forsa-Umfrage: 56 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte fühlen sich vom Bauernverband schlecht vertreten - Grafik: NABU
Deutscher Bauerntag: Chance für den überfälligen Wandel in der Landwirtschaft endlich nutzen
Hat der Bauernverband die Zeichen der Zeit erkannt?
25. Juni 2019 - Der NABU fordert den Deutschen Bauernverband zum Start des Deutschen Bauerntages in Sachsen auf, endlich die Chancen für einen sozial- und umweltverträglichen Wandel der Landwirtschaft zu nutzen. Denn diese Chancen werden bei den laufenden EU-Agrarverhandlungen geradezu auf dem Silbertablett präsentiert. Ein Fahrplan zum ökologischen Umbau der milliardenschweren Subventionen könnte den meisten Betrieben Planungssicherheit, eine wirtschaftliche Perspektive und gesellschaftliche Wertschätzung zurückgeben. Das diesjährige Motto des Bauerntages „Wandel braucht Verlässlichkeit“ führt der Bauernverband mit seiner Blockadehaltung jedoch bisher ad absurdum.
„Viele Branchen müssen sich in Zeiten von Klimakrise und Artensterben neu aufstellen. Aber wohl kaum eine hat dafür so viel Steuergeld zur Verfügung wie die Landwirtschaft. Leider nur theoretisch – denn statt in Lösungen für den Wandel zu investieren, verhindert der Deutsche Bauernverband eine Umverteilung der derzeit knapp 60 Milliarden Euro EU-Subventionen. Durch sein Festhalten am verschwenderischen und umweltschädlichen System der pauschalen Flächenprämien verspielt der DBV die Zukunft vieler seiner Mitglieder.“
(NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller)
Der NABU wirft der Bundesregierung vor, bei den Haushalts- und Agrarverhandlungen in Brüssel der Linie von DBV-Präsident Rukwied zu folgen und den Rat ihrer wissenschaftlichen Berater und der Rechnungshöfe zu ignorieren. Bundesagrarministerin Julia Klöckner muss nun den Mut haben, auch ohne Zustimmung des mächtigen Lobbyverbands DBV einen klaren Fahrplan für die Umwandlung der pauschalen Flächensubventionen vorzulegen und auf EU-Ebene zu vertreten. Jährlich 15 Milliarden Euro müssen dabei konkret in Naturschutzmaßnahmen fließen, damit sich der Erhalt der Artenvielfalt für Landwirte finanziell lohnt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Olaf Scholz sind nun gefordert, wenn in Brüssel im Herbst über den EU-Haushalt für das nächste Jahrzehnt verhandelt wird.
Wandel braucht Verlässlichkeit? Das sehen wir auch so, Joachim Rukwied. Denn was jetzt erforderlich ist, ist ein verlässlicher Fahrplan für eine zukunftsfähige und nachhaltigere EU-Agrarpolitik, die künftig die Leistung für den Naturschutz honoriert statt mit pauschalen Flächenprämien den Landbesitz zu subventionieren. Auch auf den Stellenwert der Landwirtschaft in der Gesellschaft könnte sich das positiv auswirken, indem ihre wichtige Funktion für den Erhalt der Kulturlandschaft wieder in den Blickpunkt rückt.
Miserables Umfrageergebnis für den Bauernverband
Vielleicht könnte ein klares Bekenntnis des Bauernverbandes zu einem Wandel in der Landwirtschaft sogar dazu führen, dass sich die Landwirtinnen und Landwirte wieder besser vom DBV vertreten fühlen. Eine forsa-Umfrage im Auftrag des NABU zeigt nämlich, dass nur zwei Prozent der Landwirtinnen und Landwirte glauben, dass der DBV wirklich in ihrem Sinne handelt. 56 Prozent hingegen fühlen sich schlecht oder eher schlecht vertreten.
Auch das Landwirtschaftsministerium wird von zwei Dritteln der Landwirtinnen und Landwirte nicht als guter Anwalt für die Interessen der Landwirtschaft wahrgenommen. Agrarministerin Julia Klöckner bekommt also ebenfalls kein gutes Zeugnis. Ein weiteres richtungsweisendes Ergebnis der forsa-Umfrage: 87 Prozent der Landwirtinnen und Landwirte sind bereit, mehr für den Naturschutz zu tun, wenn das finanziell entsprechend honoriert wird.
Zukunftsstrategie des Bauernverbandes nicht nachhaltig
Der DBV sieht nach wie vor die Zukunft der Betriebe in weiteren Produktionssteigerungen. Umweltprobleme sollen vor allem mit technischen Hilfsmitteln gelöst werden. Doch diese Strategie wird den Ansprüchen der Gesellschaft und auch vieler Landwirtinnen und Landwirte nicht mehr gerecht. Zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Grün- und Ackerland sind pro Betrieb mindestens zehn Prozent nicht-produktiver naturnaher Flächen notwendig. Zusätzlich müssen Extensivierungsmaßnahmen gefördert werden.
„Der DBV hat jetzt die Möglichkeit zu zeigen, dass er die Erwartungen und Wünsche der Gesellschaft verstanden hat und sich auf den Weg hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft machen will. Dies bedeutet, dass wir vor allem mehr Raum für die Natur in Form von Brachen, Säumen und Hecken brauchen. Außerdem muss das Problem der Überdüngung und zu hoher Pestizideinsätze schnell und ehrgeizig angegangen werden. Bisher hat sich, wenn überhaupt, nur die Rhetorik des DBV verändert. Grundsätzlich schwingt bei allem aber immer noch eine Anspruchshaltung mit, die von gestern ist. Der Steuerzahler kann für sein Geld mehr Umweltleistungen erwarten, nicht der Agrarsektor noch mehr Geld frei Haus vom Staat.“
Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des NABU
Im November 2019 will Julia Klöckner eine Ackerbaustrategie der Bundesregierung ausgearbeitet haben - so haben es die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. In einem Hintergrundpapier hat der NABU seine konkreten Forderungen an diese Ackerbaustrategie der Bundesregierung formuliert. Unsere Leitbilder für eine nachhaltige Ackerbaustrategie sind:
- Von landwirtschaftlich genutzten Flächen dürfen keine nachhaltig negativen Beeinträchtigungen benachbarter Flächen ausgehen.
- Acker- und Grünlandflächen dürfen nicht nur als Produktionsstätten behandelt werden, sondern auch als Agrarökosysteme mit wichtigen Schutzfunktionen (Boden, Grundwasser, Biodiversität). Es darf zu keiner Verschlechterung dieser gesellschaftlich wichtigen Schutzgüter kommen.
- Unsere Nahrungsmittel müssen nachhaltig, umwelt- und klimaverträglich produziert werden.
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