Distelfalter bei der Rast am Bahngleis, an Ochsenzunge Nektar saugend. - Foto: Helge May
Weniger Tagfalter, mehr Marienkäfer und Holzbienen
Spannende „Insektensommer“-Beobachtungen
07. Juni 2019 – Die erste Etappe des diesjährigen „Insektensommers“ geht in den Schlussspurt. Das Wochenende über kann noch gezählt werden, das Online-Meldeformular ist eine weitere Woche bis einschließlich 16. Juni geöffnet. Die zweite Etappe mit den typischen Spätsommer-Arten folgt dann im August.
Wir haben also noch kein Endergebnis, doch auch die Zwischenstände sind interessant. Im Vergleich zum Vorjahr gab es je nach Insektenart starke Verschiebungen, in der Summe wurden pro Beobachtungspunkt aber genau so viele Arten beobachtet wie im Vorjahr: 9,5 sind es aktuell, 9,2 waren es 2018.
Kleiner Fuchs und Taubenschwänzchen machen sich rar
Zu den klaren Verlierern im Vorjahresvergleich gehören die meisten Schmetterlinge. Unterm Strich wurden 40 Prozent weniger gesehen als 2018, die Weißling-Beobachtungen haben sich halbiert, die des Admirals und des Kleinen Fuchses gingen sogar um zwei Drittel zurück. Auch das kolibriähnliche Taubenschwänzchen macht sich eher rar. Die Veränderungen beziehen sich immer auf die Zahl der Beobachtungspunkte im Verhältnis zu den Gesamtmeldungen, nicht auf die Zahl der Individuen.
Fortpflanzungsstrategie: Viel hilft viel
Die meisten Insekten setzen bei der Fortpflanzung auf zahlreichen Nachwuchs, Wissenschaftler nennen das r-Strategie. Hohe Verluste durch Fressfeinde, Krankheiten oder Nahrungsmangel sind dabei fest eingeplant. Sind die Bedingungen gut, können sich Insekten in kurzer Zeit enorm vermehren, sind die Bedingungen schlecht, kommt es zu massiven Einbrüchen. Die Größe der Insektenbestände schwankt daher von Jahr zu Jahr stark – auch ohne Klimawandel oder Gifteinsatz. Für belastbare Aussagen zur Bestandsentwicklung sind möglichst lange Zeitreihen und möglichst viele Messpunkte nötig.
Nun ist 2019 nicht unbedingt ein schlechtes Schmetterlingsjahr ist, denn 2018 war bei Arten wie den Kohlweißlingen oder dem Taubenschwänzchen ein absolutes Spitzenjahr. Fest steht lediglich, dass es weniger Falter als im Vorjahr sind. Wie sich 2019 einsortiert, wird erst der mittelfristige Vergleich zeigen.
Distelfalter wandern von Ost nach West
Einzelne Arten wie Kleines Wiesenvögelchen oder Zitronenfalter wurden ähnlich oft beobachtet wie 2018, der Distelfalter sogar merklich häufiger. Der Distelfalter ist ein Wanderfalter (zum Masseneinflug 2009). Er zieht im Frühjahr von Afrika bis hoch nach Skandinavien. Viel deutet darauf hin, dass der Zug auf der westlichen Route 2019 eher schwach, auf der Ostroute eher stark war. Vom Balkan bis zum Baltikum flogen reichlich Distelfalter, spätestens Mitte Mai waren sie in Estland, Ende Mai sogar in Südschweden.
Bei uns liegen aus den meisten Landesteilen Distelfaltermeldungen vor, größere Lücken gibt es im Nordwesten und an der Küste. Das muss nicht so bleiben, denn viele Distelfalter sind noch auf dem Zug – meist Richtung Nord bis Nordwest. Dabei lassen sich in einer Stunde Dutzende oder auch mal über hundert Falter beobachten. Passt die Grundrichtung, fliegen die Tiere gerne entlang an Landschaftsstrukturen. Das können auch Eisenbahntrassen sein, wie man die letzten Tage etwa in Potsdam sah, wo die Distelfalter nicht nur über offene Strecken flogen, sondern immer schön die Gleise entlang selbst mitten durch den Hauptbahnhof.
Etwa im Minutenabstand zogen jeweils ein bis zwei Falter bodennah ohne Halt durch, aus Richtung Ost nach West. Wir konnten den Flug über circa 30 Meter mit den Augen verfolgen.
Naturgucker-Beobachtung von Harald Schnöde in einer Kleingartenanlage im thüringischen Apolda
Bei den Schwebfliegen gingen die Beobachtungen ebenfalls zurück. Die häufige Hainschwebfliege etwa kam 2018 an 52 Prozent der Beobachtungspunkte vor, 2019 nur an 37 Prozent. Dennoch liegt sie aktuell hinter Steinhummel und Honigbiene auf Platz 3, noch vor dem Asiatischen Marienkäfer.
Damit sind wir auch bei den Gewinnern: Viele Käfer sind 2019 deutlich häufiger zu sehen. Der Siebenpunkt-Marienkäfer zum Beispiel mehr als doppelt so oft, der imposante Rosenkäfer sogar dreimal so oft. Auch Hummeln, Bienen und Wespen wurden häufiger notiert. Besonders gesteigert haben sich die Erdhummeln, die Haus-Feldwespe und die Blaue Holzbiene.
Breitet sich die Blaue Holzbiene weiter aus?
Die Holzbiene ist unsere größte Wildbiene, kaum zu übersehen und auch gut zu bestimmen. Sie wurde mehr als dreimal so oft beobachtet wie 2018, das heißt schon was. Das heißt, dass die Holzbienen wahrscheinlich bereits ein ordentliches Vorjahr hatten und dass sie gut durch den Winter gekommen sind.
Umgekehrt gilt für Arten, die aktuell schwächeln: Nicht nur der aktuelle Frühjahrsverlauf ist wichtig, die Basis wurde im Vorjahr gelegt. Das war bekanntlich extrem trocken, viele Futterpflanzen waren im Hochsommer schlicht vertrocknet.
Bitte nicht nur in Gärten beobachten
Wie schon beim ersten Insektensommer 2018 kommen auch jetzt die meisten Meldungen aus Gärten. Das ist in jeder Hinsicht naheliegend. Um das Bild rund zu machen, würden wir uns aber sehr über mehr Beobachtungen aus der freien Landschaft freuen. Besonderer Wunsch des Insektensommer-Teams: Bitte auch Meldungen von Feldern und aus Wäldern nördlich der Linie Hannover – Berlin. Äcker und Felder gibt es dort ganz bestimmt und auch den einen oder anderen Wald.
Die Blaue Holzbiene breitet sich schon seit einigen Jahren aus, sie profitiert vom Klimawandel. Längst brummen Holzbienen nicht nur in den wärmebegünstigten Regionen. Lücken gibt es lediglich noch im Voralpengebiet, in den Mittelgebirgen und im Norddeutschen Flachland. Das geschlossene Verbreitungsgebiet reicht derzeit bis zu einer Linie Ruhrgebiet – Hannover – Berlin. Nördlich davon kommen Holzbienen punktuell vor, dabei gehäuft in den im Vergleich zum Umland immer etwas wärmeren städtischen Räumen.
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