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Ein Wald-Bekenntnis von Günter Grass
Unter dem Titel „Wolken überm Wald“ stellte der NABU 2011 in Zusammenarbeit mit dem Günter-Grass-Haus Grafiken des Literaturnobelpreisträgers aus, die durch ganz Deutschland wanderten. Die Ausstellung verband Grass’ kritischen Blick auf die damalige Situation mit der Einschätzung des NABU zu den heutigen Entwicklungen. Im Interview mit Jörg-Philipp Thomsa, Leiter des Günter-Grass-Hauses, sprach Grass über literarische Abwege und seine Verbundenheit zu Wäldern:
Herr Grass, in einem Gedicht von Bertolt Brecht, das Sie in Ihrem Buch „Totes Holz“ zitieren, heißt es, dass ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen sei, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließen würde. Ist es heute eher ein Verbrechen, nicht über Bäume zu sprechen?
„Totes Holz“ ist tatsächlich die Umkehrung, weil es von Menschen gemachte Katastrophen sind, sei es durch Abholzung, Monokultur oder Abgase. Katastrophal ist, dass wir in der Geschichte der Menschheit noch nie so gut informiert gewesen sind und trotz des großartigen Informationsstandes keine wirksamen Konsequenzen gezogen werden.
Ruft der Wald Erinnerungen an Ihre Kindheit hervor?
Wo ich aufwuchs, im Danziger Vorort Langfuhr, konnte ich in einer Viertelstunde im Wald sein. Sicherlich wurde mein Verhältnis auch durch die kaschubische Verwandtschaft mütterlicherseits gefördert. Für sie waren das Pilzesuchen und das Betrachten von Pflanzen im Wald sehr wichtig.
Es wagt niemand mehr vom Weg abzuweichen, sich ins Dickicht zu schlagen und sich einfach zu verlaufen. Durch den Verlust solcher Wälder verlieren auch die Märchen ihren Hintergrund.
Günter Grass (1927-2015)
Der Deutsche Wald ist geradezu legendär und wurde zu einer Art Mythos stilisiert. Die deutsche Eiche ist ein Nationalsymbol. Sie befinden sich in einer langen Tradition und gewissermaßen in guter Gesellschaft. Wie ihre Kollegen Goethe und Heine haben Sie einige Harzreisen unternommen und diese dokumentiert. Was haben sie mit diesen beiden Wanderern gemeinsam?
Sicherlich das Verhältnis zum Wald. Was meine Harzreise betrifft: Ich suchte Spuren der Vernichtung des Waldes. An der damals noch existierenden deutsch-deutschen Grenze sah es wie nach einem Krieg aus. In weiten Bereichen war das Waldsterben auffällig. Dort sind meine ersten Zeichnungen entstanden. Auf ein solches Thema kommt man, wenn man den Wald liebt und diese wahnsinnige Vernichtung vor Augen hat. Ich habe darüber geschrieben, dass unsere Kinder und Enkelkinder nicht mehr die Chance haben, sich im Wald zu verlaufen, was ja mitsamt den Ängsten, die man dabei zu überwinden lernt, etwas Wunderbares ist. Jetzt sind überall Wege. Es wagt niemand mehr vom Weg abzuweichen, sich ins Dickicht zu schlagen und sich einfach zu verlaufen. Durch den Verlust solcher Wälder verlieren auch die Märchen ihren Hintergrund.
Was wünschen Sie sich für den deutschen Wald?
Dass wieder mehr Freiräume entstehen. Der Wald ist ja für Kinder ein Platz zum Staunen und Abenteuer erleben. Nicht wie auf einem Abenteuerspielplatz, der von Menschen organisiert ist, sondern wie Natur, in der sich auch Zufälle ergeben, wo man etwas sucht und manchmal findet. Das Besondere an der Natur ist ihr Reichtum und ihre Vielfalt. Und ganz egoistisch, nur für mich gesagt: Ich zeichne im Wald gerne Buchen. Aber nicht nur die gerade gewachsenen, die auch ihre Schönheit haben, sondern wild wuchernde Buchengruppen, bei denen mehrere Stämme vom Förster unberührt haben wachsen dürfen. Für einen Zeichner ist das wunderbar.
Ausführliche fassung
Am 24. Januar 2011 trafen sich im Günter Grass-Haus in Lübeck der NABU-Präsident Olaf Tschimpke und der Literaturnobelpreisträger Günter Grass zu einem "Gespräch über Wälder". Anlässlich seines Todes am 13. April 2015 erinnert der NABU an die Zusammenarbeit. Mehr →