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Eine Initiative des NABU und der deutschen Gesteinsindustrie
03. August 2020 - Während in der einen Ecke des Steinbruchs ein schwerer Radlader frisch aus dem Fels herausgesprengte Gesteinsbrocken bewegt, versuchen männliche Gelbbauchunken nur wenige Meter davon entfernt in einer Wasserpfütze gegen den Maschinenlärm anzubalzen. Die Szene erscheint grotesk. Ein paar Zentimeter große, gefährdete Tierarten teilen sich den Lebensraum mit riesigen Maschinen. Auch wenn dabei gelegentlich Natur im wahrsten Sinne des Wortes „unter die Räder“ kommt, hängt die Existenz von Gelbbauchunken, Ödlandschrecken und etlichen anderen Steinbruchbewohnern oftmals ganz wesentlich von eben dieser Rohstoffgewinnung ab.
Viele der in Steinbrüchen, Kies- oder Sandgruben vorzufindenden Tier- und Pflanzenarten kommen natürlicherweise aus den Flussauen. Dort haben sie gelernt, mit schwankenden Wasserständen, Hochwasser und Trockenheit oder sich verlagernden Sedimenten bestens zurecht zu kommen - Bedingungen, die heute entlang der Flüsse und Bäche kaum noch zu finden sind, jedoch in ähnlicher Form bei der Gewinnung mineralischer Rohstoffe auftreten können.
Die Unternehmen des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe (MIRO) wie auch des Dachverbandes der deutschen Baustoff-, Steine- und Erden-Industrie (bbs) sehen sich also damit konfrontiert, dass geschützte Tier- und Pflanzenarten sich auf ihren Betriebsgeländen ansiedeln. Daraus ergibt sich für die Betriebe eine erhebliche Rechtsunsicherheit: Einerseits arbeiten sie auf der Basis einer rechtsgültigen Abbaugenehmigung, andererseits zwingt sie das plötzliche Vorkommen von geschützten Arten, das Naturschutzrecht zu berücksichtigen. Ein Dilemma, dem sich die Unternehmen zu entziehen versuchen. Sie nutzen den legalen Weg der Verhinderungspflege. Das bedeutet, die Betriebe unternehmen alle rechtlich erlaubten Maßnahmen, damit sich erst gar keine schutzwürdigen Tiere und Pflanzen ansiedeln. Eine sowohl für die Betriebe wie auch den Naturschutz höchst unbefriedigende Situation.
Verschiedene NABU-Landesverbände und der NABU-Bundesverband führen daher seit Jahren Gespräche mit den Verbänden der mineralischen Rohstoffindustrie, um gemeinsam Lösungen für das artenschutzrechtliche Paradoxon zu finden und Konzepte für einen betriebsintegrierten Naturschutz zu erproben. In der Folge konnten in den vergangenen zehn Jahren über 3.000 Hektar ehemaliger Gewinnungsflächen für überwiegend naturnahe Nachnutzungen zur Verfügung gestellt werden.
Auf dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit aufbauend wurde das Diskussionspapier „Natur auf Zeit in Rohstoffgewinnungsstätten“ erarbeitet sowie die gemeinsame Initiative zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ins Leben gerufen. Der darin aufgeführte Vorschlag zur Gesetzesänderung definiert einen Anwendungsbereich für Betriebe der Gesteinsgewinnung, für die bestimmte Privilegien im Sinne von Natur auf Zeit ausschließlich gelten sollen. Die Planung, Umsetzung und vor allem die Beendigung von „Natur auf Zeit“ müssen sich nach klaren Standards richten. Diese gilt es im partizipativen Prozess zu erarbeiten. Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass die erfassten temporären Lebensräume und Lebensstätten erhalten bleiben und auch zusätzliche auf den umliegenden Flächen entstehen.
Grundsätzlich gilt: Vermeidungspflege muss verhindert werden, um damit den Lebensraum zahlreicher gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zu sichern. Es handelt sich hier um einen in die Nutzung, sprich den Betrieb, integrierten Ansatz. Das ist unter anderem sinnvoll, weil:
- die biologische Vielfalt erst durch den Eingriff selbst entsteht (dies ist der wesentliche Unterschied zu anderen Vorhaben).
- wandernde Abbauabschnitte und fortlaufende Erweiterungen der Gewinnungsstätten einen speziell darauf ausgelegten, integrierten Lösungsansatz erfordern.
- Rohstoffgewinnung keine „Natur auf Zeit“ im engeren Sinne ist. Denn nach der „Natur auf Zeit – Phase“ der Rohstoffgewinnung erfolgt eine Renaturierung oder Rekultivierung ehemaliger Abbauflächen. Dies trägt erheblich zur nachhaltigen Stärkung und Sicherung der Biodiversität bei.