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Jetzt NABU-Mitglied werden!Baustopp von Nord Stream 2 abgelehnt
Ein schwarzer Tag für die Ostsee
01. Juni 2018 – Die heutige Entscheidung macht betroffen, werden doch weiterhin auf der Grundlage eines aus NABU-Sicht rechtswidrigen Beschlusses Schutzgebiete in der Ostsee zerstört. Nord Stream 2 hat erfolgreich auf die Kostenkarte im Falle eines Baustopps gesetzt: Offensichtlich wiegt Geld mehr als die Natur.
Es ist ein schwarzer Tag für den Naturschutz, wenn den privatwirtschaftlichen Interessen von Nord Stream 2 Vorrang vor dem Schutz bedrohter Arten und Lebensräume eingeräumt wird.
- NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller
Gleichzeitig bestätigt das Urteil, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache völlig offen ist. Das würde bei einer erfolgreichen Klage des NABU bedeuten, dass die Pipeline zurückgebaut werden muss. Ein unkalkulierbares Risiko für die am Projekt beteiligten Firmen.
Der OVG-Beschluss aus Sicht des NABU
Was bedeutet die Aussage des OVG, der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache sei offen?
Schon diese Aussage hätte aus NABU-Sicht zu einem Baustopp führen müssen. Denn sie besagt: Die vom NABU vorgebrachten, naturschutzfachlichen Klagegründe sind bislang nicht widerlegt. Es ist plausibel, dass durch den Pipelinebau in den Schutzgebieten ein Umweltschaden droht. Das verstößt gegen EU-Naturschutzrecht.
Das OVG Greifswald erklärt in seinem Beschluss, die Sach- und Rechtslage zu Nord Stream 2 sei zu komplex, um eine Entscheidung im Eilverfahren herbeizuführen. Aber anstatt den Bau bis zu einer endgültigen Entscheidung auszusetzen und so Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen, erlaubt der OVG-Beschluss den vorläufigen Weiterbau. Der Umweltschaden droht nun einzutreten und es ist weiterhin ungeklärt, ob der Planfeststellungsbeschluss, auf dem der Bau beruht, tatsächlich rechtswidrig ist, wie der NABU einschätzt.
Warum muss Unschädlichkeit von Nord Stream 2 nicht bewiesen werden?
Das Habitatschutzrecht der EU sieht vor: Der Verursacher eines Eingriffs muss nachweisen, dass sein Vorhaben zu keinem Umweltschaden führt. Der Gerichtsbeschluss kehrt diese Beweislast um. Zwar erkennt das OVG an, dass der NABU zahlreiche Gründe für einen möglichen Umweltschaden durch Nord Stream 2 vorbringt, sieht das jedoch nicht als hinreichend erwiesen an. Dieses Beweises hätte es aber laut aktueller Rechtsprechung gar nicht bedurft. Die Beweislast liegt bei Nord Stream 2.
Warum darf Nord Stream 2 trotz drohender Umweltschäden weiterbauen?
Der Planfeststellungsbeschluss übernimmt unkritisch die Aussagen eines Nord Stream 2-Gutachtens, wonach ab dem Jahr 2020 eine Versorgungslücke bei Erdgas eintrete. Auch das OVG zitiert diese Nord Stream 2-Prognose. Um zu vermeiden, dass diese sehr konservative Prognose zutrifft, erlaubt das Gericht die Zerstörung sensibler Schutzgebiete.
Eine sichere und nachhaltige Energieversorgung ist auch wichtig für den NABU. Deshalb haben wir ein Gutachten beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben. Dieses kommt zu einer völlig anderen Aussage. Eine Versorgungslücke ab 2020 ist demnach auch ohne Nord Stream 2 nicht erkennbar. Selbst wenn der extrem unwahrscheinliche Fall eines Erdgas-Engpasses wider Erwarten einträte, kann auch ohne Nord Stream 2 die Gasversorgung gesichert werden. So kann beispielsweise in bestehenden Pipelines der Druck erhöht werden, um mehr Gas in vorhandener Infrastruktur zu transportieren. Schon heute verfügt Deutschland ohne Nord Stream 2 über Gasimport- und Speicherkapazitäten, die mehr als dreimal so groß sind wie der Verbrauch.
Welche Schritte hat der NABU bislang unternommen?
Am 2. März hatte der NABU in einem Eilverfahren Klage gegen den Bau von Nord Stream 2 eingereicht. Ein Planfeststellungsbeschluss des Bergamtes Stralsund hatte den Baubeginn im Greifswalder Bodden ab dem 15. Mai erlaubt. Daher sah sich der NABU gezwungen, eine zusätzliche Zwischenverfügung zu beantragen, sozusagen einen Eilantrag im Eilverfahren. Beides, Eilantrag und Eilverfahren, ist jetzt gegen den NABU entschieden worden. Besonders erschütternd: Viele verfahrens- und naturschutzrechtlichen Argumente des NABU wurden dabei nicht gewürdigt.
Mit der Nicht-Entscheidung des Gerichts ist am Ende trotzdem eine Entscheidung getroffen: gegen die Ostsee. Denn wenn Nord Stream erst einmal gebaut ist, ist der Umweltschaden eingetreten.
Wie geht es weiter nach dem OVG-Beschluss?
Der OVG-Beschluss ist nicht anfechtbar. Als letzter Schritt bleibt dem NABU nur noch eine Verfassungsbeschwerde. Denn durch den Beschluss werden Tatsachen geschaffen, ohne dass ein effektiver Rechtsschutz für den Naturschutz besteht.
Alarmierend ist die Äußerung des Gerichts, die Sach- und Rechtslage sei zu komplex für eine schnelle Entscheidung. Ist zu befürchten, dass eine schlechte Personalausstattung der Gerichte einen effektiven Rechtsschutz insbesondere bei komplexen Infrastrukturvorhaben verhindert? Brauchen die Gerichte eine eigene Fachabteilung, auch mit Biologen, die die Richter und Richterinnen bei der Urteilsfindung unterstützt? Der Fall Nord Stream 2 legt nahe: Solche Fragen müssen dringend diskutiert werden.
Klares Alarmsignal wird ignoriert
Die Entscheidung ist auch deshalb schwer nachzuvollziehen, weil nur wenige Tage nach Beginn der Baggerarbeiten massive Verschmutzungen durch mineralölbasierte Schmierfette im Baugebiet aufgetreten sind. Hunderte pinkfarbene Fettklumpen wurden im südwestlichen Greifswalder Bodden an die Strände gespült. Es wurden Proben vom Staatlichen Umweltamt genommen und die Polizei ermittelt. Es gilt als sicher, dass Nord Stream 2 der Verursacher ist.
Die Verunreinigungen sind ein klares Alarmsignal und zeigen, welche Risiken das Projekt Nord Stream 2 für Mensch und Umwelt birgt. Eine ganze Reihe der im Schmiermittel enthaltenen Stoffe sind giftig oder schädlich für Wasserorganismen. Einzelne Stoffe haben endokrine Wirkungen, das heißt, sie beeinflussen das Hormonsystem der Wasserorganismen. Die möglichen Folgen für Mergelriffe und Wasserpflanzen, Schweinswale und Meeresenten könnten durch die Fortsetzung der Baggerarbeiten noch schwerer wiegen.
Hoffnung auf das Hauptsacheverfahren
Erstaunlich ist auch, dass das Gericht den überholten Argumenten von Nord Stream 2 zur Energiesicherheit folgt, anstatt auf führende Energieexperten (zum Beispiel des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) zu hören, welche die Gaspipeline für energiepolitisch falsch halten. Der NABU wird das Urteil prüfen – und hofft auf eine andere Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
Darin kritisiert der NABU neben den schädlichen Umweltauswirkungen auch Fehler im Genehmigungsverfahren, so sind zum Beispiel Umweltverträglichkeitsprüfungen unvollständig. Zusätzlich wird auf die noch ausstehenden Genehmigungen in anderen Ostsee-Anrainerstaaten hingewiesen. Die Klage des NABU wird fachlich und finanziell vom WWF Deutschland unterstützt.
UPDATE VOM 3. JULI
Einen Monat nach der Ablehnung des vorläufigen Baustopps von Nord Stream 2 durch das OVG Greifswald hat der NABU gegen diesen Beschluss Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Damit wird an höchster Stelle der effektive Rechtsschutz im Fall überprüft. Mehr →
Die Gaspipeline Nord Stream 2 mitten durch fünf Schutzgebiete in der Ostsee schädigt die empfindliche Meeresumwelt. Diese Schäden müssen kompensiert werden. Der NABU hat zwei Klagen gegen den Bau der Pipeline eingereicht. Mehr →
Die Baggerarbeiten für die Gaspipeline Nord Stream 2 haben zu massiven Verschmutzungen durch mineralölbasierte Schmierfette geführt. Im Greifswalder Bodden wurden Hunderte pinkfarbene Fettklumpen an die Strände gespült. Mehr →