„Was der Biene schadet, muss vom Markt“ – mit dieser Forderung startete Ministerin Klöckner in ihre Amtszeit. Zu Beginn stimmte sie für das Verbot dreier Neonikotinoide, seither ist Flaute. – Foto: Helge May
Bienenschützerin oder Freundin des Bauernverbands?
Was von den Versprechen der Agrarministerin übrig blieb
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Eine Ackerbaustrategie soll chemisch-synthetische Pestizide künftig reduzieren. Bislang nennt die Agrarministerin aber keinerlei konkreten Ausstiegsdaten, etwa für Glyphosat. – Foto: Shutterstock/Leonid Eremeychuk
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20 Prozent Öko-Landbau sollen es bis 2030 sein. Bislang liegt dieses Ziel in weiter Ferne. – Foto: Christiane Geidel
05. März 2019 - Das Amt der Bundesagrarministerin und die CDU/CSU: Seit jeher hat die Union dieses fest gepachtet – wenn sie denn an der Macht ist. Und traditionell geht dieses Amt nach Bayern – verlässlich konnte man sich dann in der Republik darauf einstellen, dass die kommenden vier Jahre größtenteils besitzstandswahrende Agrarpolitik folgen wird. Christian Schmidt machte es zuletzt eindrucksvoll vor, als er im Alleingang die Zulassung für Glyphosat verlängerte. Doch in dieser Legislatur, der inzwischen vierten Koalition unter der Regentschaft Angela Merkels, ging das Amt nicht nach Bayern, sondern nach Rheinland-Pfalz. Würde sich die Agrarpolitik damit endlich ändern? Würde Deutschland der dringend notwenigen Agrarreform näher kommen? Und könnte sie, die neue Agrarministerin Julia Klöckner neuen Wind in das Bundeslandwirtschaftsministerium bringen?
Ein Jahr ist inzwischen vergangen - und erste Ernüchterung eingekehrt. Für den NABU ist es Zeit, Bilanz zu ziehen: Was ist von der selbsterklärten Bienenschützerin und ihren Ankündigungen geblieben? Im Koalitionsvertrag zeigten sich CDU/CSU und SPD im Insektenschutz noch ambitioniert, in der Landwirtschaftspolitik immerhin vorsichtig fortschrittlich. So legten sie mehrere konkrete und wichtige Schritte für den dringend notwendigen Umbau der Agrarpolitik fest. Wir analysieren, was Julia Klöckner hiervon bislang umgesetzt hat.
Insektenschutz: Note 4- – Stark gestartet, stärker nachgelassen
„Wir werden das Insektensterben umfassend bekämpfen.“
Erstmals in der Geschichte hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag den Schutz von Insekten als politisches Ziel festgelegt. Kurz zuvor war mit großem öffentlichen Widerhall bekannt geworden, dass in 27 Jahren mehr als 75 Prozent der Masse an Insekten in deutschen Naturschutzgebieten verschwunden waren. Auch Julia Klöckner schrieb sich den Schutz der Insekten umgehend auf die Fahnen – insbesondere die Rettung der Honigbiene, die eine Rettung aus Naturschutzsicht übrigens kaum nötig hat, ihre wildlebenden Verwandten hingegen umso mehr. Denn von den 560 hierzulande lebenden Arten ist jede dritte bedroht. Bemerkenswerter Satz von Julia Klöckner in ihrer Antrittsrede: „Was der Biene schadet, muss vom Markt“.
Positiv: Zu Beginn ihrer Amtszeit stimmte sie für das Verbot dreier Wirkstoffe der besonders bienenschädlichen Neonikotinoide. Mit Erfolg. Die Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid sind seither EU-weit verboten. Dieses Verbot inszenierte sie mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit „Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa.“ Klöckner hat zudem angekündigt, hierzulande keine Notfallzulassung von Neonikotinoiden durchzuwinken - im Gegensatz zu mehreren anderen EU-Ländern, die weiterhin mehrere Neonikotinoide per Notfalldekret einsetzen.
Negativ: Doch seit dem Verbot dieser drei Neonikotinoide herrscht Flaute. Zahlreiche andere Wirkstoffe dieser Klasse sind unverändert auf dem Markt, das „Ersatzmittel“ Sulfoxaflor ist zwar im Freiland verboten, aber in Gewächshäusern weiterhin erlaubt. Bei einem Runden Tisch mit den Umweltverbänden zum Insektenschutz blieb Klöckner außerdem jegliche Idee und Lösung zum Stopp des Insektensterbens in der Agrarlandschaft schuldig. Derzeit sieht leider viel danach aus, dass die Forderung zur Rettung der Biene nicht mehr war als ein Feigenblatt für die Agrarministerin. Und das Neonikotinoid-Verbot ein sehr gut inszenierter Coup zum Aufbau ihres Images.
Reform der EU- Agrarpolitik: Note 6 – Größte Chance verspielt?
„Es geht aber auch darum, dass wir den Erwartungen der Bevölkerung an die Mittelvergabe (der EU-Agrarpolitik) mehr gerecht werden.“
Ein „ermutigendes Zeichen“ im Koalitionsvertrag nannten wir es im März 2018 noch, dass die Große Koalition erste zaghafte Schritte in Richtung einer naturverträglicheren Landwirtschaft unternimmt. Union und SPD wollen sich für eine Umschichtung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen und die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds einsetzen. Aktuell laufen dazu die Verhandlungen in Brüssel, konkrete Vorschläge der EU-Kommission liegen auf dem Tisch, die Verteilungsdebatten laufen. Doch bislang schweigt Klöckner – als Vertreterin des größten EU-Mitgliedstaates und größten Nettozahlers – in Brüssel beharrlich dazu, wie sie sich die künftige Geldverteilung und damit den Anteil für den Naturschutz vorstellt.
Positiv: Schweigen ist in diesem Fall leider nicht Gold. Daher: nichts Positives.
Negativ: Deutschland vertritt in Brüssel noch immer keine klare Position zur künftigen EU-Agrarpolitik. Klöckner verschläft es damit, die Landwirtschaft endlich naturverträglich zu gestalten und Natur sowie Landwirten gleichermaßen eine Zukunft zu bieten. In Brüssel kommt es jetzt darauf an, die milliardenschweren Agrarsubventionen effizienter auszugeben und stärker an Umwelt-, Klima, Naturschutz- und Tierwohlleistungen zu binden. Diese Reform der EU-Agrarpolitik ist dringend notwendig zur Rettung der Insektenwelt, es ist der entscheidende Hebel zum Stopp des Artensterbens.
Zunehmend steigt auch in Deutschland der Unmut über die Untätigkeit der Politik und das Verschwinden der Natur auf unseren Wiesen und Feldern – dies zeigte unlängst etwa das Volksbegehren in Bayern. Auch Klöckner wird dies aufmerksam registriert haben. Ihre Haltung der EU-Agrarpolitik ist jedoch bislang einzig: Vereinfachung des Systems, Beibehaltung der Höhe der Subventionen und des Systems der Direktzahlungen – obwohl letzteres nachweislich Steuergeld verschwendet und nachteilig für die Natur ist. Klöckner will somit weiterhin primär den Besitz von Fläche belohnen, nicht jedoch ein umweltbewusstes Arbeiten auf den Wiesen und Feldern. Klöckner ignoriert zudem bewusst die Ratschläge ihres eigenen wissenschaftlichen Beirats und zahlreiche Studien, die eine grundlegende Reform der Agrarpolitik und vor allem den Abbau der Direktzahlungen dringend empfehlen.
Julia Klöckners Argumentation, mehr Umweltambition gehe nur mit mehr Geld, zeigt, wie wenig sie auf die internationalen Verpflichtungen zum Erhalt der Artenvielfalt gibt. Allerspätestens zum Treffen der Agrarminister Mitte April in Brüssel muss Klöckner nun konkrete Vorschläge für die Umweltausrichtung der EU-Agrarpolitik mitbringen.
Glyphosatausstieg und Pestizidreduktion: Note 5 – Auf die lange Bank geschoben
„Wir werden mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.“
Julia Klöckner lässt bislang keine Strategie erkennen, wie der Einsatz von Pestiziden insgesamt und grundsätzlich reduziert werden soll. Weder an neue Anreize der EU-Agrarpolitik noch über ordnungsrechtliche Maßnahmen scheint sie sich wirklich heranzuwagen. Stattdessen soll bis Herbst 2019 der erste Entwurf einer „Ackerbaustrategie“ vorgelegt werden. Auf die vom Umweltbundesamt vorgeschlagenen Biodiversitätsflächen, die zumindest Ersatzlebensräume für Insekten schaffen sollen, wenn Landwirte Glyphosat einsetzen wollen, reagierte Klöckner mit wütender Kritik an der „Einmischung“ des Umweltministeriums.
Positiv: Das Bundeslandwirtschaftsministerium schlägt ein Verbot von Glyphosat auf öffentlichen Flächen, am Wasser und in Naturschutzgebieten vor.
Negativ: Bereits bei Bekanntwerden des Koalitionsvertrags hatten wir moniert, dass ein konkretes Datum für den Glyphosat-Ausstieg fehlt. Er wird einfach auf die lange Bank geschoben. Bis heute hat sich daran nichts geändert: Klöckner nennt weiterhin keinen konkreten Ausstiegstermin. Stattdessen verweist ihr Ministerium auf Nachfrage darauf, dass ein Verbot europarechtlich schwierig sei. Auch die Vorschläge von Klöckner für Privatgärten und die Landwirtschaft gehen nicht weit genug. In Privatgärten sollen künftig Menschen mit Sachkundenachweis weiterhin glyphosathaltige Produkte anwenden dürfen. Auch in der Landwirtschaft soll der Einsatz weiterhin möglich sein, wenn für Tiere entsprechende Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind, ebenso auf erosionsgefährdeten Böden, die mechanisch nicht bearbeitet werden können.
Klöckners Strategie: Schuld sind die anderen: Note 5 – Freiwilligkeit soll’s richten
„Unsere Bürger müssen spüren, dass wir uns um ihre Lebensthemen kümmern. Wenn wir heute über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, über Wein-, Obst-, Gemüse- und Gartenbau, über Fischerei und Tierhaltung, über Biodiversität und starke ländliche Räume sprechen, dann sind das die Lebensthemen der Menschen in unserem Land. Denn hier geht es um unser täglich Brot, um die Bewahrung der Schöpfung, um Tierwohl und um eine gute Zukunft für unser Land. Deshalb ist das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auch das Lebensministerium!“
Auch wenn Klöckner zu Beginn ihrer Amtszeit betonte, nicht der verlängerte Arm des Bauernverbandes sein zu wollen, ist sie doch zunehmend zu diesem geworden.
Positiv: Während der ersten großen Herausforderung ihrer Amtszeit, der langanhaltendes Dürreperiode im Sommer 2018, hielt sich Klöckner mit schnellen Nothilfe-Zusagen zunächst zurück.
Negativ: Aus der Dürre hat Klöckner nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Mit Blick auf die drohende Klimakrise wäre es notwendig, die Landwirtschaft endlich nachhaltiger auszurichten. Und zwar mit einer EU-Agrarpolitik, die klimaschonendes Arbeiten und den Anbau von verschiedenen Kulturen und eine bodenschonendere Bewirtschaftung belohnt. Doch all dies fordert Klöckner bislang nicht. Den Konsumenten weist sie zudem deutlich mehr Verantwortung zu als den Produzenten, beispielsweise bei ihrem stark kritisierten Tierwohl-Label und ihrer Strategie zur Reduzierung von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln.
Dabei lassen sich die Krisen der Agrarpolitik nicht an der Ladentheke lösen. Erforderlich sind gesetzliche Regelungen – die Klöckner aber bislang größtenteils umgeht, aus Scheu vor der mächtigen Agrar- und Lebensmittelindustrie. Auf berechtigte Kritik an ihrem inhaltlich unentschlossenen Handeln, reagiert sie zunehmend dünnhäutig. Umweltverbänden warf sie wiederholt Populismus vor. Wissenschaftlich anerkennte Beweislagen, wie den zunehmenden Rückgang der Insekten, stellt sie seit Amtsbeginn indirekt in Frage und fordert statt Handlungen lediglich mehr Forschung.
Nach einem Jahr im Amt glänzt Klöckner bislang vor allem durch gute Inszenierung ihrer selbst, lässt aber wichtige und klare Positionen vermissen. Besonders im entscheidenden Jahr der Verhandlungen zur künftigen EU-Agrarpolitik ist dies fatal. Es ist Zeit, das Schweigen zu brechen!
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