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Jetzt NABU-Mitglied werden!Abfall-Bilanz 2016: Ein Jahr verpasster Chancen
Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander
2016 ist aus abfallpolitischer Sicht vor allem ein Jahr verpasster Chancen. Bei vielen Gesetzesinitiativen klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Der hohe Anspruch der politischen Programme und Strategien ist begrüßenswert: Wer Ressourcen schonen oder effizient behandeln (ProgRess II), die nachhaltige Entwicklung vorantreiben (Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie), nachhaltigen Konsum fördern (Nationales Programm für nachhaltigen Konsum) und Abfälle vermeiden (Abfallvermeidungsprogramm des Bundes und der Länder) will, muss in der Abfall- und produzierenden Wirtschaft Kreisläufe schließen und hochwertig verwerten. Die Bundesregierung setzt aber keine klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, die uns aus der linearen Wirtschaft herausführen könnten.
Mit dem Wertstoffgesetz, der Gewerbeabfallverordnung und der Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes standen wichtige Entscheidungen an, die eine Ressourcenwende hätten einleiten können. Doch wer die vorgestellten Rechtsentwürfe liest, stellt fest: Die Vermeidung von Abfällen und die Vorbereitung zur Wiederverwendung sind Fremdworte für die Regierung; moderate inputbasierte Recyclingquoten und die thermische Verwertung zählen weiterhin zu den Geboten der Stunde.
Produkt- und Abfallrecht werden immer noch nicht verzahnt, die Produktverantwortung ist weder ökologisch noch wird sie auf die komplette Wertschöpfungskette erweitert. Mehr als eine Studie des Umweltbundesamts weist auf die Rohstoffpotenziale im deutschen Müll hin. Diesen Schatz gilt es durch das Abfallrecht zu heben, eben nicht durch ein weiter so, sondern durch einen Neubeginn. Die Realität sieht anders aus:
Vom Wertstoffgesetz zum Verpackungsgesetz
Exemplarisch für eine verfehlte Abfallpolitik steht das Ringen um ein deutsches Wertstoffgesetz. Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag auf eine einheitliche Wertstoffsammlung verständigt. Die getrennte Sammlung von Verpackungsmüll und so genannten stoffgleichen Nichtverpackungen aus Kunststoffen oder Metallen sollte beendet werden. Geht es nach den aktuellen Plänen werden die Bürgerinnen und Bürger weiterhin Joghurtbecher und Plastikspielzeug in verschiedene Tonnen werfen müssen. Damit werden auch in Zukunft rund 450.000 Tonnen Wertstoffe im Restmüll und damit in der Verbrennung statt im Recycling verschwinden. Das schafft weder Verständnis und Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern, noch wird es ökologischen Ansprüchen gerecht, nachhaltiger mit dem Problemstoff Plastik umzugehen.
Politisch zermalmt wurden im Zuge der siebenjährigen Debatte zum Wertstoffgesetz drei wichtige ökologische Ziele. Eine Mindesterfassungsmenge (ursprünglich: 25 KG pro Einwohner in jedem Bundesland) wurde gestrichen. Diese hätte gerade in Regionen mit schlechten Sammelerfolgen Anreize schaffen können, Sekundärrohstoffe zu erzeugen. Anspruchsvolle Recyclingziele für die erfassten Wertstoffe wären dann wirkungsvoller. Zwar begrüßt der NABU höhere Recyclingquoten im Gesetz, allerdings sind diese über die letzten Monate so lange aufgeweicht worden, dass sie kaum noch wirklichen Innovationsdruck ausüben werden. Um ein stärkeres Umdenken auch der Hersteller hin zu einem recyclingfreundlichen Produktionsprozess zu gewährleisten, waren ursprünglich höhere Quoten vorgeschlagen, die dynamisch gestaltet werden sollten. Sie sind alle auf der Strecke geblieben, zum Nachteil der Umwelt.
Was der aktuelle Gesetzesentwurf nahezu gänzlich ausspart, sind wirtschaftliche Anreize für eine bessere Recyclingqualität und den Einsatz von Rezyklaten.< Der aktuelle Plan der Bundesregierung die Dualen Systeme darum wetteifern zu lassen, wer seine Lizenzentgelte möglichst ökologisch gestaltet, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn jedes einzelne System nicht-standardisierte Kriterien anlegen darf, die entsprechend schlecht kontrolliert werden können, bringt das dem Gesamtsystem nichts. Es bedarf hier einer finanziellen Steuerung jenseits des wettbewerblichen Lizenzentgeltsystems. Ein Bonus-Malus-Mechanismus, in den alle Inverkehrbringer von Verpackungen einzahlen müssen und von dem die Produzenten von „guten“ Verpackungen inklusive Rezyklateinsatz profitieren wäre die bessere Alternative. Detailfragen zu diesem Mechanismus müssen jetzt geklärt werden und nicht erst Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes. Der Entwurf sieht vor, dass der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen sich positiv in den Entgelten niederschlagen sollte. Dieser Einsatz ist aber nicht immer ökologisch sinnvoll und darf nicht pauschal als positiv bewertet werden. Im schlimmsten Fall wird der Anbau von wasser- und chemikalienintensiven Monokulturen gefördert.
Schließlich kritisiert der NABU die Pläne zur Schaffung einer Zentralen Stelle in Einzelhandels- und Herstellerhand. Die Kontrolle der Lizenzierungs-, Sammlungs- und Verwertungsmengen von Wertstoffen sollte nicht bei Herstellern und Handel liegen. Deren Interesse liegt nicht vorrangig in der Vermeidung von Abfällen geschweige denn in besseren Verwertungssystemen, sondern allein in der Schließung von Schlupflöchern beim Finanzierungssystem der erweiterten Produzentenverantwortung. Die Zentrale Stelle sollte daher an eine staatliche Behörde angedockt werden, die unabhängig kontrolliert und vor allen Dingen transparente und nachvollziehbare Daten der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.
Konkrete Maßnahmen zur Abfallvermeidung fehlen im Gesetzesentwurf. Im Gegenteil: Das bisherige Ziel für Mehrweg- und ökologische Einweggetränkeverpackungen von 80 Prozent fällt ersatzlos weg. Politische Instrumente, wie eine Getränkeverpackungssteuer sind in der politischen Diskussion offenbar unerwünscht, unabhängig davon, dass dadurch über eine Millionen Tonnen Klimagasemissionen jährlich eingespart werden könnten. Die vorgesehene Kennzeichnung von Mehrweg oder Einweg am Einkaufsregal reicht nicht aus, um Discounter zu Listung von Mehrwegflaschen zu bewegen.
Das geplante Verpackungsgesetz versagt bei Abfallvermeidung, bürgerfreundlicher Wertstoffsammlung und bei Anreizen für eine hochwertige und umfassende Kreislaufwirtschaft. Es lässt eine halbe Millionen Wertstoffe komplett aus der gesetzlichen Regelung. Der NABU spricht sich daher gegen die Verabschiedung des Gesetzes aus, gerade weil in den Folgejahren sicher kein Wertstoffgesetz erneut auf den Weg gebracht wird. Hohe Recyclingquoten könnten, wie schon 2014 zuletzt versäumt und von Umweltverbänden gefordert, nun in einer Novelle der VerpackV umgesetzt werden. Alle übrigen beschriebenen Maßnahmen dürfen nicht vergessen und müssen in einem wirklichen Wertstoffgesetz zusammengefasst werden.
Gewerbeabfallverordnung mit mehr Ausnahmen als Regeln
Mengenmäßig von noch größerer Bedeutung ist die Gewerbeabfallverordnung, deren Kabinettsentwurf Ende des Jahres veröffentlicht wurde. Auch hier findet die europäische Abfallhierarchie (Vermeidung vor Wiederverwendung vor Recycling vor Verbrennung vor Beseitigung) keine konkrete Umsetzung. Das Umweltbundesamt ermittelte, dass durch gute rechtliche Rahmenbedingungen 2,4 Millionen Tonnen gewerbliche Abfälle zusätzlich der stofflichen Verwertung zugeführt werden können. Doch der aktuelle Entwurf der Gewerbeabfallverordnung zeigt, dass die Bundesregierung nicht plant, ihre selbst gesteckten Ziele des Ressourcenschutzes ernst zu nehmen. Sie wären technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar, was die Finanzierungsmechanismen bei der Entsorgung von Privathaushalten zeigen.
Abfallvermeidung und Wiederverwendung sind auch bei dieser Verordnung Fehlanzeige. Besonders schwach: Wo Privathaushalte ihren Müll zwingend getrennt sammeln müssen, gibt es für Unternehmen zahlreiche, aber nicht nachvollziehbare Ausnahmeregelungen. Den Nachweis für diese Ausnahmen müssen Gewerbetreibende erst auf Anfrage der Behörden vorlegen.
Nehmen wir die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ernst, dann muss die Gewerbeabfallverordnung folgende Punkte umsetzen:
- Klare Zielvorgaben für die Vermeidung von Gewerbeabfällen
- Streichung der Ausnahmeregelungen wie technische Machbarkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit mindestens für diejenigen Abfallströme, die auch in privaten Haushalten getrennt werden
- Einführung einer gemeinsamen dynamischen Recyclingquote für getrennt erfasste und gemischte Gewerbeabfälle
- Gewerbetreibende müssen unaufgefordert klar definierte strenge Nachweise liefern, wenn sie von der Getrenntsammlungspflicht befreit werden wollen
Es liegt nun in der Hand der Mitglieder des Bundestags, entsprechende Änderungen für eine bessere Kreislaufführung sowohl von Gewerbe- als auch von Bau- und Abbruchabfällen in den Gesetzesentwurf einzubringen.
Elektroaltgeräte: Handelsrücknahme weist Mängel auf
Die Novelle des ElektroG wurde zwar erst 2015 verabschiedet, doch bereits in 2016 offenbaren sich viele offene Baustellen. Wie erwartet ist die Rücknahme durch den Handel das größte Sorgenkind. Durch komplizierte Vorgaben (nur Altgeräte einer bestimmten Größe können ohne Neukauf kostenlos abgegeben werden und dies nur bei den größten Händlern) sieht es nicht so aus als würden die Sammelquoten fristgerecht erfüllt werden(ab 2019 müssen 65 Prozent gesammelt werden, derzeit liegt Deutschland bei knapp 50 Prozent). Obwohl stationäre und Online-Händler seit Ende Juli 2016 Altgeräte zurücknehmen müssen, drückt sich der Handel großteils vor seiner Verantwortung. Entweder sind Informationen zur Rücknahme für die Kunden nur schwer zu finden oder die Rücknahme wird nur mit einem hohen Aufwand für die Verbraucher umgesetzt. Um den alltäglichen Vollzug zu gewährleisten, müssen die zuständigen Abfallbehörden ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen.
Der NABU fordert das ElektroG nochmals zu novellieren und dabei folgende Vorgaben zu machen:
- Händler, die sich der Rücknahme von Altgeräten verweigern oder diese unnötig erschweren, müssen mit Sanktionen und Bußgeldern belegt werden
- Händler haben eine klar definierte Pflicht, ihre Kunden transparent und auffällig über die Rücknahmemöglichkeiten zu informieren
- Altgeräte müssen unabhängig von ihrer Größe bei den Großhändlern kostenlos zurückgegeben werden können
- Auch der Lebensmittelhandel, der Elektrogeräte veräußert, muss zur Rücknahme von Altgeräten verpflichtet werden
Heizwertklausel und Sperrmüllverordnung
Der NABU begrüßt, dass die Heizwertklausel endlich aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gestrichen werden soll. Gemeinsam mit anderen Umweltverbänden hatte der NABU bereits 2012 eine offizielle Beschwerde gegen Deutschland in Brüssel eingereicht. Die Klausel stellte die energetische und stoffliche Verwertung von Abfällen gleich, sofern der Heizwert des Abfalls mindestens 11.000 Kilojoule je Kilogramm betrug. Dies sorgte in der Folge dafür, dass hunderttausende Tonnen Wertstoffe in den Müllofen landeten anstatt ressourcenschonend recycelt zu werden.
Es ist bedauerlich, dass sich die deutsche Politik auch hier so schwer tut, die Abfallhierarchie konsequent umzusetzen. Aus Umweltverbandssicht reicht es nicht, nur die Klausel zu streichen. Ohne konkrete Vorgaben ist zu befürchten, dass die Abfallfraktion Sperrmüll weiterhin mehrheitlich den Weg in die Verbrennung findet. Der NABU fordert daher eine Verordnung, für die 2,5 Millionen Jahrestonnen Sperrmüll. Diese soll klare Behandlungsvorgaben vor allem für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und eine bürgerfreundliche Sammelstruktur machen. Gleichzeitig soll sie Recyclingquoten für die Wertstoffe im Müll vorgeben und die Verbrennung unbehandelten Sperrmülls verbieten.
Bei Bioabfall muss geltendes Recht endlich vollzogen werden
Seit dem 1. Januar 2015 ist im Kreislaufwirtschaftsgesetz die Getrenntsammlung von Bioabfällen vorgeschrieben. Jedoch weigert sich Ende 2016 noch mehr als jeder zehnte Landkreis dieses Gesetz in die Praxis umzusetzen. Die meisten Kommunen rechtfertigen ihre ablehnende Haltung mit zu hohen Kosten oder einem hohen Grad an Eigenkompostierern. Diese Argumente lässt das Gesetz aber nur in ganz wenigen Ausnahmefällen gelten. Die erwartbaren höheren Sammelmengen, die der Vergärung oder der Kompostierung zugeführt werden, rechtfertigen einen höheren logistischen Aufwand und auch in ländlichen Regionen mit großen Gärten finden sich im Restmüll nach wie vor ein sehr hoher Anteil an Speiseresten und Bioabfällen.
So wäre das Sammelpotenzial von Bioabfällen sehr hoch. Studien zeigen, dass rund neun Millionen Tonnen Bioabfall erfasst und als Gas oder Kompost verwertet werden könnten. Aktuell nähern sich die Städte und Landkreise aber erst der Marke von fünf Millionen Tonnen. Das liegt auch daran, dass die zuständigen übergeordneten Behörden den praktischen Vollzug nicht einfordern. Nur wenige Landesumweltminister und Regierungsbezirke scheinen sich mit Landräten und Bürgermeistern anlegen zu wollen, wenn es um den Anschluss der Haushalte an eine Biotonnensammlung geht. Umweltpolitisch ist dies ein Armutszeugnis und es bedarf es einer dringenden Kehrtwende in den Ländern, damit geltendes Recht endlich vollzogen wird.
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