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Die politische Debatte um HBCD-Abfälle geht am Kern der Sache vorbei
31. Januar 2017 - Selten herrschte in der politischen und wirtschaftlichen Landschaft eine solche Einigkeit, wie nach den Beschlüssen von Bundesrat und Bundesregierung zum Umgang mit HBCD-haltigen Dämmstoffabfällen. Die Entsorgerverbände begrüßen die Entscheidung für ein einjähriges Moratorium, Bundesländer und Kabinett klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Ein Jahr dürfen die Dämmplatten nun mit dem Umweltgift in deutschen Müllöfen verbrannt werden, auch in denjenigen ohne Sondergenehmigung für gefährliche Abfälle. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass neben dem Flammschutzmittel HBCD purer Kunststoff verbrannt wird und so fossile Treibhausgase entstehen.
Dieses „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Vorgehen bringt die Debatte über den möglichst umweltfreundlichen Umgang mit gefährlichen Abfällen aber um keinen Schritt weiter. Die deutsche Politik handelt inkonsequent. Als die EU 2008 eine klare Abfallhierarchie festlegte, musste Deutschland mit einiger Verzögerung das Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 verabschieden und hat dieses mit der fahrlässigen Ausnahme „Heizwertklausel“ versehen. Letztere ist mittlerweile richtigerweise schon wieder Geschichte. Dennoch scheint die Begeisterung, erst einmal lieber zu verbrennen anstatt stofflich zu verwerten, bis heute nicht abgenommen zu haben. Und so steht die Debatte um die Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen exemplarisch für den mangelnden politischen Willen, Produktrecht und Abfallrecht stärker zusammenzudenken, gefährliche Stoffe von Anfang an aus der Wirtschaft zu schleusen und eine starke Infrastruktur für die Sortierung und das Recycling aller Abfallströme aufzubauen. Das Wort „Recycling“ fiel in der Folge während der Bundesratsdebatte am 16. Dezember kein einziges Mal. Eine traurige Tatsache, wenn man bedenkt, dass drei grüne Landesumweltminister im Plenum vortrugen.
Gerade bei HBCD-haltigen Abfällen könnte und sollte man aber jetzt ein Zeichen setzen und Regelungen treffen, die den Aufbau einer verbesserten Sortierungs- und Recyclinginfrastruktur befördern. Denn das bromierte Flammschutzmittel wird nicht nur für Dämmmaterialien, sondern auch in Elektro- und Haushaltsgeräten eingesetzt und ist in einer nicht unerheblichen Menge in Altgeräten zu finden. Wenn die Politik das Signal gibt, dass wegen kurzfristiger Entsorgungsengpässe Umweltentscheidungen nach wenigen Monaten wieder zurückgenommen werden, ist das grob fahrlässig und lädt zu Nachahmungen ein. Das ist besorgniserregend, denn mit dem bromierten Flammhemmer DecaBDE liegt der nächste Giftstoff vor, der sogar in noch höheren Mengen produziert wird und bei dessen Verbrennung Dioxine und Furane freigesetzt werden. Auch hier bedarf es Lösungen zur Ausschleusung des Gifts aus den Kunststoffen und deren Wiederverwertung für neue Anwendungen.
Es braucht Recyclingquoten für Kunststoffe in der Gewerbeabfallverordnung
Erfolgt jetzt kein Umdenken in Form von spezifischen Recyclingquoten in der Gewerbeabfallverordnung dürfen sich die Müllverbrenner auch in Zukunft die Hände reiben und Politik und Handwerk durch unzumutbare Preise in Geiselhaft nehmen. Auf einem Bein steht es sich bekanntlich schlecht, daher bedarf es dringend Recyclinganlagen, die mit den Müllverbrennern konkurrieren können. Weil nach bisheriger Regelung, HBCD-haltige Dämmstoffabfälle dokumentiert und getrennt erfasst werden mussten, stellt diese Müllfraktion einen guten sortenreinen Abfallstrom für die werkstoffliche Verwertung dar. Mit einer Abnahme der Entsorgungsmengen in naher Zukunft ist nicht zu rechnen.
Klar ist, dass die giftigen Zusätze durch den Recyclingprozess nicht verteilt werden dürfen, sondern währenddessen ausgeschleust werden müssen. Das gilt für jegliche Additive bei Kunststoffen und zeigt den Imperativ für die Branche: Entwerft Kunststoffe, die wiederverwertbar sind oder lasst es!
Produktverantwortung für Umweltgifte muss strikter gehandhabt werden
Um in Zukunft nicht wieder in die gleiche Falle zu tappen, muss die Politik viel stärker präventiv vorgehen. Produzenten POP-haltiger Produkte müssen für die Umweltschäden bei der späteren Entsorgung ihrer Erzeugnisse stärker zur Kasse gebeten werden, weil sonst die Allgemeinheit die Kosten übernimmt. Hersteller von Produkten, die Umweltgifte wie HBCD, DecaBDE oder TBBPA enthalten müssen in Zukunft verpflichtet werden, sich in hohem Maße inhaltlich und finanziell an der Erforschung von Entsorgungslösungen jenseits der bloßen Verbrennung zu beteiligen. Es bedarf einer sehr restriktiven Handhabe bei der Zulassung POP-haltiger Produkte. Hochwertige Entsorgungslösungen, die den Ressourcenschutz als Leitlinie haben, müssen von den Herstellern von vorneherein nachgewiesen werden. Schließlich bedarf es generell negativer Anreize für die Verbrennung der in den Kunststoffen enthaltenen fossilen Rohstoffe, wie etwa Steuern. Denn zulange wurde es hingenommen, dass sich durch das billige Verbrennen keine umweltfreundlichen Recyclingstrukturen auf dem Markt durchsetzen konnten.
Folgen wir diesen Ansätzen, wird es uns gelingen, die bestehende Abfallhierarchie endlich mit Leben zu erfüllen. Dafür muss aber jetzt gehandelt werden. Das Aussitzen des Moratoriums ohne Handlungsalternativen zu präsentieren wäre der schlechteste Weg.
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