In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Von wegen Agrarwende!
Forschungsteam fällt vernichtendes Urteil über die Pläne der EU für ihre Agrarpolitik ab 2021
02. August 2019 - Die europäische Agrarpolitik droht künftig noch klima- und naturschädlicher zu werden, wenn die EU ihre Pläne jetzt nicht grundlegend korrigiert. Das ist das Ergebnis einer Studie, die ein Forscher*innenteam aus acht Ländern jetzt in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht hat. Deutschland und die EU laufen damit Gefahr, ihre Ziele beim Arten- und Klimaschutz zu verfehlen.
Pauschale Flächenprämien sind klima- und umweltschädlich sowie sozial ungerecht
Die Wissenschaftler*innen analysierten den Vorschlag der EU-Kommission, wie die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) 2021 bis 2027 aussehen soll. Ihr Fazit: Die EU-Agrarpolitik wird auch in Zukunft ihre Umweltziele verfehlen, weil die Kommission weiter an ineffizienten, klima- und umweltschädlichen sowie sozial ungerechten Pauschalzahlungen festhalten will. Diese Zahlungen, die vor allem den Besitz von Fläche belohnen, machen aktuell rund 70 Prozent des GAP-Budgets aus und damit 40 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Flächenprämien führen zum einen zu sozialer Unwucht: 1,8 Prozent der Betriebe erhalten 32 Prozent des Geldes. Und die Zahlungen schaden der Umwelt: Für Landwirt*innen bieten sie keine finanziellen Anreize, Artenvielfalt, Gewässer und Klima zu schützen. Daher sind die Betriebe häufig gezwungen, das Maximum aus ihren Wiesen und Äckern herauszuholen – oft unter hohem Einsatz von Dünger und Pestiziden. Die Kommission plant zudem, ab 2021 das Budget für Umweltzahlungen überproportional zu kürzen. Damit würden die kritisierten Direktzahlungen sogar auf 73 Prozent des Budgets im Jahr 2027 anwachsen.
„Die EU-Kommission stellt sich blind und taub für die größten Probleme unserer Zeit: das Massenartensterben und die Klimakrise. Die Kommission will weiterhin Milliarden an Steuergeld in ein System pumpen, das vor allem Großgrundbesitzer*innen und der Agrarindustrie nützt – die Natur aber systematisch zerstört. Es ist ein Skandal, dass die Agrarlobby solchen Einfluss hat, dass ein Drittel des EU-Haushalts in naturschädigende Pauschalzahlungen fließen soll.“
(NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller)
Erst im Mai nannte der Weltbiodiversitätsrat IPBES die Intensivierung der Landwirtschaft als Hauptursache für den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt. Mit der Gestaltung der Agrarpolitik hält die EU deshalb den wesentlichen Hebel zur Lösung der Artenkrise in der Hand. Denn EU-weit werden rund 174 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt, etwa 40 Prozent der Fläche. Wie auf diesen Wiesen und Feldern gearbeitet wird, ist entscheidend für das Funktionieren der Ökosysteme, die Qualität des Grundwassers und das Klima.
Das 17-köpfige Forscher*innenteam empfiehlt, das Agrarbudget künftig ausschließlich nach dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ zu verteilen. Die Direktzahlungen sollen schrittweise abgeschafft werden, genauso wie umweltschädliche Subventionen, etwa für den Ausbau der Rinderhaltung.
Zentrale Forderungen des NABU bestätigt
Der NABU will, dass bis 2027 die Direktzahlungen abgeschafft und stattdessen in den Aufbau einer zukunftsfähigen Landwirtschaft investiert werden. Entscheidend ist, dass Landwirte endlich attraktive Anreize erhalten, im Einklang mit der Natur zu arbeiten. EU-weit müssen hierzu mindestens 15 Milliarden Euro pro Jahr bereitstehen. Jeder Betrieb, der öffentliche Unterstützung erhalten will, muss zudem auf zehn Prozent seiner Fläche der Artenvielfalt Raum geben.
Naturschutz muss sich für die Landwirt*innen lohnen. Wer umsteuern will, verdient auch die Unterstützung von den Steuerzahler*innen.
Klimaschutz steht im Kommissionsvorschlag nur auf dem Papier
Das Forschungsteam bemängelt darüber hinaus, dass sich der neue Kommissionsvorschlag in Sachen Klimaschutz ein „grünes Mäntelchen“ umhängt. 40 Prozent der Förderung werden als „klimafreundlich“ deklariert – ohne dass hierfür entsprechende Maßnahmen und Indikatoren eingeführt werden. So fehlt etwa die Verpflichtung, die größten Teibhausgas-Quellen der Landwirtschaft, wie Methan oder Lachgas, zu senken, oder den Maisanbau auf Moorböden zu beenden. Außerdem soll es den EU-Mitgliedstaaten weiterhin möglich sein, die Rinderhaltung mit gekoppelten Zahlungen weiter auszubauen. Solche umweltschädlichen Subventionen verzerren darüber hinaus die Märkte.
Seit Jahren üben sowohl der Europäische Rechnungshof als auch die Wissenschaft massive Kritik an der Gestaltung der EU-Agrarpolitik. Erst vor zwei Wochen empfahl der Wissenschaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die Direktzahlungen zu beenden. Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner kündigte umgehend an, langfristig an den umweltschädlichen pauschalen Flächenprämien festhalten zu wollen. Und schlägt damit erneut die Empfehlungen ihrer eigenen Berater*innen in den Wind.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss jetzt handeln
Der jetzige Vorschlag der EU-Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) wird die Probleme der Klimakrise und des Artensterbens nicht lösen, sondern im Gegenteil noch weiter verschlimmern. Der NABU fordert Ursula von der Leyen deshalb auf, diesen Vorschlag umgehend zu kassieren und einen neuen, klima- und umweltgerechten Plan für die EU-Agrarpolitik vorzulegen.
Nutzungsintensivierung, Ausräumung der Landschaft, Massentierhaltung, Pestizideinsatz und Überdüngung – all dies hat zu einem massiven Verlust von Artenvielfalt, sowie zur Belastung von Wasser, Böden und Klima geführt. Eine wesentliche Schuld hat daran die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP). Mehr →
Eine NABU-Studie macht die engen Verflechtungen zwischen Agrarpolitik, Agrarwirtschaft und Bauernverband sichtbar. Denn seit Jahren wird in der Landwirtschaft gegen das Gemeinwohl entschieden. Die Macht der Agrarlobby muss endlich stärker beschränkt werden. Mehr →
Die Mehrheit der deutschen Landwirtschaftsbetriebe ist unzufrieden mit der EU-Agrarpolitik: Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des NABU unter Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland durchgeführt hat. Mehr →
Milliardenschweren Direktzahlungen schaden nachweislich Natur und Umwelt. Wie viele Gutachten und Studien braucht es noch, damit die EU endlich von ihrem umweltschädlichen Kurs in der Agrarpolitik abrückt? Mehr →