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Millionenfacher Haustierhandel gefährdet das Überleben seltener Reptilien
13. Juli 2016 – Sie gehören zu den seltensten Reptilien der Welt. Nicht einmal 250 erwachsene Schnabelbrust-Schildkröten sollen neusten Erhebungen zufolge noch durch die Trockenwälder im Nordwesten Madagaskars krabbeln. Damit steht die Art mit dem wissenschaftlichen Namen Astrochelys yniphora kurz vor dem Aussterben. Zwar hatte die Regierung des Inselstaates 1997 eigens den Baly Bay Nationalpark ausgewiesen, um die verbliebenen Tiere zu schützen. Und der internationale Handel mit dieser Art ist komplett verboten. Doch das scheint Tierfänger und Schmuggler nicht abzuschrecken. Die Nachfrage von Reptilien-Fans aus Asien, Europa und den USA droht die Schutzbemühungen der letzten 30 Jahre wieder zunichte zu machen.
Die Schnabelbrust-Schildkröte ist kein Einzelfall. Ein internationales Experten-Team um Mark Auliya vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hat die Folgen solcher Geschäfte dokumentiert. Die große Nachfrage gefährdet das Überleben etlicher Arten in aller Welt, warnen die Forscher im Fachjournal Biological Conservation.
Gefragt sind immer die Raritäten
Neben geschützten Arten geraten oft auch wissenschaftliche Neuentdeckungen ins Visier. Oder sogenannte Endemiten, die weltweit nur in einem sehr kleinen Verbreitungsgebiet vorkommen. Kein Wunder also, dass der erst seit 2010 bekannte Gecko Cnemaspis psychedelica in kürzester Zeit populär geworden ist. Schließlich schmückt sich dieses kleine Reptil nicht nur mit Farben wie aus einem Drogenrausch, sondern lebt auch nur auf der gerade einmal acht Quadratkilometer großen Insel Hon Khoai in Vietnam. Seit 2013 wird es in Europa regelmäßig zum Verkauf angeboten – für 2500 bis 3000 Euro pro Paar.
Regionen, in denen viele solcher einzigartigen Reptilien leben, stehen besonders stark im Fokus der Schmuggler. Dazu gehören zum Beispiel Mexiko, Sri Lanka oder Madagaskar. In vielen Ländern machen Armut, schlechte Ausstattung der Behörden und mangelnde Kontrollen die illegalen Geschäfte besonders leicht. Doch selbst in Australien oder Neuseeland, die strenge Schutzgesetze und eine gut funktionierende Strafverfolgung haben, bleibt die einmalige Fauna nicht verschont.
Gerade für Arten mit kleinen Beständen und eng begrenzten Verbreitungsgebieten kann der Reptilienschmuggel der Studie zufolge dramatische Folgen haben. Doch auch größere Populationen verkraften oft keine zu intensive Nutzung. So werden Schildkröten und große Echsen sehr alt und vermehren sich nur langsam. Massenhafte Verluste durch Tierfänger können ihre Bestände daher schlecht kompensieren.
Für ihre Studie haben Wissenschaftler, Naturschützer und Zollbeamte aus 22 Ländern zahlreiche weitere Beispiele von Arten zusammengetragen, für die der Haustiermarkt zu einem ernsthaften Problem geworden ist. Dabei soll das Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES einen solchen Ausverkauf der Natur eigentlich verhindern. Dieses Abkommen, das inzwischen 182 Staaten einschließlich der EU unterzeichnet haben, reguliert den internationalen Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen. In seinem Anhang I sind besonders stark gefährdete Arten aufgelistet, die gar nicht mehr zu kommerziellen Zwecken ein- und ausgeführt werden dürfen. Der Anhang II enthält zahlreiche weitere Spezies, für deren Handel man eine spezielle Genehmigung braucht.
Mehr als 90 Prozent der Reptilienarten werden von CITES allerdings gar nicht erfasst. Weltweit haben Biologen bisher mehr als 10.000 Vertreter dieser Tiergruppe beschrieben. Gerade einmal 793 davon fallen derzeit unter die Handelsbeschränkungen. Viele andere bedrohte Reptilien, die auf der weltweiten Roten Liste stehen, haben es bisher dagegen nicht auf die CITES-Anhänge geschafft. Gerade solche Arten aber sind unter Sammlern besonders gefragt. Denn obwohl sie Seltenheitswert haben, kann man sie trotzdem legal und ohne größeren bürokratischen Aufwand erwerben.
Auch wenn eine Art unter dem Schutz des Abkommens steht, ist sie damit allerdings nicht unbedingt in Sicherheit. Immerhin gilt der illegale Handel mit Wildtieren mittlerweile als ähnlich lukratives Verbrechen wie Drogen-, Waffen- und Menschenhandel. Entsprechend groß ist der Anreiz, die Schutzbestimmungen zu umgehen. Eine Möglichkeit sind zum Beispiel gefälschte Papiere. Da verwandelt sich dann eine CITES-Art im Handumdrehen in einen ungeschützten Verwandten. Oder ein in freier Natur gefangenes Tier in eine angebliche Nachzucht aus Gefangenschaft. Mit diesem Trick gelangen zum Beispiel viele Warane aus Indonesien oder Chamäleons aus Madagaskar auf den Markt.
Was also tun, um den Ausverkauf der Reptilien zu verhindern? Mark Auliya plädiert zum einen für striktere Auflagen, die alle CITES-Mitgliedsstaaten zu einem besseren Schutz ihrer eigenen Vorkommen verpflichten. „Zum anderen müssen aber auch wichtige Importeure wie die EU Verantwortung übernehmen“, betont Auliya. Handlungsbedarf sieht er zum Beispiel bei Arten wie dem sehr begehrten Borneo-Taubwaran (Lanthanotus borneensis), für den europäische Reptilienfans derzeit rund 3000 Euro pro Paar auf den Tisch legen. In ihrer Heimat ist die Art zwar geschützt, sie steht bisher aber nicht auf den CITES-Anhängen. Das bedeutet, dass Schmuggler solche Tiere nur einmal aus Borneo herausschaffen müssen. Dann können sie diese ganz offen auf dem europäischen Markt anbieten. In den USA dagegen ist der Handel auch mit Arten verboten, die nicht in den Anhängen von CITES stehen, aber in ihrem Heimatland geschützt sind. „Die EU diskutiert derzeit über die Einführung einer ähnlichen Regelung“, sagt Mark Auliya. „Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.“
Fachpublikation: Mark Auliya et al. (2016): Trade in live reptiles, its impact on wild populations, and the role of the European market. – Biological Conservation.
Textgrundlage: Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) vom 12. Juli 2016.
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