In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Mit Auen- und Grünlandschutz gegen Unwetterfolgen
Umdenken in der Landwirtschaft und Neuausrichtung der Gewässerpolitik notwendig
08. Juni 2016 – „Extreme Wetterereignisse wie derartige Starkregen werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten vielerorts zunehmen, das zeigen die Klimaprognosen. Es kommt nun darauf an, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Verhindern lassen sich diese Ereignisse nie völlig, wir können aber alles daran setzen, die Auswirkungen zu mildern“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Menschliches Handeln habe an vielen Stellen dafür gesorgt, dass Niederschläge weniger in der Fläche zurück gehalten werden und schneller in die Bachläufe gelangen. Dies geschieht beispielsweise durch die Intensivierung der Landwirtschaft, die technische Entwässerung und die Versiegelung des Bodens für Siedlungs- und Verkehrszwecke.
Hintergrund zu den aktuellen Überschwemmungen
Besonders betroffen waren Mittelgebirgsregionen. Bei solchen starken Unwettern wird in der Regel immer der gesamte Talboden geflutet. Wegen der Besiedelung der Flächen ist in diesen Regionen der Platz beengt und der Fluss hat wenig Raum. Früher gab es dort mehr Moore, die Wasser aufgenommen und es über Wochen wieder abgegeben haben. Heute sind die Berglagen in aller Regel erschlossen und werden vielfach intensiv forstlich oder landwirtschaftlich genutzt. Nicht selten transportieren Drainagen und Gräben das Wasser auch noch beschleunigt in das Tal.
Insgesamt ist die Fähigkeit unserer Landschaft, Niederschlag zurückzuhalten, durch Nutzungen in den vergangenen Jahrhunderten stark reduziert. Für das schneller abfließende Niederschlagswasser fehlt in den besiedelten Auen der Abflussquerschnitt, also die Menge Wasser, die gespeichert werden kann, wenn man den Querschnitt senkrecht zur Fließrichtung bildet. Mit Rückhaltebecken wird aus NABU-Sicht daher nur wenig erreicht, da diese an jedem Taleingang errichtet werden müssten. Darüber hinaus fehlen für solche Becken der Platz und das Aufnahmevolumen.
Flüsse wurden begradigt, Auen bebaut und viele Flächen mit Beton und Asphalt versiegelt. In der Landwirtschaft bewirkt der Rückgang von Wiesen und Weiden einen Verlust von Rückhalteflächen. Anstatt langsam zu versickern, läuft das Regenwasser schnell in die Bäche und Flüsse ab und lässt diese rasant anschwellen. Der verstärkte Maisanbau könnte hier besonders lokal ein zusätzliches Problem darstellen, hier läuft das Wasser viel schneller ab als auf Wiesen und Weiden oder mit Getreide bestandenen Ackerflächen. „Auf mehr als 20 Prozent der Äcker steht mittlerweile Mais, in manchen Regionen ist der Anteil noch viel höher. Wenn dann noch Hanglagen hinzukommen, kann dies bei starken Niederschlägen zum Problem werden“, so Miller.
Ähnlich sieht es in Einzugsgebieten mit einem hohen Anteil versiegelter Flächen aus. Hier rächt es sich, dass in der Vergangenheit vielfach keine Rücksicht auf die lokalen Gegebenheiten genommen und in die natürlichen Überflutungsflächen hinein gebaut wurde. Wenn dann noch der Lauf begradigt und die Gewässerbetten künstlich eingeengt wurden, kann das katastrophale Ausmaße annehmen, wie viele Menschen gerade wieder leidvoll erfahren mussten.
Hier braucht es ein Umdenken auch auf kommunaler Ebene. Der Vorsorgegedanke muss gegenüber kurzfristigen Interessen viel stärker in der Bauplanung berücksichtigt werden, die dezentrale Versickerung von Regenwasser ist da nur ein erster, aber gleichwohl relativ leicht umzusetzender Anfang. Die Informationsgrundlagen sind dank der EU-Hochwassermanagementrichtlinie da, die Hochwassergefahrenkarten im Internet sind ganz einfach abrufbar. Jede Gemeinde sollte prüfen, wie verletzlich sie durch Starkregenereignisse oder andere Wetterextreme wie Stürme oder Hitzeperioden ist und daraus die richtigen Schlüsse für eine langfristige Anpassungsplanung ziehen.
Was ist zu tun?
Der NABU spricht sich für eine wesentliche Verbesserung natürlicher Rückhalteflächen in Bergregionen durch eine strikt nachhaltige Landnutzung aus. Dazu zählt vor allen Dingen die Erhöhung der natürlichen Speicherfunktion durch Moore, Humusbildung, naturnahe Wälder sowie die Beseitigung von Drainagen und Entwässerung außerhalb von Siedlungen. Neben dem meist bestehenden technischen Hochwasserschutz müssen vor allem Abflussmöglichkeiten durch eine umfassende Auenentwicklung geschaffen werden. Notwendig sind auch ein Bauverbot in Gefahrengebieten und die Anpassung der kommunalen Raumplanung an mögliche Gefahrensituationen durch Unwetter.
Der NABU fordert eine umweltverträglichere Gewässerpolitik und setzt sich für ein Bundesprogramm „Blaues Band“ ein. Ziel ist es, den ökologischen Zustand unserer Gewässer zu verbessern. Bislang weist nur jeder zehnte Fluss oder Bach in Deutschland einen „guten Zustand“ auf, wie ihn die EU fordert und wie er bis zu diesem Jahr eigentlich für alle Fließgewässer erreicht sein sollte.
Die NABU-Forderung nach einem Bundesprogramm zur ökologischen Entwicklung von Bundeswasserstraßen hat die Bundesregierung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Aktuell erarbeitet eine Gruppe aus Vertretern des Verkehrs- und Umweltministeriums, wie das Programm konkret aussehen soll. Dem Bund kommt dabei, nach Ansicht des NABU, besondere Verantwortung zu: Er ist Eigentümer aller als Bundeswasserstraßen eingestuften Flüsse in Deutschland. Um sie zu verbessern, könnte die laufende Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hilfreich sein. Neue Einstufungen der Flüsse anhand ihrer tatsächlichen Bedeutung für den Gütertransport und damit künftig besser am Bedarf ausgerichtete Maßnahmen können den Druck auf die Flüsse deutlich reduzieren.
- NABU-Leitbild „Lebendige Flüsse für Deutschland“ (PDF)
- NABU-Rechtsgutachten zur Umsetzung von Umweltzielen an Bundeswasserstraßen (PDF)
Verwandte Themen
Das Umwelt- und Verkehrsministerium erarbeiten gerade gemeinsam das – vom NABU lange geforderte – Bundesprogramm Blaues Band. Ein Gutachten zeigt nun, dass noch erhebliche rechtliche Hürden im Wege stehen, die es zu beseitigen gilt. Mehr →
Immer wieder kommt es in Deutschland zu schweren Hochwassern, die hohe Schäden verursachen. Warum das so ist und was das für Tiere und Lebensräume bedeutet, erklären unsere Expert*innen. Mehr →
Weite Teile Süddeutschlands stehen Anfang Juni unter Wasser, das Hochwasser kostet sogar Menschenleben. Dabei könnten wir die Katastrophe und ihre Folgen abmildern. Doch die Politik zögert bei effektivem Natur- und Klimaschutz.
Mehr →