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EU-Kommission muss Klima-Taxonomie nachbessern
Update vom 17. Dezember 2021 – Nach einem langen Tauziehen ist der delegierte Rechtsakt zu den Klimaschutz- und Klimawandeladaptionen angenommen worden. Er enthält, neben positiven Standards, auch kritisch zu bewertende Nachhaltigkeitskriterien für die Forstwirtschaft sowie die Förderung von Biomasse. So hat die EU-Kommission sich, entgegen wissenschaftsbasierten Empfehlungen, dafür entschieden weite Teile des Holzeinschlags sowie der energetischen Nutzung von Biomasse (Bioenergie) als nachhaltig zu klassifizieren – mit negativen Folgewirkungen für Klima und Biodiversität.
Update vom November 2021 – Seit geraumer Zeit schwelt ein Konflikt über die mögliche Einstufung von fossilem Gas und Atomenergie als nachhaltige Finanzanlagen. Bereits im April 2021 sollte hierzu eine Entscheidung herbeigeführt werden, seitdem hat die EU-Kommission dies immer wieder vertagt. Der NABU hat, gemeinsam mit 128 NGOs, Olaf Scholz in einem offenen Brief dazu aufgefordert, sich für eine ambitionierte, wissenschaftsbasierte EU-Taxonomie ohne Gas und Atomenergie einzusetzen: Zum offenen Brief
Update vom 21. April 2021 – Der in Brüssel vorgestellte, finale Entwurf zum delegierten Rechtsakt ist verheerend für die Natur. In relevanten Bereichen wie Forstwirtschaft und der Förderung von Biomasse ist die EU-Kommission nicht den Empfehlungen ihrer Expertengruppe, sondern Lobbyinteressen gefolgt. Mitglieder der beratenden Plattform für Nachhaltige Finanzen, darunter der NABU-Dachverband BirdLife, haben infolgedessen ihre Teilnahme am Gremium suspendiert. Der NABU fordert das Europäische Parlament und den Europäischen Rat auf, den vorliegenden Entwurf abzulehnen. Zur Pressemitteilung
Update vom 15. Dezember 2020 – Ein breites Bündnis von 130 Umweltorganisationen, darunter der NABU, richtet sich mit einem Aufruf an die Europäische Kommission, die Kriterien in zehn zentralen Aspekten nachzubessern. Das Zehn-Punkte-Papier ist hier nachzulesen.
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26. November 2020 – Die Europäische Kommission präsentierte vergangene Woche ihren Entwurf für den ersten delegierten Rechtsakt der EU-Taxonomie, die sogenannte Klima-Taxonomie. Diese bietet Kriterien für klimaverträgliche Wirtschaftstätigkeiten. Konkret geht es darum, inwieweit eine Wirtschaftstätigkeit zur Bekämpfung des Klimawandels und der Anpassung an den Klimawandel geeignet ist.
Delegierte Rechtsakte werden von der Europäischen Kommission erlassen und dienen dazu, Elemente einer EU-Richtlinie oder -Verordnung zu ändern oder zu ergänzen – in diesem Fall die europäische Taxonomie-Verordnung. Zur Vorbereitung werden Expertengruppen konsultiert, die sich aus Vertreter*innen aller Mitgliedsstaaten zusammensetzen. Während eines Zeitraums von vier Wochen – in diesem Fall also bis 18. Dezember 2020 – können Bürger*innen sowie Interessensträger*innen wie der NABU den Entwurf kommentieren. Wenn die EU-Kommission den Rechtsakt schließlich verabschiedet und weder das Europäische Parlament noch der Europäische Rat innerhalb von zwei Monaten Einwände haben, tritt der delegierte Rechtsakt in Kraft.
Der NABU befürwortet die Klima-Taxonomie als einen wichtigen Baustein für eine zukünftige klimaneutrale Europäische Union. Für die Entwicklung der Kriterien hatte die EU-Kommission im Jahr 2018 eine Technischen Expertengruppe (TEG) einberufen, die im März 2020 sehr begrüßenswerte Kriterien in den Bereichen Klimaschutz und Klimawandelanpassungen vorschlug. Allerdings wurde seitens der Kommission vielen Empfehlungen der TEG nicht Folge geleistet.
Exkurs: EU-Taxonomie
Die europäische Taxonomie-Verordnung ist eine grüne Liste für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Sie trat im Juli 2020 in Kraft. Das Ziel: Investor*innen, Nationalstaaten und die Europäische Union sollen nachhaltiger investieren. Durch das neue Klassifikationsschema werden nachhaltige Investitionen, Geld- und Kapitalanlagen vergleichbarer. Neben dem Klassifizierungssystem enthält die EU-Taxonomie auch produkt- und unternehmensbezogene Transparenzanforderungen. Die Nutzung der EU-Kriterien ist freiwillig, bei Nicht-Nutzung müssen Finanzprodukte darauf hinweisen.
Der aktuelle delegierte Rechtsakt Klima ist Auftakt für die Klassifikation von vier weiteren Umweltzielen: nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressoucen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Potenziell können Kriterien für sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeitenfolgen. Spezielle Minimumanforderungen sollen sicherstellen, dass Aktivitäten in einem Bereich die anderen Umweltziele nicht schädigen (Do no significant harm – DNSH).
Fossile Energien weiterhin ausschließen
Richtigerweise hat die EU-Kommission fossile Energieträger für die Stromerzeugung größtenteils als nicht-nachhaltig eingestuft. Der als Kriterium angesetzte Schwellenwert von 100g C02 pro Kilowattstunde impliziert den Ausschluss von fossilen Energieträgern. Kohlekraftwerke stoßen beispielsweise 850 – 1 200g C02 pro Kilowattstunde aus, herkömmliche effiziente Gas- und Dampf-Kombikraftwerke emittieren 400 – 550g C02 pro Kilowattstunde.
Laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarats (IPCC) ist der überwiegende Anteil globaler anthropogener (also menschlich verursachter) Treibhausgasemissionen auf die Verbrennung von fossilen Energien zurückzuführen. Daher ist es wichtig, dass dieser von der TEG empfohlene Schwellenwert in der finalen Klima-Taxonomie auftaucht und nicht im laufenden Konsultationsprozess verwässert wird. Die Empfehlung der TEG, den Schwellenwert sukzessive in fünf Jahren anzupassen, ist im aktuellen Entwurf der Kommission nicht zu finden.
Wasserkraft und Atomkraft sind nicht grün
Weniger strikt ist der Entwurf bei dem Thema Wasserstoff und riskiert so, dass nicht nur Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen als nachhaltig klassifiziert wird.
Auch Wasserkraft, die seitens des NABU aufgrund der fehlenden Naturverträglichkeit als nicht-nachhaltig eingestuft wird, wird von der EU-Kommission dann als nachhaltige Wirtschaftstätigkeit vorgeschlagen, wenn natürliche Lebensräume und Arten durch Maßnahmen geschützt werden. Der NABU positioniert sich entschieden gegen den Bau neuer Wasserkraftwerke, da diese Fließgewässern und Fischen schaden.
Das Thema Atomenergie ist richtigerweise für die Klima-Taxonomie nicht aufgegriffen worden, da zu viele Negativ-Punkte in Bezug auf die Entsorgung des Abfalls und Umweltverschmutzung bestehen. Es muss sichergestellt werden, dass Atomenergie weiterhin von der Taxonomie ausgeklammert wird.
Förderung von Biomasse einschränken
Biomasse (organische Stoffe wie Holz, Stroh, pflanzliches Treibgut) kann anstelle von fossilen Brennstoffen in Kondensationskraftwerken verbrannt werden. Doch die energetische Biomasse ist nicht so grün, wie sie scheint.
Besonders in Bezug auf Bioenergie aus dem Verbrennen von Holz hat die Kommission den Empfehlungen der TEG keine Folge geleistet. Mit dem Verweis auf die Erneuerbare-Energien Richtlinie (RED II), wird die verstärkte Nutzung von forstwirtschaftlicher Biomasse für die Energieerzeugung sowie umweltschädliche Biokraftstoffe gefördert.
Das Verbrennen von Holz-Biomasse zur Energiegewinnung emittiert mehr Treibhausgase als Kohle und kann zum Verlust von Lebensräumen führen. Viele Biokraftstoffe weisen eine teils schlechtere Treibhausgasbilanz auf als die fossilen Kraftstoffe Diesel und Benzin. Für die Nachhaltigkeitsbilanz der Nutzung von Biomasse ist die maximale Vermeidung von Treibhausgasen und die Vermeidung von Schäden an Ökosystemen entscheidend.
Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft stärken
Zu begrüßen sind die Kriterien in Bezug auf die EU-Biodiversitätsstrategie und dem darin enthaltenen Ziel, 10 Prozent der Agrarlandschaft für naturnahe Elemente wie Hecken, Feldgehölze oder Brachen reservieren. Diese binden nicht nur Kohlenstoff, sondern schützen auch die Biodiversität in der Landwirtschaft.
Zu zaghaft sind die technischen Kriterien jedoch beim Schutz kohlenstoffreicher Böden. Hier muss noch eine Nachschärfung erfolgen, um zum Beispiel den Kohlenstoffvorrat in Moorböden besser zu schützen.
Auch bei der Viehbesatzdichte wollte die Kommission ein heißes Eisen nicht anpacken: Die vorgeschlagenen Kriterien entfalten keine Steuerungswirkung, um die Herdengrößen und die Viehbesatzdichte in Deutschland und der EU zu reduzieren. Dies wäre jedoch nötig, um THG-Emissionen zur reduzieren und schädliche Auswirkungen auf andere Bereiche wie Gewässergüte und Luftqualität zu vermeiden.
Lock-in-Effekte bei der Abfallverbrennung vermeiden
Im aktuellen Entwurf ist das Thema Abfallverbrennung zu Recht nicht zu finden. Zum einen trägt sie nicht zu den Umwelt- und Klimazielen der EU bei, zum anderen erschwert sie die Umsetzung einer umwelt- und klimafreundlichen Kreislaufwirtschaft. Müllverbrennungsanlagen führen über Jahre und Jahrzehnte hinaus zu infrastrukturellen Lock-in-Effekten und Lieferverpflichtungen, die Kommunen keine Anreize liefern, Abfälle zu vermeiden oder die Abfallgetrenntsammlung auszubauen. Ferner befördert die Abfallverbrennung die Emission von Treibhausgasen. Dies gilt auch für die Mitverbrennung von aufbereiteten Abfällen in Zementwerken, die deshalb klar als nicht nachhaltig klassifiziert werden muss.
Der NABU fordert:
- Der Schwellenwert von 100g C02 pro Kilowattstunde für die Stromerzeugung muss von der EU-Kommission beibehalten werden. Es handelt sich hierbei um eine wichtige Empfehlung der Technischen Expertengruppe.
- Eine nachhaltige Klima-Taxonomie sollte durch ihre Kriterien keine industrielle Holz-biomasse-Energieproduktion fördern. Ausschließlich biogene Rest- und Abfallstoffe ohne alternative Nutzung kommen für die Klima-Taxonomie in Frage.
- Wasserkraft sollte aufgrund von Zielkonflikten wie dem Ziel Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme nicht in die Klima-Taxonomie aufgenommen werden.
- Atomenergie sollte aus Gründen der Abfallentsorgung und hinsichtlich der Umweltverschmutzung aus der Taxonomie ausgeklammert werden.
- Die EU-Kommission sollte sicherstellen, dass die Kriterien zur Herstellung von Wasserstoff auf naturverträgliche erneuerbare Energiebereitstellung begrenzt werden.
- Kohlenstoffreiche Moorböden müssen besser geschützt werden.
- Die Verbrennung von Abfällen kann aufgrund ihres erheblichen Beitrags zu Treibhausgasemissionen nicht Bestandteil einer klimaneutralen EU sein. Die Abfallverbrennung ist daher als inkompatibel mit den Prinzipien einer grünen EU Taxonomie einzustufen.
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