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Die Ergebnisse der Gartenrotschwanz-Kartierung 2011
30. Januar 2012 - Den hübschen Gartenrotschwanz lieben alle, die ihn einmal zu Gesicht bekommen haben. Er zählt zu den Vogelarten, bei denen auch Ornithologen schnell ins Schwärmen geraten: Denn wo er noch vorkommt, da dürfte die Welt noch ziemlich intakt sein. avon waren offenbar auch die Experten überzeugt, die den Gartenrotschwanz als eine von zehn Indikatorarten für den Lebensraum „Siedlungen“ auswählten. Die Entwicklung seines Bestandes wird herangezogen, um den Nachhaltigkeitsindikators für die Artenvielfalt regelmäßig zu beziffern. Diesen rief die Bundesregierung im November 2007 ins Leben gerufen, um nicht zuletzt die Lebensqualität in den verschiedensten Natur- und Kulturlandschaften zu bewerten.
Der Gartenrotschwanz als „Vogel des Jahres 2011“ bot auch dem NABU die Gelegenheit, Vorkommen und Lebensräume etwas genauer zu untersuchen. Rund 100 Vogelfreunde beteiligten sich an unserem bundesweiten Aufruf, kartierten ihre Gartenrotschwanz-Beobachtungen und beschrieben die Fundstellen. Am Ende konnten Daten aus 162 Untersuchungsgebieten in acht Bundesländern ausgewertet werden. Die meisten Meldungen erreichten uns aus dem Südwesten Deutschlands, wo die Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg die Zählung aufgriff und mit einem eigenen Aufruf an ihre Aktiven verband.
Rund 1600 Reviere erfasst
Nicht alle Einsendungen enthielten Angaben zur Größe der bearbeiteten Fläche. Doch schon allein die vorliegenden Zahlen zeigen, dass insgesamt mehr als 12.685 Hektar intensiv abgesucht wurden. Dabei legten die Vogelfreunde zusammen mehr als 600 Kilometer Wegstrecke zurück und erfassten am Ende 1.589 Gartenrotschwanz-Reviere. Rund die Hälfte aller Reviere fanden die Kartierer auf Streuobstwiesen, etwa ein Fünftel in Kleingartenanlagen. Diese Biotope bildeten auch den Schwerpunkt der bearbeiteten Gebiete.
Um die Bedeutung von Lebensräumen für eine Vogelart bewerten zu können, wird meist die Siedlungsdichte ermittelt. Je mehr Individuen auf zum Beispiel zehn Hektar eines Biotoptyps vorkommen, desto geeigneter – und dadurch bedeutsamer – scheint dieser für die Vogelart zu sein. Exakte, wissenschaftliche Vergleiche lassen sich jedoch nur dann ziehen, wenn alle Daten nach derselben Methode ermittelt wurden und eine repräsentative Auswahl bilden. Unsere Jahresvogelkartierung erfüllt diesen Anspruch nicht durchgehend. So mussten teilweise Wegstreckenangaben auf Flächen umgerechnet werden. Doch es zeichnen sich Unterschiede ab, die einige interessante Hinweise geben.
Hohe Siedlungsdichte in Kleingärten
Die höchste Siedlungsdichte wurde in Kleingartenanlagen festgestellt. Hier kartierten die Vogelfreunde 172 Gartenrotschwanz-Reviere auf 777 Hektar Fläche. Das entspricht einer Häufigkeit von durchschnittlich 2,2 Brutpaaren je zehn Hektar. Die oftmals strukturreichen Gärten mit reichem Obstbaumbestand standen damit beim Gartenrotschwanz sogar noch höher auf der Beliebtheitsskala als reine Streuobstwiesen. Dort wurden im Mittel 1,7 Brutpaare je zehn Hektar registriert (657 Reviere auf 5661 Hektar). Auf einzelnen Flächen lag die Dichte sowohl in Kleingartenanlagen als auch auf Obstwiesen noch deutlich darüber.
Streuobstwiesen gelten seit jeher als „klassischer“ Lebensraum für Vögel, die wie der Gartenrotschwanz gerne von Sitzwarten aus auf Insektenfang gehen und zum Brüten auf Baumhöhlen oder passende Nistkästen angewiesen sind. In vielen Regionen prägten Obstbaumwiesen über Jahrhunderte die Umgebung von Ortschaften. Doch viele mussten Neubaugebieten weichen oder ihre Nutzung wurde als unrentabel betrachtet und aufgegeben. So sind Streuobstwiesen etwa in Nordrhein-Westfalen in den letzten 40 Jahren um 74 Prozent zurück gegangen. Die ausgedehntesten „Obstbaumgürtel“ gibt es noch im Südwesten Deutschlands. Bundesweit sind nach Schätzungen des NABU etwa 300.000 Hektar Streuobstwiesen übrig geblieben. Rechnet man die hier ermittelte Dichte hoch, wären dort rund 50.000 Gartenrotschwanzpaare heimisch. Gemessen am bisher geschätzten Bestand von bundesweit 110.000 bis 160.000 Brutpaaren konzentriert sich demnach die Hälfte bis ein Drittel aller Gartenrotschwänze auf solche Obstbaumwiesen. Die Jahresvogelkartierung belegt damit die enorme Bedeutung von „Streuobst“ für den Artenschutz.
Nisthöhlen als beschränkender Faktor
Im städtischen Umfeld zählen Kleingartenanlagen zu den wichtigsten Lebensräumen des Gartenrotschwanzes. Das zeigt die dort festgestellte hohe Siedlungsdichte. Auf kleineren Teilflächen fanden sich gebietsweise mehr als zehn Brutpaare auf zehn Hektar Gartenareal. Viele Kleingartenvereine haben sich inzwischen dem schonenden Umgang mit der Natur verschrieben und setzen zum Beispiel auf biologische Schädlingsbekämpfung. Entsprechend attraktiv werden solche Flächen für Vögel wie den Gartenrotschwanz. Spezielle Nistkästen können lokale Populationen zusätzlich stützen, denn oftmals limitiert das Angebot geeigneter Baumhöhlen sein Vorkommen.
Der NABU wird die Ergebnisse der bundesweiten Kartierung auch dem Bundesverband Deutscher Gartenfreunde zur Verfügung stellen, mit dem im Jahr des Gartenrotschwanzes eine engere Kooperation vereinbart wurde. Denn von gemeinsamen Aktionen sollen der Gartenrotschwanz und andere gefährdete Arten auch über das Jahr hinaus profitieren. Der NABU und seine Partner danken allen Vogelfreunden, die sich an der Jahresvogelkartierung beteiligt haben, sehr herzlich für ihr Engagement und die sorgfältige Datenerfassung.
von Dr. Markus Nipkow, NABU-Referent für Ornithologie und Vogelschutz