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Wie ernst ist es der Agrarministerin mit der Rettung der Insekten?
4. Dezember 2018 - Wie ernst ist es Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit ihrer angeblich bienenfreundlichen Agrarpolitik? Jetzt kann sie zeigen, ob ihre bisherigen Ankündigungen bloße Lippenbekenntnisse waren oder eine echte Umkehr einläuten.
Es geht um die Zulassungspraxis für Pestizide. Am 12. und 13. Dezember berät der Pestizid-Ausschuss der EU-Kommission über die so genannte „Bee-Guidance“. Sie wurde durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) entwickelt und soll Risiken, die durch den Einsatz von Pestiziden für Honig- und Wildbienen entstehen können, künftig besser abschätzen. Ihre erstmalige Anwendung führte Anfang 2018 zum Freiland-Verbot dreier Neonikotinoide. Im EU-Ausschuss steht nun zur Debatte, ob die Leitlinie bei sämtlichen Wieder- und Neuzulassungen von Pestiziden verpflichtend angewendet werden muss.
„Diese Leitlinie kann ein Meilenstein sein für den Schutz der Bienen. Sie legt die Schwachstelle der bisherigen Pestizid-Risikobewertung offen: Es gibt kaum Tests mit Honig- und Wildbienen. Deshalb fehlt ein reales Bild, wie die Wirkstoffe auf die gesamte Bienenwelt wirken. Das Ergebnis dieser schlechten Zulassungspraxis sehen wir im rasanten Insektensterben“
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller
Wie wirkungsvoll die „Bee Guidance“ ist, wurde im April 2018 deutlich, als auf ihrer Grundlage EU-weit erstmals ein Freiland-Verbot für die drei Neonikotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid ausgesprochen wurde. Die EFSA hatte zuvor deren Schädlichkeit für Wild- und Honigbienen bestätigt.
„Bee Guidance“ muss für alle Pestizide gelten
Der NABU fordert die Bundesregierung auf, sich für die Anwendung der „Bee Guidance“ bei sämtlichen Wieder- und Neuzulassungen von Pestiziden auszusprechen. Die Leitlinie erfüllt die Vorgabe der EU, die Genehmigungspraxis nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft auszurichten. Bislang jedoch sperren sich mehrere EU-Mitgliedstaaten wie Spanien oder Polen gegen die strengere Zulassungspraxis. Andere Länder fordern eine schrittweise Einführung der Leitlinie. Dadurch würden zunächst deutlich weniger Tests durchgeführt, eine vollumfängliche Anwendung der Leitlinie würde um Jahre hinausgezögert.
Sollten sich die EU-Mitgliedstaaten Mitte Dezember dem Druck der Agrar- und Chemielobby beugen und sich nicht auf eine verpflichtende Anwendung verständigen, drohen die jüngsten Erfolge des Freiland-Verbots der drei Neonikotinoide zu verpuffen. Denn bereits jetzt werden diese systemischen Wirkstoffe durch andere, ähnlich wirkende, ersetzt. Auf den europäischen Markt drängen aktuell etwa Thiacloprid, Sulfoxaflor und Cyantraniliprol.
„Was für Bienen schädlich ist, muss weg vom Markt.“ Das verkündete Julia Klöckner in ihrer Antrittsrede. Jetzt muss sie beweisen, dass sie es ernst gemeint hat mit der Rettung von Wild- und Honigbienen. Denn genau darüber entscheidet sie jetzt: Über die Marktzulassung von Pestiziden und damit über die Zukunft der Wild- und Honigbienen in der EU. Die Bundesregierung muss nun zum einen für die verpflichtende Anwendung der „Bee Guidance“ stimmen und zum anderen die blockierenden Mitgliedstaaten von einer insektenfreundlicheren Pestizidzulassung überzeugen.
Hintergrund zur Pestizidzulassung
Die EU-Pestizid-Verordnung regelt die Neu- und Wiederzulassungen von Pestiziden. Sie schreibt vor, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in die Genehmigungspraxis aufzunehmen. Die Erkenntnisse zum Schutz von Wild- und Honigbienen versammelt die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2013 entwickelte „Bee Guidance“. Mit dieser Leitlinie können potenzielle Risiken, die durch Wirkstoffe ausgelöst werden können, weitaus umfassender erkannt werden als bislang. Das neue Modell zur Risikobewertung sieht beispielsweise vor, auch dauerhafte oder wiederholte Expositionen gegenüber Pestiziden sowie das Risiko für Larvenstadien der Bienenarten zu berücksichtigen. Die Tests sollen zudem nicht nur für Honigbienen durchgeführt werden sondern auch für eine Hummel- sowie zwei Wildbienenarten. Damit werden deutlich mehr bestäubende Arten untersucht als bislang und die Auswirkungen der Pestizidanwendung realer abgeschätzt. Erstmals sieht das Bewertungsmodell auch Feldstudien zur Freiland-Anwendung vor. Die „Bee Guidance“ soll künftig sowohl bei Neu- als auch bei Wiederzulassungen von Pestiziden angewendet werden.
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