Habichtfangkorb wird sichergestellt - Foto: Komitee gegen den Vogelmord
Greifvögel werden weiter illegal verfolgt
63 dokumentierte Fälle im Jahr 2015
11. Januar 2016 - Der NABU, sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und das Komitee gegen den Vogelmord ziehen nach einem Jahr Bilanz zur illegalen Verfolgung von Greifvögeln in Deutschland.
Die Verbände dokumentierten seit Oktober 2014 insgesamt 69 nachgewiesene Fälle illegaler Greifvogelverfolgung mit 85 toten Vögeln. 63 dieser Fälle mit 80 toten Vögeln bezogen sich auf das Jahr 2015. Der Fallenfang macht knapp die Hälfte der dokumentierten Straftaten aus, ein Drittel bezieht sich auf die Tötung durch ausgelegte Giftköder und ein Fünftel auf Abschuss. Unter den Opfern entfielen jedoch zwei Drittel auf Vergiftungen, da bei diesem Delikt häufig mehrere Vögel getötet werden, während bei der Entdeckung scharfgestellter verbotener Greifvogelfallen oftmals keine geschädigten Vögel festgestellt werden können.
Mit 42 bzw. elf Opfern waren Mäusebussard und Rotmilan am häufigsten betroffen. Auch der Vogel des Jahres, der Habicht, wurde neunmal als Opfer einer illegalen Tötung festgestellt.
Anlässlich der Wahl des Habichts zum Vogel des Jahres 2015, hatten die Verbände dazu aufgerufen, bundesweit Fälle von Abschuss, Fang oder Tötung geschützter Greifvögel zentral zu melden. Die illegale Verfolgung ist der Hauptgrund für die Stagnation der Wiederausbreitung des Habichts, der durch die noch bis Anfang der 1970er Jahre erlaubte Verfolgung sehr selten geworden war.
Nordrhein-Westfalen trauriger Spitzenreiter
Nach wie vor ist Nordrhein-Westfalen mit 17 Fällen im vergangenen Jahr traurige Hochburg der Greifvogelverfolgung, gefolgt von Baden-Württemberg mit 13 sowie Niedersachsen und Bayern mit je elf Fällen.
Während deutschlandweit kein Rückgang der Greifvogelverfolgung zu erkennen ist, stellten die Verbände fest, dass zumindest im Brennpunkt Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr weniger Abschüsse, Vergiftungen oder Fallenfänge festgestellt wurden als in den Vorjahren und werten dies als positives Zeichen, dass das koordinierte Vorgehen der dortigen Behörden Erfolge zeigt.
Obwohl alle Greifvögel in Deutschland seit Anfang der 1970er Jahre unter strengem Schutz stehen, ist die illegale Verfolgung von Greifvögeln nach wie vor ein gravierendes Problem. Ihre Verfolgung stellt eine Straftat dar, die eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen kann.
Während Länder wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein bis heute nicht einmal ein behördliches Register gemeldeter Straftaten gegen Greifvögel führen, loben die Naturschutzverbände ausdrücklich das vorbildliche Vorgehen des Landes Nordrhein-Westfalen: Hier wurde beim Umweltministerium eine Stabsstelle Umweltkriminalität eingerichtet, die durch enge Zusammenarbeit mit Polizei, Staatsanwaltschaft und Naturschutzbehörden eine effektive Registrierung und Verfolgung entsprechender Straftaten ermöglicht. In den vergangenen zehn Jahren führte dies bereits zu über 30 rechtskräftigen Verurteilungen.
So melden Sie verdächtige Beobachtungen!
Falls Sie tote Greifvögel, Fallen oder präparierten Giftköder entdecken, oder verdächtige Beobachtungen machen, die auf illegale Verfolgung von Greifvögeln hindeuten, melden Sie dies bitte umgehend bei der Erfassungs- und Dokumentationsstelle Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (EDGAR) unter der Telefonnummer 0160-581 34 45 oder per E-mail unter edgar@komitee.de.
So wurde dort Anfang Juni ein Jäger aus dem Landkreis Viersen zu einer Strafe von 3000 € und dem Entzug seines Jagdscheins verurteilt, nachdem das Gericht es als erwiesen ansah, dass er im Jahr 2013 in seinem Jagdrevier neben dem Betrieb einer aktiven Falle mindestens sieben Bussarde vergiftet hatte. In vielen anderen Bundesländern liegt die Aufklärungs- und Verurteilungsquote bis heute jedoch beinahe bei null.
Schon zwischen 2004 und 2014 haben die Verbände anhand von Angaben von Behörden und eigenen Daten Fälle von Greifvogelverfolgung dokumentiert. In zehn Jahren wurden dabei 800 Fälle mit mehr als 1200 toten Greifvögeln erfasst. Da nur ein sehr kleiner Teil aller Straftaten gegen streng geschützte Greifvögel überhaupt bemerkt und gemeldet wird, ist insgesamt von einer wesentlich höheren Anzahl betroffener Vögel auszugehen.
Verfolgung in der Nähe von Windkraftanlagen
Neu ist jedoch die Verfolgung der Greifvögel im Zusammenhang mit Windkraftanlagen: In bislang 42 zusätzlichen im Rahmen der Aktion gemeldeten Fällen aus den Jahren 2010 bis 2015 besteht dringender Verdacht auf die illegale Zerstörung von Großvogelhorsten in Zusammenhang mit bestehenden und geplanten Windkraftanlagen, auch bei drei der registrierten Tötungsdelikte liegt ein entsprechender Zusammenhang nahe.
Um eine Gefährdung von Vogelarten auszuschließen, müssen für Windkraftanlagen bestimmte Mindestabstände zu deren Horsten einhalten werden. Um Windkraftanlagen trotzdem bauen zu können, werden daher offensichtlich häufig Horste dieser Vögel zerstört. Der NABU befürwortet den naturverträglichen Ausbau der Windkraft, weist jedoch auf gravierende Versäumnisse bei der Standortwahl und der Umsetzung einzelner Projekte hin. Standorte, die erst mittels Straftaten für Windkraftanlagen „geeignet“ gemacht werden, sind klar abzulehnen. Die meisten Horste sind bereits vor den Planungen einer Windkraftanlage bekannt. Sie werden dementsprechend im Genehmigungsprozess berücksichtigt. Wenn Horste für Windkraftanlagen zerstört werden, zeugt das vor allem von Ignoranz gegenüber geltendem Planungsrecht.
Auch in Zukunft sollen Naturfreunde die Augen offen halten, um mögliche Straftaten gegen Greifvögel zu entdecken. Als Hilfestellung haben NABU, LBV und das Komitee gegen den Vogelmord dazu im Jahr des Habichts einen Leitfaden für Naturfreunde und Behörden erstellt. Sie rufen mögliche Tatzeugen und Finder von toten Greifvögeln, Fallen oder präparierten Giftködern dazu auf, ihre Beobachtungen der beim Komitee gegen den Vogelmord eingerichteten Erfassungs- und Dokumentationsstelle Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität (EDGAR) unter der Telefonnummer 0160-581 34 45 oder per E-mail unter edgar@komitee.de zu melden.
Anmerkung: Die dokumentierten Fallzahlen in der ursprünglichen Meldung wurden am 20.1.2016 aktualisiert, da zusätzliche Fälle für den betreffenden Zeitraum bestätigt werden konnten.
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