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Wildvögel oder Geflügelhandel: Wie verbreitet sich die Vogelgrippe?
28. Dezember 2016 – Wie konnte sich die hochansteckende Variante des H5N8-Virus (H5N8 HPAI) in kurzer Zeit von Korea bis nach Europa und Nordafrika verbreiten? Unter Verdacht stehen einerseits Zugvögel, anderseits die weltumspannenden Handelsbeziehungen der Geflügelindustrie mit dem Transport von Eiern, Küken, lebendem Geflügel und Geflügelprodukten. Überzeugende Beweise für Zugvögel als „Schuldige” fehlen weiterhin, betont die den Vereinten Nationen zuarbeitende Wissenschaftliche Arbeitsgruppe Vogelgrippe und Wildvögel (Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds) in einer jetzt veröffentlichten Stellungnahme. „Es sind weder Mechanismen noch Arten bekannt, die es ermöglichen würden, H5N8 HPAI über lange Vogelzugstrecken zu transportieren, ohne gleichzeitig zum Tod der Virenträger zu führen.” Dagegen bleibe „das Risiko der Virus-Weitergabe durch Geflügelproduktion und -Handel hoch”.
Die Task Force warnt davor, die Aufmerksamkeit einseitig auf Wildvögel zu richten und andere Übertragungswege zu vernachlässigen. Schlimmstenfalls würden damit begrenzte Ressourcen fehlgeleitet, was am Ende zu mangelhafter Kontrolle des Krankheitsgeschehens und anhaltender Verbreitung des Virus in Geflügelhaltungen führe. Als Vogelgrippe-Bekämpfungsmaßnahmen völlig ungeeignet wären Eingriffe in die Wildvogelpopulationen oder die Trockenlegung von Feuchtgebieten – beides steht aber zumindest innerhalb der EU ohnehin nicht zur Diskussion.
Kurze Vogelgrippe-Chronik
Das hochansteckende H5N8-Virus wurde erstmals 2010 in Hausgeflügel in China nachgewiesen. Vier Jahre später kam es in Südkorea zu zahlreichen Ausbrüchen des Virus, bei Hausgeflügel (Enten, Gänse und Hühner) ebenso wie bei Wildvögeln. Ebenfalls noch 2014 folgten Ausbrüche bei Wildvögeln und Geflügel in Japan, China, Polen, Deutschland, den Niederlanden und den USA. In Großbritannien, Italien und Ungarn wurde H5N8 ausschließlich in Geflügelhaltungen nachgewiesen, nicht aber bei Wildvögeln.
Wie 2014 begann auch der Ausbruch 2016 im März mit Nachweisen in Südkorea. Ende Mai und im Juni wurde dann bei fünf verschiedenen Wildvogelarten H5N8 HPAI in der russischen Teilrepublik Tyva nachgewiesen. Vier Monate später erfolgte ein Ausbruch in Indien bei Geflügel, Wildvögeln und Zootieren. Am 26. Oktober wurde schließlich aus Ungarn der erste H5N8-Fall 2016 in Europa gemeldet. Seitdem ist das Virus bei Wildvögeln auch – in der Reihenfolge des Auftretens – in Kroatien, Polen, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Schweden, Finnland, Rumänien, der Ukraine, Serbien, Bulgarien und Griechenland nachgewiesen worden. Außerdem gab es Fälle in Israel, Ägypten und Tunesien. In Geflügelfarmen (Hühner, Enten, Truthühner) und Zoos brach H5N8 in Ungarn, Österreich, Deutschland, Polen, Dänemark, Schweden, den Niederlanden, Finnland, Serbien, Frankreich, Großbritannien, Bulgarien, Russland, Indien, dem Iran, Israel und Nigeria aus. In Frankreich waren außerdem Lockvögel für die Entenjagd infiziert. In Deutschland werden inzwischen bis auf das Saarland aus sämtlichen Bundesländern Vogelgrippefälle gemeldet.
Betroffen sind bisher mehr als 30 Wildvogelarten, vor allem Wasservögel sowie Fisch- und Aasfresser. An der Spitze, auch in Deutschland, steht die Reiherente, gefolgt von Tafelenten, Blesshühnern, Schwänen sowie Lach- und anderen Möwen. Auch tote Haubentaucher, Flussseeschwalben, Meeresenten, Wildgänse, Kormorane, Graureiher, Störche, Pelikane und Krähen wurden gefunden. Dazu kommen vereinzelt Mäusebussarde, Seeadler und Eulen.
Dass Wildvögel und Nutzgeflügel sich gegenseitig mit Vogelgrippeviren anstecken können, ist unbestritten. Auch ist bekannt, dass in Wildvogelpopulationen gering ansteckende Varianten von Vogelgrippeviren verbreitet sind. Wo und wie das hochansteckende H5N8-Virus seit dem letzten Ausbruch vor zwei Jahren überdauert hat, ist nicht abschließend geklärt. Die Ergebnisse der Feldstudien seit 2014 sowie der virologischen und serologischen Untersuchungen machen es laut Task Force unwahrscheinlich, dass Wildvögel ein H5N8-HPAI-Reservoir bilden. Die Vogelgrippeviren unterliegen einem ständigen Wandel. Zwar wurden in Europa 2016 mehr tote Wildvögel gemeldet als 2014/15. Da systematische Untersuchungen zur Sterblichkeit infizierter Vögel bisher fehlen, gibt es nach Ansicht der Task Force aber keine Beweise, dass das Virus gefährlicher geworden ist.
Die Wissenschaftliche Arbeitsgruppe zu Vogelgrippe und Wildvögeln (Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds) wurde bereits 2005 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), der Konvention zu wildlebenden wandernden Tierarten (CMS) und der Welt-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) ins Leben gerufen. Sie dient der Vernetzung und dem Wissensaustausch. Zu den Mitgliedern gehören auch das Afrikanisch-Eurasische Wasservogelabkommen (AEWA) und die Ramsar-Konvention zum Schutz der Feuchtgebiete, das Royal Veterinary College sowie Umweltverbände wie der Wildfowl & Wetlands Trust, Wetlands International und der NABU-Dachverband BirdLife International.
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