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NABU reicht Einwendung zur geplanten Fehmarnbeltquerung ein
23. Juli 2014 - Zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland wird zurzeit der Bau eines 18 Kilometer langen Absenktunnels geplant. Da er durch ein einzigartiges und geschütztes FFH-Schutzgebiet führt, befürchtet der NABU erhebliche Auswirkungen auf die Natur und hat eine kritische Stellungnahme zum laufenden Planfeststellungsverfahren eingereicht.
Das Planfeststellungsverfahren für Europas größtes Infrastrukturprojekt „Feste Fehmarnbeltquerung“ (FFBQ) wurde Anfang Mai 2014 eröffnet. Bis zum 3. Juli 2014 hatten auch die Umweltverbände Gelegenheit, ihre Bedenken zum Vorhaben zu formulieren. Der NABU reichte pünktlich zum Fristende eine Einwendung bei der zuständigen Planfeststellungsbehörde in Kiel ein. In dem knapp 140 Seiten langen Dokument rügen die Anwälte des NABU zahlreiche formelle und materielle Fehler der Planfeststellungsunterlagen. Ergänzt wird die Einwendung durch zahlreiche Bewertungen von Fachgutachtern sowie eine eigene Stellungnahme des NABU.
Fehlerhafte Berechnungen, überholte Prognosen
NABU-Präsident Olaf Tschimpke sagt dem geplanten Tunnel keine gute Zukunft voraus: „Fehlerhafte Berechnungen zum tatsächlichen Bedarf, lange überholte Verkehrsprognosen, veraltete Kostenberechnungen: Die Feste Fehmarnbeltquerung wird ökonomisch so desaströs enden wie Stuttgart 21 oder der Flughafen Berlin-Brandenburg. Hier soll mit Gesamtkosten von bis zu 14 Milliarden Euro wieder einmal einem schlechten Projekt gutes Geld hinterhergeworfen werden“.
Aus Umweltsicht birgt das weltweit längste Absenktunnelprojekt völlig unkalkulierbare Risiken. Angesichts des bestehenden erheblichen Nutzungsdrucks durch Fischerei, Schifffahrt, Offshore-Windkraft und weiteren Infrastrukturprojekten ist die Ostsee eines der am stärksten gefährdeten und belasteten Ökosysteme weltweit. „Bereits heute sind über 60.000 Quadratkilometer Meeresboden tot – auch eine Folge der Auswirkungen durch bereits bestehende Querungen an Öresund und Storebelt, die den für die Ostsee lebenswichtigen Frischwasserzufluss massiv behindern“, so Tschimpke. Das größte Binnenmeer der Erde sei endgültig am Limit.
Die Kritik an fehlerhaften Berechnungen zum Verkehrsaufkommen wird durch die aktuelle Analyse des Bundesverkehrsministeriums für den Bundesverkehrswegeplan 2015 bestätigt: Während die Anbindung von Metropolen und Zeitgewinnen durch bessere Verbindungen als Planungsziele genannt werden, wird die Verbindungsqualität zwischen Hamburg und Kopenhagen lediglich als „befriedigend“ eingestuft. Demnach besteht keine dringende Notwendigkeit zum Bau des Tunnels. Ebenso gehen alle Prognosen fälschlicherweise davon aus, dass der Fährbetrieb eingestellt wird, was nicht der Tatsache entspricht.
Ungereimtheiten bei der Verkehrsprognose
Eine vom NABU in Auftrag gegebene Plausibilitätsprüfung der Verkehrsprognosen deckt zahlreiche weitere Ungereimtheiten auf. So bleibt das am stärksten wachsende Segment des Flugverkehrs in der Bedarfsermittlung völlig unberücksichtigt, die im Zuge der Planungen unterstellten überproportionalen Wachstumsraten für den Bahnverkehr stimmen nicht mit amtlichen dänischen Statistiken überein und die angenommene, 48-prozentige Steigerung des Pkw-Aufkommens angesichts bereits heute rückläufiger Nutzermengen ist quasi unmöglich.
Neben der Kritik des Bundesrechnungshofes an den zu erwartenden ausufernden Projektkosten wachsen die Zweifel an der Festen Fehmarnbeltquerung mittlerweile auch bei dänischen Infrastrukturexperten. „Selbst der ehemals hochrangige Mitarbeiter des dänischen Verkehrsministeriums, Knud Erik Andersen, oder Per Homann Jespersen von der Universität Roskilde, warnen angesichts völlig falscher Annahmen in unterschiedlichen Publikationen eindringlich vor den enormen ökonomischen Risiken mit den absehbaren ökologischen Auswirkungen“ so Malte Siegert, Fehmarnbeltexperte des NABU. Der NABU fordert die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Dänemark auf, den 2008 geschlossenen Staatsvertrag ernst zu nehmen und Artikel 22 zu befolgen. Dort heißt es wörtlich: „…Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projektes sich deutlich anders entwickeln als angenommen und anders, als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern….“
Die die letzte Chance vor Beginn der entscheidenden Phase muss genutzt werden, um aus diesem ökonomisch wie ökologisch überflüssigen Großprojekt auszusteigen.