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Jetzt NABU-Mitglied werden!Hunderte wichtiger Naturgebiete in Gefahr
BirdLife International veröffentlicht weltweite Liste bedrohter Gebiete
17. November 2014 - Mehr als 350 der wertvollsten Naturgebiete der Erde stehen vor der Zerstörung, wie aus einem Bericht hervorgeht, den die Naturschutzorganisation BirdLife International - die internationale Partnerorganisation des NABU - am Wochenende auf dem World Parks Congress der Internationalen Naturschutzunion IUCN in Sydney, Australien, vorstellte. Die Liste enthält auch fünf Gebiete aus Deutschland.
Der Bericht ist Ergebnis einer Bewertung der Gefährdung der 12.000 weltweit wichtigsten Gebiete für Vögel und Artenvielfalt, die seit den 1970er Jahren nach wissenschaftlichen Kriterien auf der ganzen Welt als "Important Bird and Biodiversity Areas", kurz IBAs identifiziert wurden. 540 dieser Gebiete hatte der NABU in Deutschland in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und lokalen Experten abgegrenzt.
IBAs stellen das größte und umfassendste Netz für den Naturschutz besonders wichtiger Gebiete auf der Welt dar. 356 dieser Gebiete aus 122 Ländern wurden nun als "IBAs in Gefahr" gewertet. Sie laufen akute Gefahr, ihren Wert für die Natur in Kürze für immer zu verlieren und stehen damit beispielhaft für zahlreiche andere Gebiete mit ähnlichen Problemen. Dabei sind etwa die Hälfte dieser Gebiete ausgewiesene Schutzgebiete, was einmal mehr unterstreicht, dass eine Schutzgebietsausweisung alleine nicht ausreicht, wenn keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen werden.
“Die Liste der 'IBAs in Gefahr' ermöglicht es Regierungen, Entwicklungshilfeinstitutionen, ebenso wie der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, Anstrengungen auf bestimmte besonders gefährdete Gebiete zu fokussieren, um den Verlust ihrer internationalen Bedeutung für den Naturschutz zu verhindern," erläuterte Dr. Eick von Ruschkowski, Leiter der NABU-Naturschutzabteilung, der den NABU beim World Parks Congress vertritt.
Die Liste der ‘IBAs in Danger’ beinhaltet unter anderem den Tieflandregenwald der afrikanischen Tropeninsel São Tomé, Heimat hochbedrohter endemischer Vogelarten. Er ist durch die Anlage von Ölpalmenplantagen und den Bau eines Staudamms gefährdet. Auch die Tasmanische See zwischen Australien und Neuseeland, ein wichtiges Gebiet für Albatrosse und andere Seevögel ist gefährdet: Nirgendwo auf der Welt gefährdet die Verschmutzung der Meere mit Plastik die Seevögel so sehr wie dort. Die Vögel sterben, wenn sie statt Nahrung Plastikteile aufnehmen.
Fünf Gebiete repräsentieren Deutschlands gefährdete IBAs: Der Untere Niederrhein und die Hellwegbörde in Nordrhein-Westfalen sowie die Leda-Jümme-Niederung in Niedersachsen leiden vor allem unter einer andauernden Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung mit Entwässerung von Feuchtwiesen und dem Verlust von Grünland zugunsten von Maisanbau. Gleichzeitig reicht der gesetzliche Schutzstatus dieser Gebiete nicht aus, und das notwendige Naturschutzmanagement fehlt oder ist unzureichend. Das Mühlenberger Loch, ein Brackwasser-Watt der Elbe in Hamburg wurde für die Verlängerung der Landebahn des angrenzenden Airbus-Werkes zum Teil überbaut, die auferlegten Ersatzmaßnahmen jedoch bis heute nicht umgesetzt. Stattdessen droht durch die geplante Elbvertiefung neue Gefahr für das bereits geschädigte Gebiet. Die Vorpommersche Küsten- und Boddenlandschaft ist vor allem durch die Entnahme von Sand und Kies vor der Küste und durch den massenhaften Beifang überwinternder tauchender Meeresenten in küstennahen Fischerei-Stellnetzen bedroht.
Ein zweiter Bericht von BirdLife International fasst die Errungenschaften des weltweiten IBA-Programms aus vier Jahrzehnten zusammen. IBAs haben für den Naturschutz einen großen Einfluss: Sie ermöglichen gezielte Schutzmaßnahmen für die wichtigsten Gebiete eines Landes und haben die Ausweisung vieler formal geschützter Naturschutzgebiete und Nationalparks forciert.
In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren sie die Grundlage für die Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten, eine der wichtigsten Vorgaben der bereits 1979 verabschiedeten EU-Vogelschutzrichtlinie. Allein in Deutschland wurden auf Grundlage der IBAs bis 2009 740 EU-Vogelschutzgebiete auf über 14% der deutschen Land- und Seefläche ausgewiesen. Für deren Schutz und Erhalt sind heute die Bundesländer und die Bundesregierung verantwortlich. Nach der formellen Ausweisung müssen diese heute für einen angemessenen Schutz und ein angepasstes Management dieser Gebiete sorgen. Nicht nur bei den fünf deutschen Gebieten auf der internationalen Liste der‚ IBAs in Gefahr gibt es dabei noch erhebliche Defizite. Eine kürzlich angelaufene Überprüfung der Effektivität der Vogelschutzrichtlinie durch die EU-Kommission, bietet aktuell eine gute Möglichkeit, noch effektivere Wege für die Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie, und damit des Schutzes der wertvollsten Naturgebiete Europas zu entwickeln.