Die Anzahl der gesichteten Kohlmeisen pro Garten (blaue Balken) war dieses Jahr besonders niedrig. Auch die Menge der Kohlmeisen, die als Zugvögel registriert werden, variiert jährlich (bunte Linien). Im Januar 2013 wurden besonders viele Kohlmeisen bei der Stunde der Wintervögel gemeldet, offenbar auch weil im Herbst zuvor besonders viele Kohlmeisen nach Mitteleuropa einflogen. Im letzten Herbst waren es besonders wenige „Zug-Meisen“ und dementsprechend auch sehr wenige in Deutschlands winterlichen Gärten.
Vögel in diesem Jahr besonders zugfaul
Aktion „Stunde der Wintervögel“ bestätigt weniger Vögel
31. Januar 2017 - Viele Menschen treibt in diesem Winter die Frage um: Wo sind die Vögel geblieben? Auffallend wenig Meisen, Finken und andere Vögel ließen sich in den vergangenen Monaten an Futterstellen sowie in Gärten und Parks blicken. Dass diese Beobachtung flächendeckend zutrifft, bestätigte jetzt Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktion, die „Stunde der Wintervögel“. Rund 125.000 Vogelfreunde zählten Anfang Januar eine Stunde lang die Vögel in ihrem Garten und meldeten die Beobachtungen an den NABU und seinen bayerischen Partner, den Landesbund für Vogelschutz (LBV) – ein absoluter Rekordwert für Deutschland.
„Die Sorge um ausbleibende Vögel hat viele Menschen beschäftigt. Und in der Tat: So wenige Vögel wie in diesem Winter hatten wir schon lange nicht mehr“, sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Insgesamt beobachteten die Teilnehmer durchschnittlich 17 Prozent weniger Tiere als in den Jahren zuvor.
Vor allem bei den häufigen Wintervögeln und Futterhausbesuchern, darunter allen Meisenarten, aber auch Kleiber und Kernbeißer, wurden die bisher niedrigsten Zahlen seit Beginn der Aktion im Jahr 2011 verzeichnet. Pro Garten ließen sich im Schnitt nur rund 34 Vögel und acht verschiedene Arten sehen – sonst liegt der Schnitt bei rund 41 aus neun Arten.
„Einige Arten hatten dieses Jahr offenbar kaum Wanderlust – was zu den teils deutlichen Rückgängen geführt hat. Das gilt vor allem für jene, die im Winter häufig Besuch von ihren Artgenossen aus dem kälteren Norden und Osten bekommen. Dazu zählen auch die meisten Meisenarten“, so Lachmann. Auffällig ist, dass die Rückgänge bei Meisen und Co. im Norden und Osten Deutschlands gering ausfallen. Richtung Südwesten hingegen nehmen sie zu. Manche Wintervögel haben wohl aufgrund des – bis zum Beginn des Zählwochenendes – noch extrem milden Winters auf halber Zugstrecke Halt gemacht.
Im Gegensatz dazu sind Arten, die im Winter von Deutschland aus teilweise nach Süden abwandern, in diesem Jahr besonders häufig hier geblieben. Bei Amseln, Rotkehlchen, Ringeltauben, Star und Heckenbraunellen wurden die bislang höchsten oder zweithöchsten Werte seit Beginn der Aktion ermittelt. Die Amselzahlen stiegen pro Garten durchschnittlich um 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Star nahm gar um 86 Prozent zu.
Entsprechend deutlich zeigen sich die Verschiebungen auch in der Rangliste der häufigsten Wintervögel: Hinter dem Dauer-Spitzenreiter Haussperling setzte sich die Amsel – etwas überraschend – auf Rang zwei (sonst Platz 5). Die Kohlmeise liegt erstmalig nur auf Rang 3 und der Feldsperling landet zum ersten Mal noch vor der Blaumeise auf Rang 4.
Meisen, Star und Heckenbraunelle im Fokus:
-
-
Die Zahlen der Blaumeise zeigen den gleichen Trend wie für die Kohlmeisen. Die „Invasionen“ von Meisen nach Mitteleuropa wie im Winter 2012/13 hängen von vielen Faktoren ab.
-
Wie Kohl- und Blaumeise war auch die Tannenmeise in diesem Jahr ein seltener Gast in unseren Gärten, was, wie bei den anderen Meisen, mit den Zahlen der Zugvögel zusammenhängt.
-
Im Gegensatz zu den Meisen waren im Januar 2017 besonders viele Stare in den deutschen Gärten zu sehen. Dies hat aber interessanterweise den gleichen Grund wie bei den Meisen. Denn viele Stare sind nicht aus ihren mitteleuropäischen Überwinterungsgebieten nach Süden geflüchtet.
-
Im diesjährigen Winter wurden so viele Heckenbraunellen gezählt wie noch nie zuvor bei der Stunde der Wintervögel. Dies hat wahrscheinlich die gleiche Ursache wie schon beim Star beschrieben: Die Nahrungsverfügbarkeit war in Deutschland anscheinend sehr gut, deshalb sind diese Vögel geblieben.
Die Zugvogeldaten kommen mit freundlicher Genehmigung von www.trektellen.nl.
Neben der geringen Zuglust könnten auch weitere Faktoren Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben. Nicht ausgeschlossen ist, dass Meisen und andere Waldvögel im Frühjahr einen schlechten Bruterfolg hatten. Ob diese Vermutung zutrifft, wird die im Mai stattfindende Schwesteraktion „Stunde der Gartenvögel“ zeigen. Dann sind Deutschlands Vogelfreunde wieder aufgerufen, eine Stunde lang die Vögel zu zählen. Hier stehen Deutschlands Brutvögel im Fokus.
Die Ergebnisse der Wintervogelzählung zeigen auch, dass das unter Amseln grassierende Usutu-Virus keine Auswirkungen auf den Gesamtbestand der Art hatte. Anhand der Meldungen lassen sich die diesjährigen Ausbruchsgebiete – vor allem am Niederrhein – zwar deutlich erkennen, hier sind die Amselzahlen deutlich niedriger als andernorts. Doch insgesamt gehört die Amsel zu den Gewinnern der diesjährigen Zählung.
Besorgniserregend ist hingegen die anhaltende Talfahrt der Grünfinken. Nach einem erneuten Rückgang um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und über 60 Prozent gegenüber 2011 ist der Grünfink erstmals nicht mehr der sechsthäufigste Wintervogel in Deutschland. Er rangiert nunmehr auf Rang acht. Grund hierfür ist vermutlich das durch einen Parasiten hervorgerufene sogenannte „Grünfinkensterben“ (Trichomoniasis), das seit 2009 vor allem an sommerlichen Futterstellen auftritt.
Aufgrund der Zähl-Ergebnisse hatte sich in der Öffentlichkeit zuletzt eine rege Diskussion um die Gründe für die außergewöhnlich geringe Zahl an Wintervögeln entfacht. Nicht selten vermuteten Beobachter die Ursache bei Katzen, Rabenvögeln oder Greifvögeln. „Diese Thesen können nicht stimmen, da keiner dieser potenziellen Fressfeinde im Vergleich zu den Vorjahren zugenommen hat. Außerdem muss der Grund einer sein, der speziell in diesem Jahr eine Rolle gespielt hat – und keiner, der immer da ist. Unsere Analyse hat sogar gezeigt: In Gärten mit Katzen oder Elstern werden gleichzeitig mehr andere Vögel beobachtet. Das Auftreten potenzieller Fressfeinde führt also keineswegs zum sofortigen Verschwinden von Vogelarten“, so der NABU-Vogelexperte.
Service
Download Infografik/Animation zur WintervogelfütterungDownload Pressefotos zu Wintervögeln und Zählaktion
Ergebnisticker während der Aktion mit spannenden Infos
108.406 „and still counting“. Erstmals haben an einer Stunde der Wintervögel mehr als 100.000 Vogelfreundinnen und Vogelfreunde teilgenommen. Weniger erfreulich sind die Zählergebnisse. Einige Arten machten sich ausgesprochen rar, vor allem Meisen und Grünfinken schwächeln. Mehr →
Zur bundesweiten Zählaktion „Stunde der Wintervögel“ rufen der NABU und sein bayerischer Partner Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) jedes Jahr auf, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen und zu melden. Mehr →
Auf der interaktiven Karte können Sie zu allen Arten und Orten die Werte ablesen und erfahren, welche Vögel häufiger beobachtet wurden und welche seltener zu sehen waren. Im Tabellenreiter neben der Karte finden Sie zusätzlich alle Details zu den Vogeldaten. Mehr →
Was eignet sich als Vogelfutter? Und welche Art bevorzugt welches Futter? Das Füttern von Vögeln im Winter ist nicht nur ein Naturerlebnis, sondern vermittelt obendrein Artenkenntnisse. Mehr →
Zur Aktion
Der NABU und LBV rufen einmal im Jahr zur „Stunde der Wintervögel“ im Januar bzw. zur „Stunde der Gartenvögel“ im Mai auf. Es sind Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmach-Aktionen. Je mehr Menschen teilnehmen, desto genauer werden die Ergebnisse. Die Meldungen werden bis auf Bundesland- und Landkreisebene ausgewertet.
Die Schwesteraktion im Mai
Vögel in der Nähe beobachten, an einer bundesweiten Aktion teilnehmen und dabei tolle Preise gewinnen – all das vereint die „Stunde der Gartenvögel“. Jedes Jahr am zweiten Maiwochenende sind alle Naturfreund*innen aufgerufen, Vögel zu notieren und dem NABU zu melden. Mehr →