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„Stunde der Wintervögel“: mehr Rotkehlchen und Spatzen, weniger Meisen
03. Februar 2021 – An der diesjährigen „Stunde der Wintervögel“ haben mehr als 236.000 Menschen teilgenommen. Nach Auswertung aller Daten einschließlich der postalisch eingegangenen Meldungen steht eine Rekordzahl von 5,6 Millionen beobachteter Vögel aus 176 Arten zu Buche. Gezählt wurde vom 8. bis 10. Januar in bundesweit 164.000 Gärten und Parks.
Der NABU und sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz (LBV) freuen sich damit über eine Rekord-Teilnahme, unglaubliche 65 Prozent über dem Vorjahr. Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion wird dadurch noch aussagekräftiger. Sicherlich hat auch der Corona-Lockdown dazu beigetragen, dass mehr Menschen ihr Interesse für die Natur vor der eigenen Haustür entdecken.
Futterhäuschen schlechter besucht als üblich
Nicht zugenommen haben dagegen die Vogelzahlen – im Gegenteil. „Die durchschnittlich 34,5 Vögel pro Garten sind der zweitniedrigste Wert seit Beginn der Aktion im Jahr 2011, zwölf Prozent weniger als im langjährigen Durchschnitt“, so NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann.
„Nur 2017 waren die Zahlen noch etwas niedriger. Auch damals machten sich besonders die typischen Futterplatzbesucher rar, nämlich sämtliche Meisenarten, Kleiber, Gimpel und Kernbeißer – alles Arten deren Winterbestände auf den Zuzug von Artgenossen aus dem Norden angewiesen sind. Dieser ist im bis kurz vor der Zählung europaweit sehr milden Winter wohl teilweise ausgeblieben.“
Rekordwerte erreichten dagegen Standvogelarten wie Haussperling und Stadttaube sowie Arten, die grundsätzlich mildere Winter bevorzugen, wie Rotkehlchen und Ringeltaube.
„Seit Beginn unserer Zählaktion 2011 nehmen die Winterbestände derjenigen Vogelarten ab, die auf Zuzug aus dem Norden und Osten angewiesen sind. Im Winter standorttreue Arten und solche, die teilweise von uns nach Süden ziehen, zeigen dagegen stabile oder gar wachsende Winterbestände“, so Lachmann. Zuletzt gab es eine lange Reihe vergleichsweise milder Winter. Je milder der Winter, desto geringer ist die Neigung der Vögel, in wärmere Regionen im Süden und Westen auszuweichen.
Stetigkeit: Wo Kohlmeise, Amsel und Rotkehlchen den Haussperling deutlich schlagen
Bei der Anzahl der beobachteten Vögel liegt der Haussperling mit 1,1 Millionen klar vor der Kohlmeise mit 637.000 und dem Feldsperling mit 439.000. Etwas anders sieht die Reihenfolge aus, betrachtet man den Anteil der Gärten, in denen eine Art beobachtet wird. Hier führt 2021 die Kohlmeise mit rund 86 Prozent – im letzten Winter waren es noch 91 Prozent – vor Amsel (ebenfalls fast 86 Prozent), Blaumeise (74 Prozent), Rotkehlchen (69 Prozent) und Haussperling (59 Prozent).
Bei der sogenannten Stetigkeit liegt der Haussperling also nur auf Rang fünf. Wo er vorkommt, erscheint er aber jeweils in größeren Gruppen. Rotkehlchen dagegen sind zwar im Großteil der Gärten vertreten, aber immer nur in kleinen Zahlen. „Rotkehlchen sind dafür bekannt, dass sie selbst im Winter ein eigenes Territorium verteidigen – sogar die Weibchen, die dafür im Winter sogar den typischen Rotkehlchengesang erklingen lassen, den sie sonst den Männchen überlassen“, erklärt NABU-Vogelexperte Lars Lachmann. Anders als bei den Spatzen wird es einen ganzen Schwarm Rotkehlchen im Garten daher nicht geben.
Top und Flop: Was ist Deutschlands Spatzenhauptstadt, wo leben die meisten Meisen und Amseln, wo die wenigsten?
Als Spatzenhauptstadt gilt gemeinhin Berlin. Im Vergleich zu anderen Großstädten leben dort tatsächlich noch viele Haussperlinge, die größte Dichte aber findet sich nördlich und westlich von Berlin, mit dem Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt an der Spitze – wie schon im Vorjahr. Nahezu eine Spatzenwüste sind dagegen weite Teile des Ruhrgebietes und der Kölner Bucht sowie der Großraum München. Die geringste Haussperling-Dichte hatte 2021 denn auch die bayerische Landeshauptstadt.
Die Kohlmeise auf dem Silberrang ist fast allgegenwärtig, sie kommt in 86 Prozent aller Gärten vor. Ihre Hochburgen lagen im Winter 2021 deutlich im Osten, vom nördlichen Bayerischen Wald bis hoch an die Ostseeküste. Die meisten Kohlmeisen je Beobachtungsort gab es im Kreis Görlitz, dicht gefolgt vom Altmarkkreis und dem Kreis Prignitz. Die wenigsten Kohlmeisen wurden in verschiedenen süddeutschen Stadtkreisen gezählt, mit Kempten im Allgäu ganz am Ende.
Wie die Haussperlinge sind Feldsperlinge in Nordbrandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auffällig häufig. Die höchsten Werte gibt es aber weit im Süden, in den fruchtbaren Agrarlandschaften entlang der bayerischen Donau, an der Spitze wie schon 2020 der Kreis Landshut. Dagegen ist der Feldsperling in den Städten sowie in weiten Teilen Südwest- und Westdeutschlands eher rar. Wie beim Haussperling liegt die geringste Dichte im Ruhrgebiet, Schlusslicht ist Herne.
Die Blaumeise schwächelt als Waldvogel in vielen städtischen Räumen, sehr mau sieht es in Magdeburg, München, Memmingen und Mainz aus. Wohl fühlen sich Blaumeisen vor allem in den Mittelgebirgen. Ein besonderer Hotspot war im letzten Winter die waldreiche Region von der Eifel bis zur Pfalz, mit den Kreisen Kreis Birkenfeld und Bernkastel-Wittlich an der Spitze. 2021 reicht es dort noch gerade so für Plätze im vorderen Mittelfeld. Vorbehaltlich weiterer vertiefender Analysen liegt die Vermutung nahe, dass sich hier die Auswirkungen des Blaumeisensterbens im Frühjahr 2020 zeigen. Die meisten Blaumeisen je Beobachtungspunkt wurden aktuell in den Kreisen Emsland, Vechta und Görlitz notiert.
Vergleichsweise hohe Amselzahlen wurden aus mehreren Regionen gemeldet, flächendeckend vor allem aus dem nördlichen Schleswig-Holstein mit dem Kreis Schleswig-Flensburg an der Spitze. Nach wie vor auf der Karte erkennbar sind die Folgen früherer Usutu-Ausbrüche am Oberrhein. Der im letzten Winter festgestellte „ostdeutsche Amselkrater“, wohl verursacht von Westnil-Virus und/oder Usutu, zeichnet sich ebenfalls noch ab, aber nicht mehr so weitläufig wie 2020. Die bundesweit wenigsten Amseln wurden erneut im Südosten dieses Amselkraters in Cottbus festgestellt, gefolgt von den benachbarten brandenburgischen Kreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz.
Während die Spatzen das Ruhrgebiet meiden, sind Arten wie das Rotkehlchen oder die Heckenbraunelle dort vergleichsweise häufig. Das liegt weniger an einer besonderen Lebensraumqualität, sondern an der relativen Meeresnähe und den dadurch frostarmen Wintern. Diese Arten zeigen also grundsätzlich ein West-Ost-Gefälle. Rotkehlchenhauptstadt 2021 ist Gelsenkirchen (gefolgt von Oberhausen und Vorjahressieger Bottrop), die größte Dichte an Heckenbraunellen gibt es ebenfalls in Gelsenkirchen, mit Bochum, Essen und Viersen ganz knapp dahinter.
Interaktive Tabelle und Karte mit allen Ergebnissen seit 2011
Ein besorgniserregend schwaches Ergebnis, das nicht mit dem Wetter erklärt werden kann, liefert der Grünfink. Sein Abwärtstrend setzt sich leider unverändert fort. Diesmal wurden nur noch 0,9 Grünfinken pro Garten gemeldet. Damit gibt es heute nur noch ein Viertel der Grünfinken, die noch 2011 die Gärten bevölkerten. Als Ursache gelten vor allem Infektionen mit tödlichen Einzellern (Trichomonaden) an sommerlichen Futterstellen.
Top-5-Club: Wir lassen keinen rein!
Die fünf am häufigsten gemeldeten Arten waren erneut Haussperling – mehr als 1,1 Millionen und somit 6,87 Vögel pro Garten –, Kohlmeise, Feldsperling, Blaumeise und Amsel. Im Vergleich zum Vorjahr haben lediglich Feldsperling und Blaumeise die Plätze getauscht.
Die Amsel erholt sich weiter langsam von ihren Tiefstwerten nach der schweren Usutu-Epidemie des Sommers 2018. Besonders niedrig waren dagegen die gemeldeten Zahlen der Blaumeise, wobei unklar bleibt, ob fehlender Zuzug aus dem Norden oder die Folgen einer bakteriellen Epidemie im letzten Frühjahr die Hauptursache ist.
Die nächste Vogelzählung findet mit der Stunde der Gartenvögel vom 13. bis 16. Mai statt. Zuvor läuft bis zum 19. März die Publikumswahl zum Vogel des Jahres. Aus zehn Kandidaten, die bei einer ebenfalls öffentlichen Vorwahl bestimmt worden waren, wird nun der Sieger gesucht.
Mehr Ergebnisse
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