im Zeitraum von 2002 bis 2020 fanden die Wissenschaftler weltweit 489 Angriffe, von denen 26 tödlich endeten. Schwerpunktregionen für Konflikte sind der Iran, die Türkei und Indien. Der Großteil (78 Prozent) der Angriffe lässt sich auf eine Erkrankung mit Tollwut zurückführen.
Anders lesen sich die Ergebnisse für Europa und Nordamerika: Hier gab es in den 18 Jahren insgesamt 14 von Wölfen angegriffene Menschen, von denen zwei Fälle (beide in Nordamerika) tödlich waren. Die Tollwut ist hier ausgerottet, nur ein Fall in Kroatien ließ sich auf ein tollwütiges Tier zurück führen.
Somit lässt sich feststellen: Ein Angriff durch einen Wolf, wie auch durch andere Wild-, Nutz- oder Haustiere, kann niemals völlig ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch äußerst gering. Ein aktives Wolfsmonitoring ist daher grundlegend, um solche Vorfälle zu verhindern. So können Tiere mit auffälligem Verhalten frühestmöglich registriert werden. Zur Prävention eines solchen Verhaltens gehört zudem, dass menschliche Nahrungsquellen für Wölfe nicht zugänglich sind. Sie sollen gar nicht erst Interesse an Menschen erlangen, was jedoch durch gezielte oder unbeabsichtigte Anfütterungen entstehen könnte.
Für den NABU ist klar: Die Sicherheit des Menschen steht an erster Stelle, sodass im Notfall auch der Abschuss eines auffälligen Wolfes gerechtfertigt ist. Die Studie hilft jedoch, das tatsächliche Risiko sachlich einschätzen zu können, Ursachen zu identifizieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen.
Die Originalstudie und eine Zusammenfassung der Verbände finden Sie hier kostenfrei zum Download.
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Wichtige Fragen zur Studie im Überblick
Zu welchem Ergebnis kommt die Studie?
Die Studie zeigt, dass ein Angriff durch Wölfe auf Menschen nicht völlig auszuschließen ist. Die Wahrscheinlichkeit ist aber so gering, dass sie nicht statistisch-sinnvoll berechnet werden kann. Obwohl die Wolfspopulation in Mitteleuropa und Nordamerika in den letzten 20 Jahren zugenommen hat, hat sich die Angriffshäufigkeit nicht erhöht. Die Studie aus 2002 fand 68 Übergriffe in Europa und Nordamerika von 1950-2002, acht davon tödlich, 37 aufgrund von Tollwut. Von 2002-2020 wurden in diesen Regionen 14 Übergriffe registriert, zwei davon tödlich. Grund für die Abnahme der Angriffe ist die Ausrottung der Tollwut. Die Häufigkeit der Angriffe aus sonstigen Gründen ist auf einem gleichen, sehr geringen Niveau geblieben.
Welche Angriffsarten werden unterschieden?
Es wird zwischen drei verschiedenen Arten von Angriffen unterschieden:
- Prädatorische
- Tollwut
- Provozierte / Defensive.
Weltweit ist die Tollwut mit 78 Prozent der Fälle die häufigste Ursache für Angriffe von Wölfen. Die Krankheit ist in Deutschland jedoch seit 2008 ausgerottet ist. Prädatorische Angriffe sind solche, in denen ein gesund wirkender Wolf gezielt einen Menschen angreift, und es hierfür keine Gründe wie Provokation oder Verteidigung gibt. Letzteres ist der Fall, wenn Wölfe zum Beispiel in die Enge getrieben werden, ihren Nachwuchs verteidigen, oder sich wehren, wenn sie direkt angegriffen werden. Hierzu zählen einige Fälle, bei denen Nutztierhalter*innen Wölfe aus ihren Ställen vertreiben wollten. In der Regel ziehen sich Wölfe jedoch von ihrer Beute zurück, sobald Menschen kommen.
Wie können Angriffe verhindert werden?
Es ist nicht komplett auszuschließen, dass es zu einem Angriff kommen könnte, wie bei anderen Tieren auch. Wichtig ist jedoch, dass auffälliges Verhalten frühestmöglich registriert wird, damit gehandelt werden kann. Hierfür ist ein aktives, gut funktionierendes Wolfsmonitoring wichtig. Kontakt zu Ansprechpartner*innen müssen bei Wolfssichtungen online zu finden sein (https://dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/bundeslaender/ansprechpartner). Optionen im Monitoring sind Besenderungen mit einem GPS-Halsband, um genauer nachvollziehen zu können, wo sich der Wolf aufhält. Dies ist schon Teil der sogenannten „Vergrämung“, bei der der Wolf negative Reize in Bezug auf Menschen erfährt. Dazu gehören auch Gummigeschosse, wobei diese nicht zu ernsthaften Verletzungen führen dürfen. Wenn all diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind und der Wolf immer noch die direkte Nähe von Menschen sucht, ist das letzte Mittel der Abschuss des betreffenden Tieres.
Wurden auch reine Begegnungen zwischen Menschen und Wölfen erfasst?
Beispielhaft wurden auch Wolf-Mensch-Begegnungen beschrieben, bei denen es nicht zum körperlichen Angriff kam. Diese Fälle gehen jedoch nicht in die Zahlen mit ein. In Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit einer Wolfsbegegnung gering, wie die Erfahrung der letzten 20 Jahre zeigt. Es kann jedoch trotzdem zum Zusammentreffen von Mensch und Wolf kommen, in den allermeisten Fällen verläuft so eine Situation unaufgeregt, die Wölfe ziehen sich zurück. Einzelfälle, in denen Wölfe aktiv auf einen Menschen zugehen oder sich nicht gleich verscheuchen lassen, sind äußerst selten. Sie bedürfen der Aufmerksamkeit durch die zuständigen Monitoring-Stellen der Länder, die wiederum entscheiden müssen, ob ein Handeln (wie Vergrämung oder als letztes Mittel der Abschuss) nötig sind. Die Ansprechpartner in den Bundesländern sind zu finden unter: https://dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/bundeslaender/ansprechpartner
Wie verhalte ich mich bei einer Wolfsbegegnung?
- Ruhe bewahren und Wölfen die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen. Wer unwohl fühlt, kann sich groß machen, klatschen, die Wölfe bestimmt ansprechen oder rufen, oder sich langsam zurückziehen.
- Nicht auf die Wölfe zugehen oder versuchen, sie zu streicheln oder zu füttern. Nicht nachlaufen, wenn sich die Wölfe zurückziehen. Auch Jungtiere nie anfassen, Bauten oder Wurfhöhlen nicht aufsuchen.
- Die Begegnung bei der zuständigen Stelle für Wolfsmonitoring melden, damit frühzeitig erkannt werden kann, ob es sich um ein auffälliges, wiederholtes Verhalten handelt: https://dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/bundeslaender/ansprechpartner
- Trotz aller Vorsicht: Dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann, muss allen bewusst sein. Das gilt für das Zusammenleben mit wilden Tieren genauso wie für den Umgang mit Haus-, Nutz- oder Zootieren.
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