„So macht Artenschutz keinen Sinn“, kommentiert Thorsten Schönbrodt diesen löchrigen Krötenzaun in der Uckermark.
Stop and go am Krötenzaun
Amphibienwanderung als Geduldsspiel
11. März 2020 – Die Amphibien tun, was man angesichts der milden Temperaturen von ihnen erwarten darf. Überall regt sich Leben, selbst in den Mittelgebirgen geht es langsam los. „Am Montag haben wir an unserem Feuerlöschteich den Krötenzaun aufgebaut. Heute früh waren die ersten wenigen Krötenmännchen in den Eimern“, berichtet Norbert Möller vom NABU Großenhausen aus dem hessischen Spessart „Inzwischen ist es wärmer und auch recht feucht, so dass wir davon ausgehen, dass die Wanderung mehr Fahrt aufnimmt.“
„Endlich Krötenwetter!“ Irene Gellweiler aus Bad Sobernheim an der Nahe bringt es auf den Punkt. „Bereits in den letzten Tageslichtstrahlen saß am Dienstag das erste Erdkrötenpärchen am Zaun. Während unserer dreistündigen Suche konnten wir 180 Männchen und 11 Weibchen über die Straße transportieren und in der Nähe des Laichgewässers aussetzen.“
Weiter im Osten werden ebenfalls immer mehr Tiere munter. „Am Dienstagabend gab es bei elf Grad Celsius und Regen in der Elbtalaue die erwartet starke Wanderaktivität, und jetzt waren auch Knoblauchkröten mit dabei“, freut sich Christian Fischer. „Ich bin auf Wegen und Straßen auf sieben Exemplare gestoßen, darunter auch schon Weibchen. Insgesamt war die Individuendichte an wandernden Amphibien in dem untersuchten Bereich bei Wehningen im Amt Neuhaus allerdings viel geringer als in den Vorjahren. Moorfrösche konnte ich zum Beispiel überhaupt keine finden. So richtig reichlich gab es vor allem Regenwürmer...“
Auch ganz im Osten, in der Märkischen Schweiz, waren laut Thorsten Schönbrodt vom NABU Müncheberg „insbesondere Erdkröten unterwegs – leider mit vielen Verkehrsopfern und das an einer ganzjährigen, schlecht beziehungsweise gar nicht gewarteten Amphibienschutzanlage mit mindestens acht Schadstellen, an denen die Amphibien die Leitwände passieren können. Ergebnis: Vor der Anlage 22 tote Erdkröten und auf der Länge der Anlage nochmal 15 Totfunde. Gleiches Bild bei einer Anlage in Temmen-Ringenwalde im Landkreis Uckermark. Auch hier tote Erdkröten, erstaunlich, dass man bei dem schlechten Zustand der Anlage überhaupt noch welche findet. So macht Artenschutz keinen Sinn.“
Helfende Hände gesucht
Es gibt wohl kaum eine Naturschutzgruppe, die nicht dringend weitere Helfer*innen sucht, denn Amphibienschutz ist aufwändige Handarbeit. Um mitzutun, sind Vorkenntnisse nicht zwingend nötig. Die Saison erstreckt sich in der Regel über zwei bis drei Monate, mit dem Höhepunkt gegen Mitte März. Es ist schön, wenn jemand an vielen Tagen mit anpacken kann, wer nur einmal oder zweimal Zeit hat, ist aber auch willkommen.
Zunächst müssen Zäune aufgestellt werden – teils übernimmt das die Kommune oder die Straßenbauverwaltung. Stehen die Zäune, müssen diese jeden Tag kontrolliert werden, am besten am frühen Abend und am frühen Morgen. Befinden sich Amphibien in den Eimern, werden diese in Transporteimer umgefüllt und über die Straße getragen. In der Regel werden dabei auch Anzahl, Arten und Geschlechter notiert. Wie die Hilfe funktioniert, wie man die Tiere richtig anfasst, wie man Grasfrösche von Springfröschen oder Bergmolche von Teichmolchen unterscheidet, ist schnell gelernt.
Wer weiß, dass im Heimatort oder in der Nachbarschaft Krötenzäune betreut werden, kann sich einfach an die jeweilige Naturschutzgruppe wenden. Ist dies nicht bekannt, lohnt es sich, auf den lokalen NABU-Websites nachzuschauen. Fast tausend Schutzzäune samt Kontaktadressen sind zudem in der Schutzzaundatenbank des NABU-Bundesfachausschusses Feldherpetologie versammelt.
Schlecht sieht es im besonders dürregeplagten Nordosten auch bei den Laichgewässern aus: „Die Wasserführung der Kleingewässer im Raum Müncheberg ist noch dramatischer als im vorigen Jahr. Bisher wurden 396 von 517 Gewässern untersucht. Sollte es beim Rest ähnlich aussehen, sind rund 70 Prozent bereits jetzt trockengefallen. Hinzu kommen weitere sechs Prozent mit zwar ausreichend Wasser, die aber entweder mit Fischbesatz oder durch Angelnutzung für Amphibien als Laichhabitat ungeeignet sind. Das macht dann insgesamt Dreiviertel aller Kleingewässer, die als Laichhabitat ausfallen. Das Artensterben ist allgegenwärtig, man muss nur hinsehen (wollen)! Ich wünschte, ich könnte Positiveres berichten.“
Aktuell
Gute Aussichten, aber nur vorübergehend
Stück für Stück geht es nun zum Wander-Höhepunkt
10. März 2020 – „Nachdem seit Donnerstag keine Tiere da waren, gab es heute einen großen Schub“, berichtet Marion Kühr aus Porta Westfalica. „Hier in Marienheide haben wir erst Sonntagabend die ersten Kröten beobachtet. Vorher war es zu kalt“, bestätigt Jessica Erdmann aus dem Bergischen Land. Und Monika Weber vom NABU Kisdorfer Wohld im Kreis Segeberg freut sich: „Montag haben wir in Heidkaten/Kaltenkirchen 322 Erdkröten gerettet. Wow!“
Damit die richtig große Wanderung stattfindet, muss allerdings einiges zusammenkommen. „Das Problem war, dass bisher selten alle drei für die Wanderaktivität entscheidenden Faktoren gleichzeitig gepasst haben: Temperatur, Nässe, Wind – die beiden ersteren möglichst hoch, letzterer möglichst wenig“, beschreibt Christian Fischer die Situation im Wendland und der niedersächsischen Elbtalaue. „Gerade die Sache mit dem Wind wird gerne mal vergessen, hat aber manche potentielle Wandernacht doch sehr gestört. Und pauschale überregionale Aussagen sind dadurch noch schwieriger zu treffen.“
Eine richtig starke Wandernacht gab es nach Fischers Angaben am Sonntag (8.), „aber auch nur, weil hier kurz vor Einbruch der Dunkelheit unverhofft noch eine Regenfront durchzog, sonst wäre es zu trocken gewesen. So gab es auf den Straßen trotz geringer Verkehrsdichte bei neun Grad Celsius überall heftige ‚Krötengemetzel‘. Gestern Abend war es dagegen nicht nass genug und zwei Grad kühler. Resultat: kaum Betrieb.“ Die Nächte zu Mittwoch und Donnerstag könnte es bei zweistelligen Temperaturen und Regen besonders betriebsam werden. Das gilt für weite Teile des Bundesgebiets.
Während im Süden und Westen schon länger Braunfroschlaich zu beobachten ist, ist man weiter nördlich und östlich nicht ganz so weit. „Am Montag habe ich in einem Waldtümpel im Wendland den ersten hiesigen Laich des Jahres gefunden: 120 frische Moorfrosch-Laichballen!“, freut sich Fischer. „Das dürfte aber noch eine Ausnahme sein, zumal das langjährig beobachtete Gewässer für seine besonders frühe Phänologie bekannt ist. Für Anfang der kommenden Woche ist nun aber sehr mildes, nicht zu windiges Wetter vorhergesagt. Dann dürften sich erste gute Gelegenheiten für Laichaktivitäten frühlaichender Arten wie Moor- und Grasfrosch ergeben. Dazu kommt passenderweise eine allmählich einsetzende Erholung der lange Zeit prekären Wasserstände, zuletzt auch endlich im Bereich der Mittelelbe. Das ist zwar noch immer nicht überall in ausreichendem Maß der Fall, aber man ist nach den Dürrejahren trotzdem dankbar, dass sich sichtbar etwas tut.“
Was die Amphibienbestände betrifft, dämpft Christian Fischer aber die Erwartungen: „Man muss lokal und bei bestimmten Arten – bei Erdkröten wohl weniger – davon ausgehen, dass Vorkommen signifikant gelitten haben. Daher sind weniger Tiere an den Zäunen zu erwarten, als vielleicht aus früheren Jahren gewöhnt.“
Die Eimer bleiben leer
Kleiner Wintereinbruch stoppt die Amphibien vorläufig
05. März 2020 – Der Februar hat bereits für reichlich Bewegung gesorgt. Nicht nur Braunfrösche und Molche waren unterwegs, sondern auch ungewöhnlich viele Erdkröten. Froschlaich findet sich schon vielerorts, im Rhein-Neckar-Gebiet überlegt man sogar, die ersten Rückwanderzäune aufzustellen.
Der kleine Wintereinbruch der letzten Tage bietet gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zu ziehen, bevor die Amphibien wieder richtig loslegen. Dabei zeigt sich, dass der ganze große Schub noch aussteht, gerade bei den Erdkröten und selbst in den extramilden Lagen. „In Leverkusen sind rund ein Viertel des langjährigen Mittels durch“, schätzt zum Beispiel Martin Wielens. Bei den Erdkröten wandern noch überwiegend unverpaarte Männchen, von denen bisher rund 40 Prozent unterwegs waren. „Hinzu kommen Teich- und Grasfrösche sowie einige Molche. Letztere sind erst zu zehn Prozent durch.“
Ähnlich ist die Größenordnung im Raum Hannover. „An unserem Amphibienschutzzaun haben wir inzwischen insgesamt 1.068 Erdkröten eingesammelt, das sind etwa 20 bis 30 Prozent der Tiere, die wir durchschnittlich in den vergangenen Jahren gefunden haben“, berichtet Inge Scherber aus Hemmingen. „Es waren auch schon viele Weibchen beziehungsweise Paare dabei. Nach den letzten zwei Nächten blieben die Eimer aber wieder leer.“
Auf lediglich zehn Prozent der zu erwartenden Gesamtzahlen schätzt Marion Kühr die bisherige Kröten(männchen)-Wanderung in Porta Westfalica. Sobald es einige Höhenmeter nach oben geht, nehmen die Fangzahlen deutlich ab. „Am Teich haben wir schon erste Grasfrosch-Laichballen gefunden. Ich denke, die Frösche sind etwa zur Hälfte durch, die Kröten kommen aber erst noch“, meldet Rainer Pietsch vom NABU Wiesbaden. Auch im bayerischen Landkreis Günzburg hat Heinz Unsöld bisher nur einige Erdkröten, wenige Braunfrösche und vereinzelte Bergmolche registriert. Immerhin „Überfahrene Amphibien gibt es bis jetzt keine.“
Weniger positiv gestimmt ist Sabine Brauckmann aus Herne-Röhlinghausen: „Bei uns fing die Wanderung gute zwei Wochen früher an. Wir hatten schon weit über 300 Tiere. Leider sind in diesem Jahr die Bedingungen noch weiter erschwert durch eine weitere Emschergenossenschafts-Baustelle, die alte Baustelle ist nochmal vergrößert worden, der Zaun darum ist leider extrem kaputt und wurde trotz mehrfacher Bitten noch nicht repariert. Es fehlen Helfer, meist ist mein Mann mit einem Freund allein unterwegs, um die fünf nicht zu schließenden Lücken zu kontrollieren. Trotz 30er-Schildern wird teilweise 100 gefahren, niemand kontrolliert es und unsere Anfragen an die Polizei werden komplett ignoriert. Dies wird unsere letzte Krötenrettung für uns sein, sofern sich nicht in diesem Jahr etwas tut und wir Unterstützung finden.“
In den Mittelgebirgen stehen die Laichwanderungen noch ganz am Anfang. „Bei uns im hessischen Spessart hat sich noch nichts getan“, stellt Norbert Möller aus Linsengericht fest. Ähnlich sieht es im benachbarten Thüringen aus. „Wir könnten noch keine Wanderungen feststellen, weil doch die Nächte sehr kalt sind und ab und zu auch noch in höheren Lagen Schnee liegt“, berichtet Klaus Götze aus dem Saale-Holzland-Kreis „Wir vermuten, dass ab Ende nächster Woche die Moorfrösche und die ersten Grasfrösche los legen. Daher bauen wir ab 14. März alle Zäune auf.“
Rückblick Februar
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