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Jetzt NABU-Mitglied werden!Alarmierender Zustand der Tier- und Pflanzenwelt
Artenschutzreports für Deutschland und die EU erschienen
20. Mai 2015 – Der NABU wertet den vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichten Artenschutzreport 2015 als ein alarmierendes Signal und fordert Bund und Länder auf, aktiv gegen den dramatischen Artenschwund in Deutschland vorzugehen. Das Ziel, den Artenverlust bis 2020 zu stoppen, wird sonst nicht erreicht werden. Für den erstmals erschienenen Report hatte BfN Studien und Analysen der vergangenen Jahre zusammengeführt. Jede dritte untersuchte Art in Deutschland ist demnach gefährdet.
„Der Zustand von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen verschlechtert sich in rasantem Tempo. Die aktuelle Lage der Natur muss ein Weckruf an die Politik sein. Denn Abwarten führt dazu, dass unsere Natur immer weiter Schaden nimmt“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Zeitgleich mit dem Artenreport des BfN hat die EU heute einen Bericht zur Lage der Natur in Europa vorgestellt, der ebenfalls dramatische Zahlen des Artenverlustes in Deutschland und Europa unterstreicht. Danach sind beispielsweise die Bestände der Turteltaube in der EU seit dem Jahr 1980 um 95 Prozent zurückgegangen, der Kiebitzbestand ist in Deutschland im gleichen Zeitraum auf ein Viertel geschrumpft.
Naturschätze retten
Die Naturschutzgesetzgebung der EU soll auf den Prüfstand. Bis zum 24. Juli haben alle Bürgerinnen und Bürger in den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, sich zur Bedeutung und zu einer möglichen „Modernisierung" der zwei wichtigsten EU-Gesetze für den Natur- und Artenschutz zu äußern: der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) und der Vogelschutzrichtlinie. Mit Blick auf diese EU-Bürgerbefragung zum „Fitness Check“ möchte der NABU zahlreiche Menschen dazu bewegen, sich für starke Naturschutzgesetze in der Europäischen Union auszusprechen.
Tschimpke forderte Bund und Länder auf, endlich mehr für den Naturschutz zu tun. „Die Lösungen liegen auf der Hand: Unsere Arten brauchen eine stärkere Vernetzung ihrer Lebensräume. Außerdem ist ein besseres Management der Schutzgebiete erforderlich. Und nicht zuletzt müssen die Einflüsse des Menschen auf die Natur verringert werden, wenn wir Flächen für die Land- und Forstwirtschaft oder für den Siedlungsbau nutzen. Nur so können wir den dramatischen Abwärtstrend noch stoppen“, so der NABU-Präsident.
Mit Blick auf die Situation von Arten und Lebensräumen ist es geradezu zynisch, dass die EU-Kommission derzeit über eine Aufweichung der Naturschutzrichtlinien diskutiert. „Die Faktenlage ist ein unmissverständliches Plädoyer für eine bessere Umsetzung eben dieser Richtlinien. Jeder Einschnitt hätte dramatische Folgen“, warnte Tschimpke. Genau aus diesem Grund haben sich auch bereits über 100.000 EU-Bürger an einer aktuell laufenden Online-Aktion zum Schutz der Natur beteiligt.
Zwar zeigt der Artenschutzreport auch einzelne positive Entwicklungen auf, etwa für den Biber, den Wolf oder den Schwarzstorch. Doch gehen diese auf intensive Schutzbemühungen zurück und wären ohne die EU-Naturschutzrichtlinien nicht denkbar. Ihnen stehen massive Bestandsrückgänge bei einer Vielzahl der Tier- und Pflanzenarten gegenüber. Wertvolle Lebensräume wie Moore, Flüsse und Auen, Wälder oder auch extensiv bewirtschaftete Agrarlandschaften sind stark beeinträchtigt. Als Hauptursachen des Artenrückgangs benennen sowohl der Artenschutzreport als auch die EU-weite Analyse eine immer intensivere Landnutzung sowie die Effekte des Klimawandels.
Hintergrund: Die Forderungen des Bundesamtes für Naturschutz zum Schutz der Arten in Deutschland
1. Bestehende Artenschutzprogramme sind auszubauen und zu ergänzen, um gezielt die Bestände von in ihrem Bestand besonders gefährdeten Arten, vor allem solchen, bei denen ein Flächenschutz allein nicht ausreicht, sowie von Arten, für die Deutschland eine besondere Verantwortlichkeit hat, zu schützen und zu erhalten.
2. Das bestehende Schutzgebietssystem ist auf Lücken zu überprüfen und weiterzuentwickeln, denn ein repräsentatives und gut vernetztes System von Schutzgebieten ist wesentlich, um in der intensiv genutzten Kulturlandschaft hinreichend Rückzugsmöglichkeiten für Arten mit besonders spezialisierten Lebensraumansprüchen zu bieten. Wichtig ist zudem ein effektives Management, damit Schutzgebiete ihre Wirksamkeit entfalten können. Dieses umfasst neben gebietsspezifischen Managementplänen eine ausreichende Ausstattung mit personellen und finanziellen Ressourcen.
3. Effektiver Artenschutz profitiert am besten vom Schutz der betreffenden Lebensräume und einer in der Fläche nachhaltigen und naturverträglichen Nutzung. Für landwirtschaftlich genutzte Flächen ist eine gestärkte ökologische Komponente der europäischen Agrarförderung (GAP) vorzusehen. Dazu gehören beispielsweise ein bundesweites vollständiges Grünlandumbruchsverbot sowie eine sinnvolle Ausgestaltung der ökologischen Vorrangflächen innerhalb der GAP. Um den Schutz der Arten in der Agrarlandschaft zu optimieren, sind die Vertragsnaturschutzmaßnahmen besser finanziell auszustatten, noch zielgerichteter zu konzipieren und die vorhandenen Mittel vermehrt in wirksame Maßnahmen zu investieren.
4. Das Vorhandensein nutzungsfreier Wälder ist unabdingbar, um das gesamte Spektrum der Artenvielfalt zu erhalten. Der Anteil nutzungsfreier Wälder ist weiter zu erhöhen, um das in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt festgelegte Ziel von einem Anteil von fünf Prozent an der Waldfläche zu erreichen. Darüber hinaus sollte die Artenvielfalt in den Wäldern durch eine naturverträgliche Nutzung mit entsprechendem Strukturreichtum und eine natürliche Baumartenauswahl gefördert werden. Naturschutzleistungen im Wald sind dazu angemessen zu honorieren.
5. Die Vernetzung von Lebensräumen ist wichtig, u. a. um Ausbreitung und Genaustausch von Individuen zu befördern und zugleich die Anpassung an den Klimawandel zu erleichtern. Um die Vernetzung der Lebensräume zu verbessern, sind ausreichend naturnahe Landschaftselemente vorzusehen und der gesetzlich geforderte bundesweite Biotopverbund auf zehn Prozent der Fläche eines jeden Bundeslandes einzurichten. Das BNatSchG (§§ 20, 21) adressiert bei der Umsetzung des Biotopverbundes im besonderen Maße die Bundesländer.
6. Die Flüsse sind wieder durchgängig zu gestalten und mit ihren Auen zu verbinden. Die Fläche durchströmter Auen ist bundesweit zu vergrößern. Damit können sie gleichermaßen ihre Funktion als Lebensraum zahlreicher Arten wahrnehmen und wertvolle Ökosystemleistungen erbringen. Bei der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen ist auf bestmögliche Synergien zwischen Belangen des Naturschutzes und des Hochwasserschutzes zu achten.
7. Für die marinen Schutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone sind die Voraussetzungen zu schaffen, dass diese tatsächlich Rückzugsgebiete und Ruheräume für gefährdete Arten darstellen. Dazu ist insbesondere eine ökosystemverträgliche, nachhaltige Fischerei notwendig.
8. Um noch zielgerichteter Schutzmaßnahmen für die Arten durchführen zu können, ist es erforderlich, bessere Datengrundlagen über die Gefährdungssituation bzw. den Erhaltungszustand der Schutzgüter zu schaffen, fortzuführen und weiterzuentwickeln. Die in diesem Zusammenhang unersetzlichen Leistungen des Ehrenamtes sind höher wertzuschätzen und professionell zu begleiten.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seine Kommissare sind dem Vorschlag von EU-Umweltkommissar Karmenu Vella gefolgt, die EU-Naturschutzrichtlinien zu erhalten und von einer Änderung der bestehenden Regelungen abzusehen. Mehr →
Fitness-Checks heißen in der EU-Politik umfassende Evaluierungen, die bewerten, ob ein Gesetz dem vorgesehenen Zweck noch dient. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bereits kundgetan, dass er die „Verschmelzung“ und „Modernisierung“ der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie wünscht. Mehr →