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Jetzt NABU-Mitglied werden!Bis zu 146.000 illegal getötete Vögel jedes Jahr in Deutschland
BirdLife-Studie offenbart Ausmaß von Vogelverfolgung in Europa
24. Oktober 2017 - Noch immer werden in Deutschland zwischen 53.000 und 146.000 Vögel jedes Jahr illegal getötet. Diese Zahlen wurden heute im Rahmen einer neuen BirdLife-Studie zum Ausmaß illegaler Verfolgung von Vögeln in Europa am Rande der Vertragsstaatenkonferenz der Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten (CMS) in Manila vorgestellt. Im Vergleich zur geschätzten Gesamtzahl von 12 bis 38 Millionen illegal getöteter Vögel pro Jahr in Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten, ist die deutsche Zahl zwar gering, verglichen mit den 0,2 bis 1,1 Millionen für Europa ohne den Mittelmeerraum und den Kaukasus jedoch sehr hoch.
Damit liegt nun erstmals eine wissenschaftliche Grundlage zum Ausmaß illegaler Verfolgung von Vögeln in ganz Europa vor. Auch in Deutschland muss weiter gegen den Verlust an Vögeln durch illegale Tötungen gekämpft werden. Denn auch hier hierzulande gibt es zahlreiche Verstöße gegen internationale Abkommen wie die Bonner Konvention und die EU-Vogelschutzrichtlinie. Der Abschuss von geschützten Arten ist genauso verboten wie Fallenfang, Vergiftung oder Nestzerstörung und gehört besser erfasst und effektiver geahndet.
Ausmaß in Europa sehr unterschiedlich
Die ermittelten Werte zeigen, dass illegale Verfolgung in allen Ländern Europas trotz entsprechender gesetzlicher Regelungen weiterhin ein Thema bleibt. Dabei ist das Ausmaß des Problems jedoch sehr unterschiedlich: Lediglich gut drei Prozent der gewilderten Vögel entfallen auf das nördliche Europa, der Rest auf die Mittelmeeranrainerstaaten in Europa, Nordafrika und dem nahen Osten sowie die Kaukasusregion.
Bei den deutschen Zahlen entfallen allein 50.000 bis 100.000 auf bei der Jagd versehentlich abgeschossene geschützte Wasservogelarten. Darauf weisen punktuelle Nachprüfungen geschossener Vögel hin. Doch wie hoch genau der Anteil geschützter Arten bei der Wasservogeljagd ist, müsste genauer untersucht werden. Auch Abschüsse außerhalb geltender Jagdzeiten oder beispielsweise mit in Feuchtgebieten verbotener Bleimunition wurden in der Studie als illegal erfasst.
Angesichts der nun vorliegenden Zahlen fordert der NABU ein verbessertes staatliches Monitoring illegaler Verfolgung und die Einrichtung von auf Artenschutzkriminalität spezialisierten Anlaufstellen für Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte, wie sie bereits in Nordrhein-Westfalen existieren. Um die Fehlabschussrate bei der Wasservogeljagd zu verringern, ist eine artgenaue Berichtspflicht für geschossene Enten und Gänse und ein stichprobenhaftes Kontrollsystem der vorgenommenen Artbestimmungen unabdingbar.
Greifvögel und Eulen stark betroffen
Besorgniserregend sind für den NABU auch die geschätzt 1.200 bis 12.000 getöteten Greifvögel und Eulen jährlich. Arten wie Habicht und Seeadler werden zum Teil systematisch verfolgt, Mäusebussarde und Rotmilane häufig vergiftet. In die Schätzung mit eingegangen sind dabei auch die in letzter Zeit vermehrt auftretenden Zerstörungen von Greifvogelhorsten im Zusammenhang mit geplanten Windenergieanlagen. Aufgrund der geringen Vermehrungsrate von Greifvögeln können auch diese vergleichsweise niedrigen Zahlen Auswirkungen auf die Populationen haben.
Auf 2.000 bis 10.000 Vögel wird die Zahl der für den Käfigvogelhandel gefangenen Finken in Deutschland geschätzt. Hinzu kommen absichtlich verfolgte Rabenvögel, Graureiher, Kormorane und Möwen oder auch zerstörte Nester von Mehlschwalben oder anderen Gebäudebrütern.
Anmerkungen zu Methodik und Datengrundlage
Ziel der BirdLife-Studie war es, erstmals aufgrund einer einheitlichen, von Fachleuten erarbeiteten Anleitung vergleichbare Schätzungen der illegal getöteten Vögel für alle betroffenen Länder zu produzieren. Die den Schätzungen zugrundeliegenden Annahmen sind in den Tabellen für jedes Land aufgeführt. Dies ermöglicht die Wiederholung und Verbesserung der Schätzung in der Zukunft – wozu die Studie ausdrücklich anregt.
Es handelt sich also um informierte Schätzungen auf Basis einer bisher leider mangelhaften Datengrundlage, nicht um empirische Daten oder repräsentative Hochrechnungen. Die Fragestellung (Ausmaß illegaler Aktivitäten) und die Methodik (informierte Schätzung) der vorliegenden Studie unterscheiden sich daher deutlich von anderen ornithologischen Studien, die im Regelfall auf empirisch erfassbaren und erfassten Daten basieren, etwa die Zähldaten von Vogelbeständen.
Der NABU hält es für notwendig, auch bei noch unbefriedigender Datenlage auf das vermutete Ausmaß der illegalen Tötung von Vögeln in Deutschland aufmerksam zu machen und weitere Untersuchungen einzufordern. Hierfür liefert die BirdLife-Studie eine geeignete Grundlage, wenn auch der europaweite Ansatz zwangsläufig zu Unschärfen in der nationalen Betrachtung führen kann.
Die im Rahmen der Studie vorgestellten Schätzzahlen sollten daher für Behörden, Forschungseinrichtungen und die Jägerschaft ebenso wie für Ornithologen und Vogelschützer Grundlage für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sein – mit dem Ziel, möglichst schnell genauere Daten zum Umfang des offensichtlich vorhandenen Problems zu generieren. Hier sieht der NABU insbesondere die Behörden am Zug, bei im Rahmen der Jagdausübung auftretenden illegalen Tötungen natürlich zudem die Jägerschaft. Der NABU ist bereit, diesen Prozess weiter zu begleiten und hat großes Interesse daran, die Zahl der illegal getöteten Vögel sowohl fachlich möglichst präzise darstellen zu können, als auch faktisch weitestgehend zu reduzieren.
UPDATE: Am 15. Dezember 2017 ist der aus dieser Studie resultierende Fachartikel in der Zeitschrift "Bird Conservation International" erschienen:
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