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Jetzt NABU-Mitglied werden!Windenergie-Lobby leugnet Artenschutzproblematik
Offenkundige Parallele zu Klimawandelskeptikern
08. Juni 2016 - Anlässlich einer am morgigen Donnerstag angekündigten kritischen Stellungnahme des ehemaligen MdB Hans-Josef Fell und des Schweizer Ingenieurbüros KohleNusbaumer zu einer bisher unveröffentlichten vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Studie zu den Auswirkungen von Windrad-Kollisionen auf die Bestände von Vögeln kritisiert der NABU diesen erneuten Versuch von Teilen der Windenergie-Branche scharf, mit unhaltbaren Aussagen wissenschaftliche Erkenntnisse zur Problematik des Artenschutzes beim Ausbau der Windenergie zu diskreditieren.
„Inzwischen erinnert der missionarische Eifer lautstarker Teile der Windenergiebranche beim Thema Artenschutz und Windenergie an das Vorgehen der Klimaskeptiker, die durch wiederholtes Infragestellen wissenschaftlicher Erkenntnisse versuchen, Zweifel an der Existenz des Klimawandels zu streuen, um dadurch den Ausbau erneuerbarer Energien zu verhindern. Stattdessen wäre es dringend notwendig, dass sich die Branche der Problematik stellt und gemeinsam mit Behörden, Experten und Umweltverbänden praktische Lösungen entwickelt und umsetzt,“ sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
12.000 getötete Mäusebussarde im Jahr
Der Stein des Anstoßes ist in diesem Fall die unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung der bisher umfassendsten und repräsentativsten Studie zur tatsächlichen Zahl von Vogelkollisionen an Windrädern und die daraus abzuleitenden Auswirkungen auf die Populationen besonders betroffener Vogelarten, der sogenannten Progress-Studie, die von einem Konsortium unabhängiger Fachbüros und Universitäten durchgeführt und vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wurde. Während die bereits im Januar von der Süddeutschen Zeitung in Teilen vorgestellte Studie bestätigt, dass die Schlagopferzahlen für die meisten Vogelarten nicht bestandsrelevant sind, zeigt sie gleichzeitig, dass einige Vogelarten so stark betroffen sind, dass von einer Gefährdung der heimischen Populationen durch die Windkraft ausgegangen werden muss.
Insbesondere für den deutschlandweit verbreiteten Mäusebussard belegt die Studie für den norddeutschen Raum eine Rate von 0,48 erschlagenen Mäusebussarden pro Windrad und Jahr. Deutschlandweit muss daher bei gut 26.000 bestehenden Windrädern von über 12.000 getöteten Mäusebussarden pro Jahr ausgegangen werden – bei einem Bestand von etwa 100.000 Brutpaaren. Populationsberechnungen Im Rahmen der Studie zeigen, dass in Regionen mit fortgeschrittenem Ausbaustand der Windenergie bereits heute Populationsabnahmen mit dieser Sterblichkeit erklärt werden können. Die aktuelle starke Bestandsabnahme im besonders windkraftreichen Schleswig-Holstein bestätigt diese Erkenntnis bereits heute.
Deswegen beim weiteren Ausbau der Windenergie Rücksicht auf den Mäusebussard oder andere betroffene Arten wie den Rotmilan zu nehmen, kommt dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Hans-Josef Fell und dem schweizer Windkraftentwickler und Umweltplaner Oliver Kohle nicht in den Sinn. Stattdessen wurde für morgen eine „Studie“ angekündigt, die die Aussagen der Progress-Studie in Frage stellen soll, obwohl Herrn Kohle diese unveröffentlichte Studie noch gar nicht vorliegen kann. Unter anderem behaupten Fell und Kohle, dass der Bestand des Mäusebussards parallel zum Bau von Deutschlands 26.000 Windrädern angestiegen sei. Das Gegenteil ist der Fall: Nach den offiziellen Monitoringdaten, die in Deutschland vom Programm zum Monitoring von Greifvögeln und Eulen erhoben werden, nahm der bundesweite Mäusebussard-Bestand zwar von 1988 bis 2006 leicht zu, anschließend bis zum Ende der Datenreihe im Jahr 2013, also parallel zum Ausbau der Windkraft, jedoch um mindestens 30 Prozent ab. Dabei ist davon auszugehen, dass in diesen Zahlen stärkere Abnahmen in windradreichen Gegenden Norddeutschlands durch bessere Trends im windkraftarmen Süden zum Teil ausgeglichen werden.
Das Ergebnis der Progress-Studie ist der erste Hinweis darauf, dass allein das Einhalten von Mindestabständen zwischen gefährdeten Vogelvorkommen und Windrädern, wie sie im sogenannten Helgoländer Papier der staatlichen Vogelschutzwarten formuliert sind, nicht ausreicht, um alle Vogelarten ausreichend zu schützen. Für den Mäusebussard wird darin bisher kein Mindestabstand gefordert. Nach Ansicht des NABU gerät die Vermeidung negativer Auswirkungen durch eine vorsorgende Wahl von Windrad-Standorten unter Verwendung von Mindestabständen aufgrund des fast flächendeckenden Vorkommens des Mäusebussards in diesem Fall an ihre Grenzen.
Ausbau der Windkraft muss naturverträglich erfolgen
Der NABU fordert daher in diesem und ähnlichen Fällen, den weiteren Ausbau der Windenergie an die Populationsentwicklung der betreffenden Art zu koppeln und dadurch geltendem Artenschutzrecht zu entsprechen. Nur wenn die Population der Art in einem bestimmten Bundesland nicht weiter abnimmt, dürften neue Genehmigungen für WEA im Vorkommensgebiet der Art erteilt werden. Dann wäre ein weiterer Ausbau der Windenergie im betreffenden Bundesland weiterhin möglich, solange Maßnahmen getroffen würden, um die regionalen Bestände der Art zu stützen.
Diese sollten sowohl eine Minderung der Auswirkungen der Windenergieanlagen beinhalten (Rückbau besonders kollisionsträchtiger Windräder, großflächiges Freihalten besonders wichtiger Vorkommensgebiete und notfalls auch Mindestabstände) als auch Maßnahmen zur Verringerung der Mortalität durch andere Ursachen (illegale Verfolgung, Straßenverkehr, Stromschlag) und Maßnahmen zur Erhöhung des Bruterfolges (Lebensraumverbesserungen unter anderem durch landwirtschaftliche Regelungen gezielte Agrarumweltmaßnahmen oder spezielle Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen). Ein gezieltes Monitoring der betreffenden Population muss die Wirksamkeit der Maßnahmen belegen, wovon die Genehmigungsfähigkeit neuer WEA abhängt. Mit dieser Vorgehensweise wäre es möglich, den notwendigen weiteren Ausbau der Windenergie im Sinne einer naturverträglichen Energiewende mit dem Schutz gefährdeter Arten zu verbinden.
„Wir erwarten von der Windkraftbranche eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema, die über das generelle Infragestellen der Problematik hinausgeht“, betonte Miller.
Downloads
Aktualisierung: Die Progress-Studie wurde am 29.6.2016 veröffentlicht. Den Abschlussbericht können Sie hier als PDF herunterladen.
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