Kleine ornithologische Sensation: Klappergrasmücke an Winterfutterstelle in Bielefeld - Foto: Silvia Verwiebe
Auf dem Zug in den Süden falsch abgebogen?
Überraschender Winterfund: Klappergrasmücke in Bielefeld
10. Januar 2018 - Wer in der Ergebnisliste zur „Stunde der Wintervögel“ ganz nach unten scrollt, stößt dort auf Vogelarten, bei denen der NABU scheinbar die Abbildung vergessen hat. Es handelt sich um Arten, die wir bisher nicht auf unserer Winterliste hatten, nun aber beobachtet wurden.
Unter den „Vögeln ohne Foto“ findet sich auch eine heimische Art, die eigentlich jetzt im Winterquartier in Ostafrika weilen müsste. Die Klappergrasmücke ist ein typischer Langstreckenzieher, der im Herbst Richtung Äthiopien und Sudan zieht. Wenn während der Stunde Wintervögel eine Klappergrasmücke gemeldet wird, dann wird diese in der Regel ohne weitere Nachfrage gelöscht, denn die Wahrscheinlicheit geht gegen Null. Das gilt genauso für Rauchschwalbe, Nachtigall oder Mauersegler.
Die Ausbrecherkönige
Bei der Stunde der Wintervögel werden regelmäßig sogenannte Gefangenschaftsflüchtlinge gesichtet, also Ziervögel, die aus einer Voliere entkommen sind und nun versuchen, über den Winter zu kommen. Das Pfirsichköpfchen zum Beispiel, eine kleiner aus Ostafrika stammende Papagei, oder der Rote Kardinal, eine in den USA weit verbreitete Art. „Der Rotkardinal trägt einen roten Ring, wird also ein ausgebüchster Volierenvogel sein und wurde bereits im Dezember an einer Futterstelle in der Nachbarschaft gesehen“, schreibt Sigrid Euteneuer zu ihrer Beobachtung in Katzwinkel an der Sieg.
Solche Arten stehen natürlich nicht im Mittelpunkt der Aktion. Ihre Funde sind trotzdem interessant. Nicht nur wegen der Frage, ob diese Arten die kalte Jahreszeit überstehen. Es könnte auch sein, dass der ein oder andere Vogel doch Artgenossen findet und sogar eine wildlebende Population mit Nachwuchs entsteht. Am besten ist das dem aus Indien stammenden Halsbandsittich gelungen. Entlang des Rheins leben heutzutage Tausende der knallgrünen Vögel.
Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn wenn von der vermeintlichen Fehlbestimmung ein Fotobeleg vorliegt, wird daraus eine kleine vogelkundliche Sensation. So geschehen in Bielefeld. „Die Klappergrasmücke ist ungefähr seit Ende November täglicher Gast an einem aufgehängten Fettblock“, erläutert Silvia Verwiebe dazu. Die kleine Bilderserie zeigt eindeutig eine Klappergrasmücke.
Auffällig bei dem Bielefelder Vogel ist die gleichmäßig graue Kopf- und Rückenfärbung – mitteleuropäische Klappergrasmücken haben meist einen deutlich braunen Rücken. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Grasmücke aus einer mittelasiatischen Population stammt. Eine sichere Zuordnung ist äußerlich leider nicht möglich, deswegen lohnt es sich, an der Futterstelle nach abgefallenen Federchen zu suchen, die dann genetisch untersucht werden könnten.
Sollte es sich um eine östliche Unterart handeln, wäre das der Erstnachweis für Nordrhein-Westfalen – Sommer wie Winter. Die asiatischen Klappergrasmücken ziehen im Winter Richtung Indien oder Arabien. Der Vogel hat also eine völlig falsche Richtung eingeschlagen. Dass er von einem Sturm abgetrieben wurde, ist eher unwahrscheinlich, denn das wäre gegen die Hauptwindrichtung geschehen. Die Grasmücke ist wohl aktiv nach Westen geflogen. Es kommt immer wieder vor, dass einzelne Vögel generell falsch unterwegs sind; passiert das gehäuft und die Vögel finden im neuen Quartier gute Bedingungen vor, können sich sogar neue Zugwege etablieren.
P.S.: Die Grasmücke wurde später vorsichtig eingefangen und ihre DNA bestimmt. Es handelte sich nicht um einen Vogel aus Mittelasien, sondern um einen der Unterart Sylvia curruca blythi aus Sibirien.
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