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Jetzt NABU-Mitglied werden!Artensterben auf Äckern und Wiesen
Studie zeigt starke Abnahmen bei Vögeln und Blumen
01. Juli 2014 – Die Artenvielfalt ist in Deutschland auf landwirtschaftlichen Flächen ernsthaft bedroht. Daran haben bislang weder die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ noch das „Greening“ im Zuge der EU-Agrarförderung etwas ändern können. Dies zeigt eine aktuelle Bestandsaufnahme und Analyse der Michael Otto Stiftung für Umweltschutz.
Die beim Michael-Otto-Institut im NABU in Auftrag gegebene Studie „Naturschutz in der Agrarlandschaft am Scheideweg – Misserfolge, Erfolge, neue Wege“ analysiert die Verluste biologischer Vielfalt in der Agrarlandschaft am Beispiel der Pflanzen und Vögel. So haben sich beispielsweise die Bestände von 15 der 20 typischen Brutvögel in landwirtschaftlich genutzten Lebensräumen kontinuierlich reduziert, bei drei Arten hat sich der Bestand seit 1980 sogar mehr als halbiert. Mindestens genauso dramatisch stellt sich die Situation der Blütenpflanzen der Agrarlebensräume dar, einzelne Arten haben seit den 1950er Jahren mehr als 99 Prozent ihres Bestands eingebüßt.
Anbau für Biokraftstoffe und Biogas heizt Flächenbedarf zusätzlich an
Als Hauptursache für die fortschreitende Abnahme der Vielfalt haben Institutsleiter Dr. Hermann Hötker und Prof. Christoph Leuschner von der Uni Göttingen die zunehmende Intensivierung der Bewirtschaftung ausgemacht. Die Produktionsförderung für nachwachsende Rohstoffe und die hohe Nachfrage nach Grundstoffen zur Herstellung regenerativer Energieträger wie Biokraftstoffe oder Biogas heizen den Flächenbedarf noch zusätzlich an und gefährden so die letzten Refugien der Biodiversität.
„Die Ziele einer Intensivierung der Landwirtschaft auf der einen und die Bewahrung der Biodiversität auf der anderen Seite stehen sich häufig diametral gegenüber. Gerade wegen dieser Interessenskonflikte ist eine enge Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft heute dringend erforderlich“, erklärt Dr. Michael Otto.
Um den Dialog zwischen den Interessengruppen und den politischen Entscheidungsträgern zu intensivieren, überreichte Otto die Studie und einen 20-Punkte-Plan Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth und Agrar-Staatssekretär Dr. Robert Kloos . Wesentliche Punkte sind die Untergliederung großer Ackerflächen für mehr Strukturvielfalt und die vermehrte extensive Nutzung von Dauergrünland sowie eine verstärkte Förderung des ökologischen Landbaus und die Ausweisung von Vorrangflächen für die Biodiversität auf Äckern, Wiesen und Weiden.
Wie die Studie zeigt, ging die Fläche des artenreichen mittelfeuchten (mesophilen) Grünlands und des Feuchtgrünlands in Norddeutschland seit 1950 um rund 85 Prozent zurück. Die Ursache hierfür war vor allem die Umwandlung in intensiv bewirtschaftetes Grünland. Auf den Äckern verringerte sich die potenziell für Wildkräuter (Segetalflora) besiedelbare Fläche um etwa 95 Prozent. Selbst eine stärkere Anlage von extensiv genutzten Ackerrandstreifen wird nicht ausreichen, die Restbestände der Ackerwildkräuter dauerhaft zu schützen.
Auch der Ökolandbau kann nur begrenzte Beiträge zum Artenschutz leisten. Der Umfang von Agrar-Umweltmaßnahmen (AUM) ist in Deutschland derzeit viel zu gering, als dass messbare Auswirkungen auf die Bestandsentwicklung der Ackervögel zu erwarten wären. Zudem ist die Qualität der Maßnahmen oft nicht ausreichend und zu wenig regionen- beziehungsweise artenspezifisch. Grünlandschutzgebiete können zur Bestandsstützung einiger hoch bedrohter Arten zwar beitragen, jedoch den flächendeckenden Negativtrend nicht aufhalten, zumal die Schutzziele in der überwiegenden Zahl der Fälle verfehlt werden. Hinzu kommt, dass in zehn Bundesländern kein regelmäßiges Monitoring der Wirksamkeit von AUM in Bezug auf spezialisierte Vogelarten durchgeführt wird.
Erfolgreiche Schutzprojekte zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass eine intensive Betreuung vorhanden ist. Als Faustregel sollte laut der Studie mindestens eine Personalstelle pro 1000 Hektar Schutzgebietsfläche beziehungsweise ein Viertel der Projektgesamtkosten für Beratung, Betreuung und Monitoring von Agrar-Umweltmaßnahmen verfügbar sein.
Für die nächste Zukunft ist mit keiner Verbesserung der Biodiversität auf Agrarflächen zu rechnen. „Auch durch das derzeit anlaufende ‚Greening‘ wird in nächster Zukunft mit keiner Verbesserung der Biodiversität auf Ackerflächen zu rechnen sein“, erklärt Dr. Hermann Hötker. Vielversprechenden Schutz der Biodiversität scheinen Demonstrationsbetriebe mit Biotop-Management-Maßnahmen zu erzielen – und das trotz konventioneller Wirtschaftsweise und ohne Minderung der Wirtschaftlichkeit des Hofes. Das Beispiel der Hope Farm in England demonstriert, wie sich Ökonomie und Ökologie im konventionellen Ackerbau vereinbaren lassen. In Deutschland besteht dringender Bedarf an vergleichbaren landwirtschaftlichen Demonstrationsprojekten, die die Vereinbarkeit von Wirtschaftlichkeit und Naturschutz transparent machen.
- Michael Otto Stiftung für Umweltschutz
- Michael-Otto-Institut im NABU
- Hope-Farm-Projekt des britischen NABU-Partners RSPB
Das von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung geförderte Projekt ermöglicht es NABU-Gruppen, Grünlandflächen zu optimieren und mittels zertifiziertem Regiosaatgut neue artenreiche Grünlandflächen anzulegen.
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