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Jetzt NABU-Mitglied werden!Torschlusspanik bei Agrarminister Schmidt?
„Ja“ zu fünf weiteren Jahren Glyphosat sorgt für Empörung
28. November 2017 - Christian Schmidt gehört im Bundeskabinett eigentlich zu den ruhigen Charakteren. Der absprachewidrige Alleingang in Sachen Glyphosat-Zulassung scheint daher ein letzter Freundschaftsdienst für die mächtige Agrarlobby zu sein. Er erwartet wohl nicht, im nächsten Kabinett noch einmal Landwirtschaftsminister zu werden.
Schmidt stößt mit seinem Alleingang nicht nur Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vor den Kopf – sie hatte sich bis zuletzt gegen eine Verlängerung eingesetzt. Er ignoriert auch den Willen der Bundesbürger. In Umfragen hatte sich die Mehrheit der Deutschen für einen baldigen Glyphosat-Ausstieg ausgesprochen.
Der NABU hält Schmidt als Minister inzwischen für untragbar, seine umgehende Entlassung wäre der richtige Schritt. Doch die Kanzlerin hob heute nur mahnend den Zeigefinger: Schmidts Alleingang sei entgegen der Weisungslage und entgegen der Geschäftsordnung des Kabinetts erfolgt. Gleichzeitig ließ Angela Merkel durchblicken, dass sie inhaltlich Schmidts Sicht teilt. Und so blieb es bei der Ermahnung, ein solcher Vorgang dürfe sich nicht wiederholen.
„Um den entstandenen Scherbenhaufen aufzukehren, muss Deutschland das Ende des Ackergifts nun selbst einläuten“, findet NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. „Egal, welche Partei mit der CDU und CSU in den nächsten Wochen am Verhandlungstisch sitzt, ein nationaler Ausstiegsplan muss im Regierungsprogramm gesetzt sein. Am besten bringen CDU und CSU den Vorschlag selbst auf den Weg.“
Schließlich hatte sich selbst die CSU erst vor wenigen Tagen deutlich fortschrittlicher in ihrer Agrarpolitik gezeigt. In einem Jamaika-Bündnis hätte sie ein Sofortprogramm gegen das Insektensterben verabschiedet und Pestizide deutlich verringern wollen. „Christian Schmidts Rolle rückwärts beschert Deutschland nun einen vergifteten Boden zur Unzeit“, so Miller.
Doch kein unerwarteter Alleingang?
Die deutsche Zustimmung zum Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist offenbar monatelang vorbereitet worden. Im Bundeslandwirtschaftsministerium wurde nach Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung schon im Sommer vorgeschlagen, für Glyphosat zu stimmen – auch gegen den Widerstand des Umweltministeriums.
Im Bundeslandwirtschaftsministerium wurde schon lange darauf gedrungen, der Entscheidung, der Glyphosat-Verlängerung im Alleingang zuzustimmen. Das ergibt sich aus internen Unterlagen, die WDR, NDR und SZ einsehen konnten. Demnach empfahl das Fachreferat für Pflanzenschutz Landwirtschaftsminister Schmidt bereits am 7. Juli, zu prüfen, ob man ohne das Einverständnis des Bundesumweltministeriums dem Vorschlag der EU-Kommission „eigenverantwortlich“ zustimmen könne. Eine Zustimmung ohne Einigung in der Bundesregierung widerspricht den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages von CDU und SPD.
Wenige Wochen später bat die Fachabteilung die Leitungsebene dann sogar darum, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Weisung zu erwirken. Die Fachabteilung im Landwirtschaftsministerium hat den zuständigen Staatssekretär schließlich am 2. Oktober noch einmal zu einer Entscheidung gedrängt: Eine deutsche Enthaltung in Brüssel gemäß Koalitionsvertrag würde einer faktischen Ablehnung entsprechen und hätte zur Folge, dass noch weitere Mitgliedsstaaten dem Kommissionsvorschlag nicht zustimmen würden. Die EU-Kommission müsste den Wirkstoff also im Alleingang genehmigen. Allerdings, so hieß es, bliebe ja noch eine weitere Handlungsoption: „Zustimmung ohne ressortabgestimmte Haltung“.
Nach Angela Merkels Darstellung hat Minister Schmidt mit der Entscheidung in Brüssel für die Verlängerung des Pflanzenschutzmittels gegen die Weisung der Bundesregierung verstoßen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium erklärt auf Anfrage, die Vermerke seien nur zur Kenntnisnahme erstellt worden und hätten damals noch keinerlei Entscheidung nach sich gezogen.
Deutschland muss jetzt dem Beispiel Frankreichs folgen. Unmittelbar nach der gestrigen Abstimmung hatte Präsident Emmanuel Macron verkündet, dass Frankreich innerhalb der nächsten drei Jahre aus dem Unkrautvernichter aussteigen will. Nationale Verbote wie das Frankreichs sind in jedem europäischen Land möglich.
Glyphosat ist ein hochriskantes Mittel, dessen Folgen für Natur und Umwelt jahrelang unterschätzt wurden. Die Chemikalie vernichtet die Nahrungsgrundlagen und Schutzräume für zahlreiche Tiere, darunter Vögel und Insekten, und trägt zum Rückgang der biologischen Vielfalt bei.