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Jetzt NABU-Mitglied werden!30-Hektar-Tag: Kein Grund zum Feiern
Unser Flächenverbrauch ist noch immer viel zu hoch
14. Juli 2020 - Das Ziel der Bundesregierung, den täglichen Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, liegt in weiter Ferne. Derzeit beträgt der tägliche Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr immer noch durchschnittlich 56 Hektar pro Tag. Somit fiel der diesjährige 30-Hektar-Tag auf den 14. Juli. Seit Anfang des Jahres bis zu diesem Tag wurde bundesweit bereits so viel Fläche neu verbaut, dass bis zum Ende des Jahr keine weiteren Flächen für Siedlung und Verkehr neu in Anspruch genommen werden dürften, wollte man das 30-Hektar-Ziel einhalten. Oder mit anderen Worten: Ab sofort müssten die Bagger still stehen, um das Ziel noch erreichen zu können.
Umweltfaktor Boden
Der Boden erfüllt als abiotischer Umweltfaktor lebenswichtige Funktionen für unsere Ökosysteme. Mit dem Verbrauch neuer Flächen für Verkehrs- und Siedlungszwecke und zunehmender Versiegelung gehen vor allem die Lebensraumfunktion des Bodens, die Fruchtbarkeit und die Wasserdurchlässigkeit des Bodens verloren. Zu den Folgen zählen der Verlust der Bodenfauna, örtliche Überschwemmungen bei starken Regenfällen, niedrige Grundwasservorräte sowie städtische Wärmeinseln durch fehlende Verdunstungskälte. Mit den unbebauten Flächen und unversiegelten Böden als endliche Ressource muss also sparsam umgegangen werden. Die Bedeutung des Bodens als Grundlage unserer Existenz muss in den Köpfen eines Jeden verankert werden, denn wir brauchen ihn wie die Luft zum Atmen.
Mit der Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie hat die Bundesregierung Anfang 2018 das 30-Hektar-Ziel für das Jahr 2020 auf das Jahr 2030 verschoben. Zwar soll demzufolge die Inanspruchnahme zusätzlicher Flächen auf „unter 30 Hektar pro Tag“, also auf „30 Hektar minus X“ begrenzt werden. Dennoch enttäuscht diese wenig konkrete Formulierung, vor allem, da nicht klar ist, wie groß dieses X ist. Anstatt also konkrete Zwischenziele zu setzen und ein Modell zur bedarfsorientierten Verteilung auf Länder- und Regionalebene zu entwickeln, verschiebt die Bundesregierung lediglich das alte, nicht erreichte Ziel um weitere zehn Jahre nach hinten, da es keine regulierenden Bestimmungen für ein Nichterreichen des Ziels gibt.
Dass sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) in seinem Integrierten Umweltprogramm hingegen als Zielmarke gesetzt hat, den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 20 Hektar pro Tag zu senken, kann da nur ein schwacher Trost sein. Denn es zeigt vor allem, dass die Bundesregierung hier nicht in der Lage ist, mit einer Stimme zu sprechen.
Bundesregierung missachtet ihre eigenen Ziele
Das 30-Hektar-Ziel und eine flächensparende Siedlungsentwicklung werden aktuell durch einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Baugesetzbuch konterkariert. Darin wird der fragwürdige Paragraf 13 b, der erhebliche Erleichterungen zum Wohnungsbau im geschützten Außenbereich ermöglicht, verlängert. Inzwischen belegen zahlreiche Studien, dass der 2017 befristet eingeführte Paragraph an den Gründen seiner Aufstellung scheitert: Er schafft keinen bezahlbaren Wohnraum für viele, sondern nur teuren Wohnraum für wenige. Mit Ein- und Zweifamilienhäusern wird kein Beitrag zur angestrebten Linderung der Wohnungsnot in wachsenden Kommunen erreicht. Das hat gravierende Auswirkungen auf den Bestand lebenswerter Siedlungen und intakter Natur.
Der Paragraf wird vor allem im ländlichen Raum angewandt, da er für kleine Gemeinden mit Personalmangel ein unkompliziertes Instrument darstellt. Dabei könnten bei Nachweis des Bedarfes auch über normale Bebauungsplanverfahren Flächen im Außenbereich in Anspruch genommen werden. Ein Unterlaufen von Flächensparzielen und Naturschutzgesetzgebung ist inakzeptabel. Denn dank des § 13b des Baugesetzbuches müssen die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt in der näheren Umgebung nun nicht mehr geprüft werden. Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft, wie Ersatzpflanzungen oder Renaturierungen von Flächen, entfallen ebenfalls.
Diese Ausnahmeregelungen galten bisher befristet bis Ende des Jahres 2019, bald wird der Bundestag über eine Verlängerung entscheiden. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich für eine flächensparende und nachhaltige Siedlungsentwicklung einsetzen. Der NABU ruft derzeit dazu auf, eine Petition gegen die Verlängerung des Paragraphen zu unterstützen. Nach der Sommerpause ist eine Entscheidung im Bundestag zu erwarten.
Obwohl der tägliche Flächenverbrauch von etwa 120 Hektar um die Jahrtausendwende mittlerweile halbiert wurde, sind stärkere Anstrengungen unverzichtbar, um die Neuinanspruchnahme von Flächen möglichst gering zu halten. Vage Zielformulierungen und Gesetzeserleichterungen für neuen Wohnungsbau am Stadtrand sind da nur kontraproduktiv. Langfristig muss eine sogenannte Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt werden. Dabei werden neuversiegelte Flächen durch die Entsiegelung nicht mehr genutzter Flächen sowie die Umwandlung zu Grünflächen aufgewogen, so dass der Netto-Flächenverbrauch am Ende Null betragen soll. Der Klimaschutzplan des Bundesumweltministerium nennt hierfür das Jahr 2050 als Zielmarke. Um dies zu erreichen, müssen sich aber auch die Bundesländer sowie Städte und Gemeinden konkrete Flächensparziele setzen. Wir setzen uns analog des Bundesrates (2011) und des Sachverständigenrates für Umweltfragen (2016) dafür ein, dass die „Netto-Null Flächenverbrauch“ bereits im Jahre 2030 erreicht wird.
Weiterhin darf das Bauen am Ortsrand nur die absolute Ausnahme sein. Die „Doppelte Innentwicklung“, also das Bauen im Bestand sowie die gleichzeitige Sicherung und Aufwertung von innerstädtischen Grünflächen, muss sich zum Regelfall entwickeln.
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